Protocol of the Session on March 30, 2000

Das kann man in einem so kurzen Zeitraum, wie er mir zur Verfügung steht, glaube ich, seriös auch nicht schaffen.

Ich will mich gern auf den Antrag konzentrieren, den Sie eingebracht haben, und dazu muss ich sagen: In der Zielsetzung stimmen wir durchaus überein. Es trifft zu, meine Damen und Herren, dass es nach geltender Rechtslage Möglichkeiten gibt, in Asylverfahren bewusst zu verzögern.

Frau Stokar von Neuforn, hier muss ich eine kleine Korrektur anbringen. Meine Fachleute haben mir gesagt, dass in Berlin zu diesem speziellen Thema bisher noch nichts vorliegt.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Meine haben mir gesagt, es liege vor, sei aber noch vertraulich!)

- Gut. - Also: Wir machen es öffentlich, und zwar als eine Initiative, die wir gern ergreifen möchten. Welche das ist, möchte ich mit wenigen Worten erläutern.

Es geht um Folgendes: Nach dem geltenden Recht ist es nach wie vor möglich, innerhalb einer Familie für die einzelnen Familienmitglieder Asylanträge zeitlich so zu platzieren, dass damit für die gesamte Familie ein längerer Aufenthalt erreicht wird. Wurde z. B. ein Asylantrag der Eltern abgelehnt und steht die Aufenthaltsbeendigung an, dann wird durch einen kurz vor der Abschiebung gestellten Asylantrag für ein Kind erreicht, dass zumindest dieses Kind mit einer Betreuungsperson weiterhin im Bundesgebiet bleiben kann. Aufgrund des öffentlichen Drucks, dem sich die Ausländerbehörde in einem solchen Fall ausgesetzt sieht - Sie alle kennen das -, wird schließlich der Aufenthalt der gesamten Familie geduldet. Bei großen Familien kann es auf diese Weise ohne weiteres zu Aufenthaltszeiten von sieben bis zehn Jahren kommen. Dann wird argumentiert, dass nach einer so langen Zeit, insbesondere wegen der Integration der Kinder, eine Beendigung des Aufenthalts nicht mehr vertretbar ist. - Auf diese Weise werden alle Bemühungen unterlaufen, Asylanträge zügig zu entscheiden, natürlich nur in diesen Fällen, und den Aufenthalt bei Ablehnung des Asylantrags alsbald zu beenden.

Das Innenministerium hat diese Situation schon sehr früh als Missstand erkannt, den es zu beseitigen gilt, und an einer entsprechenden Gesetzesänderung gearbeitet. Auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen - ich habe das, glaube ich, in anderem Zusammenhang hier schon einmal erwähnt - hat sich im August 1998 auf Anregung des Landkreises Osnabrück mit Gesetzesvorschlägen an das Innenministerium gewandt.

Das Problem ist, meine Damen und Herren, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl nicht möglich ist, Asylanträge von Kindern generell und automatisch in das Asylverfahren einzubeziehen. Nach der verfassungsrechtlichen Prüfung durch unser Justizministerium kann ein Asylverfahren grundsätzlich nur auf Antrag durchgeführt werden und ist in jedem Fall ein individuelles Prüfungsverfahren erforderlich.

Zurzeit befindet sich ein konkreter Entwurf des Innenministeriums zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, der nach meiner Auffassung den

hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, in der Abstimmung zwischen den Ressorts. Kernstück ist die gesetzliche Fiktion eines Asylantrages, wenn dem Bundesamt die Geburt eines Kindes oder der Nachzug eines unter 16 Jahre alten Kindes von Asylbewerbern mitgeteilt wird. Hierdurch wird erreicht, dass unmittelbar nach der Geburt oder Einreise eines Kindes ein Asylantrag vorliegt, über den das Bundesamt unverzüglich entscheiden kann. Die Eltern haben es damit nicht mehr in der Hand, den Asylantrag zu einem späteren, ihnen genehmen Zeitpunkt zu stellen. Auf diese Weise werden ein zügiges individuelles Prüfungsverfahren eingeleitet und gleichzeitig das Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 gewahrt. Die Verschleppung von Asylverfahren für die Kinder wäre nicht mehr möglich.

Ich würde es sehr begrüßen, meine Damen und Herren, wenn sich im Rahmen der weiteren Beratung alle Fraktionen in diesem Hause auf die Initiative des Innenministeriums verständigen könnten und diese unterstützen würden.

Ich möchte nun gern noch auf einen Aspekt eingehen, weil Herr Schünemann vorhin dazwischenrief, ich hätte gefordert oder vorgeschlagen, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen.

(Schünemann [CDU]: Das habe ich nicht gesagt! – Biallas [CDU]: Das Grundrecht zu entwickeln!)

Sie wissen, dass ich im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Harmonisierung des europäischen Zuwanderungsrechtes darüber gesprochen habe, dass wir auch in Deutschland dann unsere gesetzlichen Bestimmungen überdenken müssen, wenn wir anderenfalls hinsichtlich der Harmonisierung in Schwierigkeiten kommen könnten. Wenn unsere gesetzlichen Bestimmungen irgendwann einmal ein Hinderungsgrund sein könnten, muss man darüber diskutieren. Nicht mehr und nicht weniger möchte ich dazu im Moment sagen.

