(Zustimmung bei den GRÜNEN - Krumfuß [CDU]: Sie haben mit den Schauspielern vom „Großstadtrevier“ gesprochen! - Unruhe)
Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Aufhebung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1303
Dieser Antrag wird von Frau Stokar von Neuforn eingebracht. Frau Stokar von Neuforn, Sie haben das Wort.
(Zurufe von der SPD: Machst du jetzt die Alleinunterhalterin? - Bist du al- lein in der Fraktion? - Unruhe)
Das ist genau der Grund dafür, dass ich gegen eine Veränderung der Tagesordnung war. Es ist tatsächlich eine Anstrengung, sich jetzt innerhalb von Sekunden auf ein völlig anderes Thema einzustellen. Es wird mir, denke ich, dennoch gelingen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, zurzeit wird ja sehr viel über Glaubwürdigkeit innerhalb der Politik diskutiert. Ich möchte hier einmal ein Beispiel dafür nennen, wie unglaubwürdig Politik ist. Diesmal meine ich nicht die CDU, sondern die SPD.
Der Bundesparteitag der SPD hat im Dezember Beschlüsse gefasst, bei denen ich mir nur noch die Augen gerieben habe. Der Bundesparteitag der SPD hat in der Asyl- und Flüchtlingspolitik all die Dinge beschlossen, die die Grünen in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene nicht durchsetzen konnten. Ich war zum Teil in Bonn bei den Gesprächen zu diesem Fachbereich dabei. Ich war mehr wütend als erfreut, nicht einmal ein Jahr später alle diese Punkte - schön über die Medien verkauft - von der SPD beschlossen zu sehen, mit denen wir in den Verhandlungen gescheitert waren. Das ist für mich keine seriöse Politik mehr.
Aus diesem Grunde haben wir heute mit unserem Antrag - das ist der erste - einen Punkt aus dieser Beschlusslage nach dem Bundesparteitag der SPD aufgenommen. Bei unserem Antrag geht es um die
Aufhebung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge. Wir haben genau das übernommen, was der Bundesparteitag der SPD beschlossen hat.
Meine Damen und Herren, ich finde es ebenfalls nicht besonders glaubwürdig, wenn unser Innenminister in der Woche nach dem Bundesparteitag - Parteitage der SPD sind offensichtlich nur noch Medienereignisse und Klatschveranstaltungen für den Bundeskanzler - lapidar erklärt „Was interessieren mich die Beschlüsse meiner Partei? Ich halte sie für falsch.“, und dann mehrfach nacheinander genau das Gegenteil fordert. Das erste Mal ging es um die völlige Abschaffung des Asylrechtes, und das zweite Mal ging es im Zusammenhang mit der Debatte um das Arbeitsverbot um die Aufhebung des individuellen Klagerechtes.
Meine Damen und Herren, diese Debatte läuft unter der Überschrift „Europäisierung der Asylund Flüchtlingspolitik“. Ich bin in diesen Fragen auch weiterhin gern zu einer konstruktiven Oppositionspolitik bereit. Ich denke, dass wir über die einzelnen Punkte reden sollten und reden müssen. Europäisierung der Flüchtlings- und Asylpolitik bedeutet aber auch - dazu sind in den letzten Monaten mehrere Sozialgerichtsurteile ergangen; aus Freiburg, aus Münster, aus Lübeck -, dass der freie Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die Bestreitung des Lebensunterhaltes aus eigener Kraft zu den Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens gehören. Das bedeutet auch Anerkennung der Genfer Flüchtlingskonvention. Das wiederum erfordert eine Aufhebung des rechtswidrigen Arbeitserlasses.
