Protocol of the Session on December 13, 2002

Sie waren doch immer dagegen. Sie haben im Jahr 1998 in Deutschland einen Rentenversicherungsprozentsatz von 20,3 % geschaffen. Wir haben ihn auf 19,1 % heruntergedrückt, jetzt steigt er wieder auf 19,5 %. Das ist nicht gut. Aber Sie sind die Letzten, die uns Ratschläge geben dürfen. Sie haben den Prozentsatz doch erst nach oben getrieben!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

In Wahrheit streiten wir in Deutschland zurzeit nicht über die Vermögensteuer. Wir streiten über die Frage, ob wir unser Gemeinwohl gerecht finan

zieren wollen, und zwar so, Herr Wulff, wie es die Alten in der Verfassung vorgesehen haben. Wir haben eine klare Position. Wir wollen nicht, dass es so weitergeht, dass immer nur die Beitragszahler und die Normaleinkommensbezieher herangezogen werden.

(Zuruf von der CDU: Wer ist „wir“?)

Wir wollen, dass auch andere dabei mitarbeiten. Das ist gerade nicht eine Neidsteuer. Es steht hier jedenfalls nichts von Neid. Es geht um eine Verantwortung aller in diesem Staat.

(Frau Hansen [CDU]: So legen Sie es aber aus!)

Herr Wulff, jetzt zu dem Thema Steuerpolitik in Deutschland: Ich habe vorhin gut zugehört. Jetzt lese ich Ihnen auch einmal ein paar Zahlen vor. Ich habe mich mit einigen Mittelständlern getroffen. Einer davon hat gesagt: Sie können ruhig in den Landtag mitnehmen, wie bei mir die Steuerentwicklung aussieht. Das habe ich jetzt hier mitgebracht. Ich kopiere das nachher, dann bekommen Sie auch ein Exemplar. Es ist ein Unternehmen, das unverdächtig ist, der deutschen Sozialdemokratie allzu nahe zu stehen. Es kommt nämlich aus Bayern.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Da gibt es aber nicht mehr viele!)

- Wenn ein Mitglied der CSU zu so einer Politik bereit ist, ist das doch ganz interessant. Zunächst die Steuerbelastung 1996.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Müller oder was? - Passen Sie auf. Es geht um die Steuerbelastung 1996. - Es handelt sich um ein Familienunternehmen, eine Personengesellschaft - all das, was Sie unter Mittelverstand verstehen. (Wulff (Osnabrück) [CDU]: Müllermäßig!)

- Müllermäßig, so ist es. - Unter der Überschrift „Steuerbelastung 1996“ - da hatten wir keine sozialdemokratische Regierung - rechnet er aus, was von 100 DM für ihn übrig bleibt. Nach Abzug von Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Vermögensteuer, Ergänzungs- und Solidaritätsabgabe bleiben ganze 34 DM übrig. Das sind 66 % Steuerbelastung. Und dann liegt mir ein zweites Blatt vor, verbunden mit seinem Unternehmenssiegel, also

keine SPD-Erfindung, mit der Überschrift „Steuerbelastung 2002“: Da sind dann auch Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Solidaritätsabgabe, pauschale Gewerbesteueranrechnung aufgeführt und von 100 DM - er hat es in alter Währung gemacht, damit es vergleichbar ist - bleiben 50,74 DM übrig. Das sind exakt 16 % weniger, und das bei einer Steuerpolitik, die von SPD und Grünen in Berlin gemacht wurde. Nun gebe ich Ihnen als Zitat noch einen Satz von Herrn Müller wieder: „Ich hätte nie gedacht, dass die Roten und die Grünen eine so vernünftige Steuerpolitik machen.“

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Buse- mann [CDU])

- Herr Busemann, tun Sie mir einen Gefallen, halten Sie eine Rede zur Bildungspolitik - das ist schlimm genug -, aber nicht zu diesem Thema.

(Heiterkeit Beifall bei der SPD)

Herr Wulff, 1996 war die Vermögensteuer noch dabei. Natürlich ist das keine Steuer, die die Leute ins Ausland treibt, jedenfalls nicht die verantwortungsbewussten Mittelständler wie Herrn Müller. Wenn Sie das, was in der Verfassung steht und was sich offensichtlich durch SPD und Grüne in Berlin verändert hat, wenn Sie das, was von Mittelständlern wie Herrn Theo Müller gelobt wird, hier im Landtag als Schrott und Mist bezeichnen, dann hat das etwas mit Ihrem Sprachproblem zu tun, aber nicht mit der Sache.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine vernünftige Politik. Die Steuerquote ist etwa so hoch wie 1970, sie liegt im letzten Jahr bei 21,6 % und damit unter der Steuerquote des Jahres 1990. Unser Problem - und Sie hätten Recht, wenn Sie darüber geredet hätten - sind die Sozialabgaben, das, was heute als Sondersteuer auf Arbeit wirkt. Den Grund dafür habe ich vorhin genannt. Es ist keine Frage, wir müssen die Reformen der sozialen Sicherungssysteme vorantreiben und damit die Sozialabgaben senken. Aber wer hat eigentlich damit angefangen? Es waren SPD und Grüne, die die Rentenversicherung reformiert haben, nicht Sie.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt kommen Sie gleich her und erzählen etwas über das bürokratische Riester-Monstrum. Das weiß ich doch alles.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das haben Sie doch beschlossen!)