(Biallas [CDU]: Immerhin hat der Flüchlingsrat Ihren Rücktritt gefor- dert!)

- Das habe ich zur Kenntnis genommen, aber nicht ernst genommen.

Frau Stokar erhält zusätzlich bis zu zwei Minuten Redezeit. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe um zusätzliche Redezeit gebeten, weil wir nach dem Redebeitrag des Herrn Innenminister zu dem wirklich spannenden Thema kommen. Deshalb auch mein etwas laxer Zwischenruf: Der Entwurf ist noch vertraulich. - Unsere Fraktion ist bereit, über den Entwurf des Niedersächsischen Innenministeriums, den wir noch nicht kennen, zu reden, wenn transparent gemacht wird – und zwar auch hier im niedersächsischen Parlament –, worin denn die verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, die es hier in Niedersachsen im Justizministeriums gibt. Nach den mir vorliegenden Informationen gibt es auf Bundesebene Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Bewertung zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundesinnenministerium. Ich werde natürlich keine Politik mitmachen – das müssten Sie hier ausräumen, Herr Innenminister –, in deren Zuge Niedersachsen mit einer Bundesratsinitiative aushilft, um auf Bundesebene die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesjustizministerium aus dem Weg zu räumen.

Ich denke, wir werden im Innenausschuss und im Rechtsausschuss eine spannende Debatte haben. Ich sage noch einmal deutlich: Nur in der Frage der Kettenanträge, die wir für ein geringes Problem halten, sind wir gesprächsbereit; aber bitte unter sauberen verfassungsrechtlichen Bedingungen.

Lassen Sie mich damit enden, meine Damen und Herren: Meines Erachtens gehört es auch zur Ehrlichkeit von Politikern, der Bevölkerung einmal zu sagen: Wir können die Gesetze so oft ändern, wie wir wollen, aber ein bestimmtes Problem werden wir damit nicht aus der Welt schaffen.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt Asylfamilien, die, um hier bleiben zu können, jedes Jahr ein Kind bekommen. Da werden Sie die Gesetze so viel ändern können, wie Sie wollen. Wir können ja schließlich nicht zwangsweise die Pille verteilen. Wir werden es nicht verhindern können, dass Familien jedes Jahr ein Kind bekommen. Das bedeutet, wir können diese Familien nicht abschieben. Vielleicht müssen wir uns irgendwann überlegen, einmal nachzugeben und zu sagen: Okay, dann lasst sie doch hier. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Herr Innenminister hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Stokar, ich wollte Ihnen nur Folgendes zusagen: Die geforderte Transparenz werden wir selbstverständlich herstellen. Wir befinden uns zurzeit in der Ressortabstimmung. Die Argumente, die hinund hergewogen werden müssen, werden wir uns auch von der Bundesebene beschaffen. Ich habe überhaupt keine Bedenken, diese Argumente in die Beratungen in den Ausschüssen mit einzubringen.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Kollege Harden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Frau Stokar gesagt hat: Wir werden es nicht verhindern können, dass die Familien nach und nach immer wieder Kinder bekommen, um eine Verlängerung des Aufenthaltes hier zu erreichen, was Sie für ein geringes Problem halten. Das ist ein Problem, das dazu führt, dass sich Unmut über die Ausnutzung des Asylrechtes breit macht. Ich halte es für gerechtfertigt, dass sich das Innenministerium und das Justizministerium Gedanken darüber machen, wie man diesen offensichtlichen Missbrauch verhindern kann.

(Frau Stokar von Neuform [GRÜNE]: Kinder kriegen kann kein Missbrauch sein! Es gibt Dinge, die werden Sie nicht lösen!)

So ist das eben. Frau Kollegin, wenn die Betreffenden nicht politisch verfolgt sind und ausgeurteilt ist, dass sie nicht politisch verfolgt sind, dann gehören sie wieder dorthin zurück, woher sie gekommen sind. Das ist die Gesetzeslage.

(Schröder [GRÜNE]: So ist es nicht!)

- Das ist auch die Verfassungslage. Wenn man bei der CDU Verfassungstreue einfordert, wo dies durchaus berechtigt ist, dann hat man dies auch an dieser Stelle einzufordern.

Herr Kollege Harden, eine Frage des Kollegen Schröder wollen Sie aber nicht noch beantworten? – Nein. Das möchte er nicht.

Ich möchte jetzt die Debatte schließen, damit wir sie dort fortführen können, wo Frau Stokar sie schon sieht. Ob die Debatte spannend wird, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal wollen wir den Antrag, wenn Sie das möchten, zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für innere Verwaltung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist so beschlossen.