Wir haben unseren Antrag auch deshalb eingebracht, weil wir nicht damit einverstanden sind, wie die Debatte zurzeit läuft. Es reicht nicht, Herr Innenminister, wenn Sie einen Brief an Ihren Kollegen in Berlin bzw. an Herrn Riester schreiben und dieser jetzt darüber nachdenkt, ob man das Arbeitsverbot auf 18 Monate oder auf zwölf Monate reduzieren könnte. Das wird in Berlin ja manchmal wie auf einem Basar behandelt - nach dem Motto: Was kriegen wir dafür, wenn wir auf zwölf Monate heruntergehen? Diese Form der Murkskompromisspolitik sollte beendet werden. Ich zitiere in diesem Zusammenhang unseren Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel: Politik sollte wieder Mut haben, klare und eindeutige Entscheidungen zu treffen. In diesem Fall bedeutet das die ersatzlose Streichung des Blüm-Erlasses, den Sie zu Oppositionszeiten immer bekämpft haben. Jetzt stellen Sie mit uns die Bundesregierung. Sie wol
len den Erlass erhalten, wir wollen, dass er aufgehoben wird. Die SPD hat das beschlossen, die Grünen können das nicht durchsetzen.
Sie wundern sich darüber, dass in der Bevölkerung die Orientierung in der Politik verloren geht und uns allen zunehmend die Frage gestellt wird, wie glaubwürdig wir eigentlich noch sind. Herr Innenminister, ich hoffe, dass Sie jetzt mehr dazu sagen können und nicht nur antworten: Wir arbeiten daran. - Ich möchte von Ihnen die Aussage, dass Sie sich für eine ersatzlose Streichung dieses Erlasses einsetzen. Sie können hier in Niedersachsen anfangen und dafür sorgen, dass die Berufsverbote seitens des Landesarbeitsamtes für Flüchtlinge aufgehoben werden. Leider gibt es auch hier in Niedersachsen eine Liste von Berufen, die Asylbewerber nicht ausüben dürfen.
Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Arbeitnehmer vor den Sozialgerichten geklagt haben, weil nämlich die Propaganda „Das Arbeitsverbot führt dazu, dass der Arbeitsmarkt entlastet wird“ falsch ist. Die Fakten liegen vor. Das Arbeitsverbot hat dazu geführt, dass zahlreiche Arbeitsplätze - es handelt sich nämlich lediglich um unattraktive Arbeitsplätze, die den Flüchtlingen angeboten werden - nicht besetzt werden können. Wir alle gemeinsam sollten zu einer Vernunftlösung kommen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stützt die Meinung der Landesregierung, dass das generelle Arbeitsverbot für nach dem 15. Mai 1997 eingereiste Flüchtlinge aufgehoben werden sollte.
dann kommt darunter zum Tragen, dass wir im Wesentlichen einer Meinung sind. Sie haben dankenswerterweise schon ausgeführt, dass der Bundesparteitag der SPD das beschlossen hat, was Sie hier als Antrag formuliert haben. Dem kann ich nicht großartig widersprechen. Das möchte ich auch nicht.
Das Arbeitsverbot wurde damals ausgesprochen, um den erwarteten Flüchtlingsansturm aus Albanien abzuwehren, und wurde gleichzeitig auf alle Flüchtlinge ausgedehnt. Der Ansturm blieb aus, das Arbeitsverbot ist geblieben. Flüchtlinge haben damit keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt ganz oder zumindest teilweise selbst zu verdienen.
Sie haben in Ihrem Antrag richtigerweise angeführt, dass damit die Länder und Kommunen allein den Unterhalt dieser Menschen zu tragen haben. Das ist nicht nur ungerecht gegenüber den Flüchtlingen selbst, die das überhaupt nicht verstehen können, sondern das ist auch im Lande nicht zu vermitteln. Volkesstimme fragt, warum Menschen, die arbeiten können und arbeiten wollen, dies nicht dürfen, sondern auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Sozialhilfe angewiesen sind.
Das alles könnte man noch begründen, wenn denn der Blüm-Erlass zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit beigetragen hätte. Das hat er nachweislich nicht. Deshalb hat die Landesregierung mehrfach - zuerst im Juli 1997 und zuletzt im Dezember 1999 - um eine Aufhebung des Erlasses gebeten. Die Signale aus dem Hause Riester sind positiv. Wir gehen davon aus, dass das generelle Arbeitsverbot für Flüchtlinge, die nach dem 15. Mai 1997 in die Bundesrepublik eingereist sind, aufgehoben wird. Damit ist dann eine Bundesratsinitiative, wie sie von Ihnen gefordert wird, obsolet.