Das ist doch kein Problem; dann werden wir die Bürokratie abbauen. Aber Sie hatten niemals während Ihrer Regierungszeit den Mut, diesen einschneidenden Schritt zur privaten Rentenversicherung zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nur ein wenig darauf hinweisen, wie Herr Wulff und die Opposition hier mit der Wahrheit umgehen.

Nun zu einigen Ihrer Anträge. Dass Sie die inzwischen alle abschreiben, in der letzten Sitzung bei der FDP in Schleswig-Holstein, heute bei den Bayern, wird bei der Opposition scheinbar zum parlamentarischen Gewohnheitsrecht.

Sie haben die Steuerpolitik der Bundesregierung massiv kritisiert. Warum widersprechen Sie sich eigentlich innerhalb nur weniger Wochen? Heute wenden Sie sich gegen die Steuerpläne der Regierung, die ja u. a. darin bestehen, Aktiengewinne zu besteuern. Gestern haben Sie Seite an Seite mit Herrn Stoiber noch für genau diese Besteuerung in Höhe von 15 % gekämpft, ausweislich Financial Times vom 4. September 2002. Wo ist Ihre Linie dabei? Heute wenden Sie sich gegen die Vorschläge der Bundesregierung zur Mindestbesteuerung von Unternehmen. Gestern haben Sie im Bundestagswahlkampf genau dafür noch gestritten. Herr Wulff, Sie sind zwar keine Rothaut, aber mit gespaltener Zunge reden Sie häufiger. Das ist mein Eindruck.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir Deutschland wieder flott machen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass wir nicht zu viele Kräfte in der Vergangenheit binden, beispielsweise in Subventionen, beim Hinterherlaufen hinter jeder Gruppierung. Die Bundesregierung hat ein Gesetzgebungsvorhaben mit vielen Bestandteilen vorgelegt. Die Richtung ist absolut richtig. Wir müssen Subventionen abbauen, wir müssen den Umbau der sozialen Sicherungssysteme voranbringen, und wir dürfen dabei nicht immer einknicken vor jeder laut schreienden Lobbyisten

gruppe in Berlin oder in Hannover. So geht das nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich frage mich: Wo in Ihrer Rede sind eigentlich Ihre Alternativen gewesen? Wo haben Sie eigentlich gesagt, wie wir das finanzielle Problem beseitigen wollen?

(Plaue [SPD]: An keiner Stelle!)

Wie sollen wir denn Ihrer Ansicht nach das Gesundheitssystem reformieren? Sie drücken sich doch immer dann, wenn es konkret wird.

(Lindhorst [CDU]: Ihr habt doch alles zurückgeschraubt nach der letzten Wahl!)

- Willi, du weißt es doch besser. Nun lass das doch sein. Wenn er sich schon von dir verteidigen lassen muss, dann muss es aber bitter aussehen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Wir mussten uns hier 45 Minuten einiges anhören. Jetzt müssen Sie die Antwort ertragen, meine Damen und Herren.

(Plaue [SPD]: Ihr müsst ganz still sein auf der rechten Seite des Hauses!)

Es geht doch darum, dass Sie sagen müssen, was Sie denn anders machen wollen. Sie können sich doch nicht einfach verweigern und im Bundesrat alles blockieren. Das kann doch nicht Ihre Position sein.

(Beifall bei der SPD)

In Niedersachsen erleben wir doch genau das Gleiche. Sie haben vorhin nette Vergleiche gemacht und gesagt, wie viel Polizisten Sie eingestellt hätten. Ich kann nur eines sagen: Sie sind aus dem Amt gegangen mit einem Streichungsvorschlag für 750 Stellen. So war das.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie schon in der Vergangenheit suchen, würde ich mir mal angucken, wie miserabel die Aufklärungsquote unter Ihrer Regierung gewesen ist und wie gut sie unter Heiner Bartling und seinem Vorgänger geworden ist.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Na, na!)

Sie haben auch etwas von Lehrereinstellung erzählt. Nach meinem Eindruck hat Frau JürgensPieper in den letzten drei Jahren mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt als Sie während Ihrer gesamten Regierungsperiode in den gesamten 80erJahren. Das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, wenn Sie damals Lehrer eingestellt hätten, hätte ich vielleicht auch einen Job im Staatsdienst und hätten Sie sich viel erspart. Das wäre eine große Chance für Sie gewesen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Die Chance haben Sie sich selber genommen. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Ich weiß, dass Sie sich wünschen, Sie hätten den Fehler nicht gemacht, aber es ist nicht rückgängig zu machen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die Besten hat man ja genommen! Die Guten haben wir ja eingestellt!)