Damit kommen wir zu dem vorletzten Tagesordnungspunkt für heute, nämlich zu

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Herausforderung Globalisierung - Internationalität in Schulen und Hochschulen fördern - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/1489

Der Antrag der Fraktion der CDU wird Ihnen von Frau Kollegin Mundlos vorgestellt.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, Sie dürfen die Wanderbewegungen im Plenarsaal ruhig wieder beenden. Das würde den Beratungen nicht schaden.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bekommt das niedersächsische Vermögen die Zuwendung, die es verdient? Nun mag mancher ganz spontan fragen: Welches Vermögen? Das Land hat doch nichts mehr. – In der Tat: Nach den Diskussionen von gestern zur Finanzierung der Bildungsoffensive kann nicht nur ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das größte noch verbliebene niedersächsische Vermögen von der Landesregierung nicht die Zuwendung und Beachtung erfährt, die es verdient hätte. Dieses niedersächsische Vermögen, von dem ich spreche, sind die junge Generation und ihre Bildungsfähigkeit.

(Beifall bei der CDU – Mühe [SPD]: Mein Gott, was für eine staatstragende Rede!)

Diesem Vermögen, diesem unglaublichen Potential an steigerungs- und vermehrungsfähigem Kapital müssen wir uns fürsorglicher zuwenden, wenn wir es nicht leichtfertig verspielen wollen. Lange Zeit für Überlegungen haben wir allerdings nicht mehr, denn die sich entwickelnde Informationsgesellschaft gibt das Tempo vor. Die Folgen der Globalisierung sind zu spüren. Die Green-CardDiskussion ist das aktuelle Beispiel dafür. Gesellschaftliche Verkrustungen, Ineffektivität und bildungspolitisches Versagen der letzten zehn Jahre, Herr Dr. Domröse, werden schonungslos aufgedeckt.

Verstecken kann sich vor diesen Globalisierungsauswirkungen im Übrigen niemand, auch keine SPD-geführte Landesregierung. Wer verantwortungsvoll mit dieser Entwicklung umgeht, muss Maßnahmen einleiten, die es unserer jungen Generation ermöglichen, Schritt zu halten und nicht auf der Strecke zu bleiben. Hier kommt gerade der Bildungspolitik eine besondere Bedeutung zu.

(Zustimmung von Frau Schwarz [CDU])

Ich will einige Maßnahmen nennen, die wir deshalb einfordern. Hier ist vorrangig die sprachliche Kompetenz zu nennen. Wer sich im internationalen Wettbewerb verständlich machen kann, wer andere versteht, Kultur und Denkweisen der Mitbewerber kennen gelernt hat und zu schätzen weiß, der hat die ersten wesentlichen Schritte zum aktiven, starken Europäer gemacht. Hierfür müssen initiiert werden frühes zielgerichtetes Fremdsprachenlernen, Grundkenntnisse in mehr als einer Fremdsprache, studienbegleitender Fremdsprachenunterricht, Lehrveranstaltungen in englischer Sprache, das alles fördernde Schulpartnerschaften und internationaler Schüleraustausch, unterstützt durch Landes- und EU-Mittel.

Es ist erschreckend, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie katastrophal die Kenntnisse und Erfahrungen dieser Landesregierung mit Schüleraustausch sind. Das geht zumindest aus der Antwort auf eine Anfrage der Kollegin Vockert und mir zum internationalen Schüleraustausch hervor. Dort lautet fast jeder zweite Satz: Wissen wir nicht. Liegt nicht vor. - Das lässt auf ein recht geringes Interesse am internationalen Jugendaus

tausch seitens der Landesregierung schließen. So geht das nicht, Herr Minister!

(Mühe [SPD]: Nein!)

Mit dieser provinziellen Haltung schaden Sie unseren Schülern. Damit muss Schluss sein.

(Zustimmung von Frau Schwarz [CDU])

Vielmehr sollten möglichst viele Europäer bereits als Lernende im Rahmen von Austauschprogrammen einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren, damit sie die Chancen des zusammenwachsenden Europas erkennen. Die Aktivitäten, die mir bekannt sind, im Übrigen auch im berufsbildenden Bereich, gehen auf Privatinitiativen oder das Engagement der Wirtschaft zurück, und weniger oder kaum auf Handeln der Landesregierung. So sollte sich die Landesregierung sputen, Bestehendes fördern und zusätzlich Lehreraustausch, Berufungen ausländischer Wissenschaftler, Gastdozenten und Gastprofessoren an niedersächsischen Hochschulen initiieren. Auslandspraktika und Auslandsaufenthalte niedersächsischer Studierender und Professoren müssen so organisiert sein, dass es nicht zu Nachteilen führt und für die Studierenden zu keiner Verlängerung der Studienzeiten kommt.

Das alles kann nur funktionieren, wenn die in Deutschland erworbenen Abschlüsse international ebenso anerkannt werden wie Studienleistungen, Leistungsnachweise und Zwischenprüfungen an ausländischen Partneruniversitäten. Ein Beispiel sind im Rahmen von credit point systems von niedersächsischen oder von ausländischen Studierenden im In- und/oder Ausland erbrachte Leistungsnachweise. Hier ist noch vieles zu klären. Auslandsaufenthalte müssen also Anerkennung finden.