Wir Abgeordnete hier im Niedersächsischen Landtag haben in weiten Bereichen der Flüchtlingspolitik kaum prinzipiell Meinungsverschiedenheiten. Landsmannschaftliche Verschiedenheiten kommen vor, das ist klar. Aber generell haben wir, was diesen Politikbereich angeht, kaum prinzipielle Meinungsverschiedenheiten. Die Einigkeit zwischen Landesregierung und Parlament hat auch schon Erfolge gezeigt. Das hat nicht zuletzt die Härtefallregelung bewiesen, die die vietnamesi
Ich meine, dass die von Minister Bartling initiierte Einbeziehung von Familien in die Asylverfahren ebenso Unterstützung verdient hätte und deshalb auch Wirklichkeit werden sollte, damit wir nicht diese ausufernden Asylverfahren bekommen. Wenn ein Kind geboren wird, muss noch einmal ein Asylverfahren durchgeführt werden. Das führt dazu, dass wir Ketten-Asylverfahren bekommen. Den Menschen wird vorgegaukelt, sie hätten irgendwann das Recht, hier zu bleiben. Das kann, so meine ich, nicht die Absicht sein.
Niedersachsen und die Niedersächsische Landesregierung genießen in der Asyl- und Ausländerpolitik bundesweit Ansehen. Ich freue mich, dass die Politik, wie in dem vorliegenden Antrag, von allen Fraktionen im Niedersächsischen Landtag im Kern, in wesentlichen Fragen Unterstützung findet. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das relativ kurz machen. Herr Harden hat die Zielrichtung bereits genannt. Frau Stokar, ich habe die Hoffnung, dass wir auch ohne eine Bundesratsinitiative zu einem Ergebnis kommen, das übereinstimmend Zustimmung findet.
Ich möchte nur noch einige Anmerkungen zu dem machen, was Sie vorhin ausgeführt haben. Sie haben gesagt, Sie hätten sich nach dem Bundesparteitag der SPD die Augen gerieben. Das galt für mich genauso, was diesen einen Teil betrifft. Der Bundesparteitag der SPD hat sich für eine viel weiter gehende Altfallregelung ausgesprochen. Ich habe das ein bisschen als „Ins-Knie-Schießen“ denjenigen gegenüber empfunden, die aus meiner Sicht eine vernünftige Vereinbarung auf die Beine gebracht hatten. Ich will hier gern offen zugeben, dass ich innerparteilich durchaus Prügel bezogen habe, als mich meine Landesvorsitzende zur Seite genommen und mich gefragt hat, wie ich es denn wagen könnte, über den Artikel 16 a zu diskutieren. Das wäre ja wohl unmöglich. Mir ging es aber
gar nicht primär darum, über den Artikel 16 a zu diskutieren, sondern mir ging es darum, dass ich der Überzeugung bin, dass wir auf Dauer in Deutschland Zuwanderung brauchen. Diese Zuwanderung möchte ich aber geordnet haben. Das werden wir wahrscheinlich - das haben Sie angedeutet, allerdings mit einem negativen Beigeschmack - nur europäisch harmonisiert hinkriegen. Wenn wir irgendwann in dieser Diskussion auch zu der Fragestellung kommen, ob wir unser deutsches Rechtssystem opfern müssen, weil wir europäisch harmonisieren wollen, dann will ich das auch diskutieren. Ich will das nicht als ein Tabu hinstellen und gar nicht darüber reden. Das ist mein einziger Ansatz. Ich will hier also nicht leichtfertig etwas aufgeben.
Ich weiß sehr wohl, dass wir die Qualität des Aufenthalts von Flüchtlingen auch durch die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention regeln können. Es findet inzwischen eine öffentliche Diskussion statt. Ich darf einmal auf das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“ verweisen. Darin hat Frau Beck mit einer Professorin aus Bremen über die Frage diskutiert und sich darüber ausgetauscht. Die Bremer Professorin behauptete, Artikel 16 a sei eigentlich das Vorgaukeln eines Zustandes, den wir letztlich nicht einhalten können, weil wir dem Flüchtling eine Menge von Verfahrensmöglichkeiten eröffnen, während wir sonst zu schnelleren und auch zu gerechteren Entscheidungen kommen. Darüber sollte man zumindest diskutieren. Das ist mein Begehren. Ich will hier nichts leichtfertig infrage stellen. Dabei würde man die Grundlagen verlassen. Aber es ist mir doch wichtig, das hier einmal gesagt zu haben.
Hinsichtlich der Forderung, das Arbeitsverbot aufzuheben, sind wir uns zwar in der Zielrichtung einig, aber ich halte von dem Instrument der Bundesratsinitiative in diesem Fall nichts.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Aufhebung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge“ beschäftigt uns im Ausschuss für innere Verwaltung bei vielen Petitionen. Lassen Sie mich, da wir uns ja in der ersten Beratung befinden, einige grundsätzliche Anmerkungen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich dafür ein, das Arbeitsverbot für Flüchtlinge aufzuheben, und tut dies vor dem problematischen Hintergrund von fast 4 Millionen Arbeitslosen. Diese unerträglich hohe Arbeitslosigkeit ist eines der zentralen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland. Das Problem der Arbeitslosigkeit beruht nicht nur auf strukturellen und konjunkturellen Problemen, sondern ist auch abhängig von dem Ausmaß der Zuwanderung. So zeigen die Projektionen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dass der Arbeitsmarkt wegen der Zuwanderung von Ausländern durch die Erhöhung des Erwerbspersonenpotentials ganz erheblich belastet wird. Die Abschaffung der Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge hätte eine Erhöhung des Erwerbspersonenpotentials zur Folge und somit negative Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kann man - immer vor dem Hintergrund von fast 4 Millionen Arbeitslosen betrachtet - über Modifizierungen nachdenken, wie befristete Arbeitserlaubnis, Arbeitserlaubnis für Bereiche, in die keine deutschen Arbeitslosen vermittelbar sind, Arbeitserlaubnis für bestimmte Berufsgruppen und Berufsfelder, Arbeitserlaubnis für soziale Bereiche und Arbeitserlaubnis für vorrangig gemeinnützige Arbeiten.
Dabei treten arbeitsrechtlich relevante Fragen auf, die völlig ungelöst sind. Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele nennen: Arbeitserlaubnis arbeitsrechtlich in Bezug auf Kettenverträge - durch die Arbeitserlaubnis darf kein arbeitsrechtlich weiter gehender Status erlangt werden -, und - ein ganz wichtiger Gesichtspunkt, der unbedingt berücksichtigt werden muss - auf keinen Fall dürfen Kommunen durch die neuen Regelungen auf weiteren Sozialhilfekosten sitzen bleiben.
Unser Kernziel muss sein, die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu mindern und den deutschen und ausländischen Mitbürgern, die einen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland haben, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen.
Wenn dieses so gewollt ist, dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie folgende Fragen beantwortet bzw. gewichtet werden: Mit wie vielen zusätzlichen Arbeitsberechtigten ist bei der Annahme dieses Antrages zu rechnen? Geht die Lan
desregierung davon aus, dass die Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht die zusätzliche Einwanderung nach Deutschland begünstigt? Wie stellt sich die Rechtslage in den anderen europäischen Staaten dar?
Ich habe für meine Fraktion nur einige Fakten angerissen und gehe davon aus, dass diese und weitere Fragen in den Ausschüssen sorgfältig aufgearbeitet werden; denn wir werden den hier lebenden Flüchtlingen nur dann gerecht werden, wenn wir rechtlich und menschlich vertretbare Wege finden.