Herr Gabriel, legen Sie doch bitte die Initiative trotzdem im Januar vor - es sei denn, Sie ziehen sie zurück; das wäre natürlich das Beste -, damit die Leute wissen, wie sie hier wieder abgezockt und getroffen werden und ob sie einen Freibetrag von 20 000 Euro für ihren Schmuck, ihre Antiquitäten, ihr Mobiliar und ihr Auto bekommen oder nicht. Das war der Betrag, der damals vorgesehen war: 40 000 DM, also jetzt 20 000 Euro.
Die Erklärung hat die HAZ geliefert, warum Sie jetzt so auf das Vermögen losgehen wollen: Das sind eben die, die zum Teil nicht flüchten können, nämlich die kleinen Leute, die hier ihr Häuschen, ihre Eigentumswohnung haben.
- Nein, 300 000 Euro, Herr Plaue. Sie haben das nicht gelesen, Herr Plaue. Sie müssen einmal die Unterlagen lesen.
(Plaue [SPD]) : Sie müssen einmal sehen, was draußen passiert! Sie reden immer nur über Millionärskreise!)
1 Million DM war der Betrag, wenn vier Leute darin wohnen. Manchmal wohnt aber nur noch eine Person darin. Das ist nun einmal der Lauf der Dinge. Dann ist die Situation eine völlig andere. Die HAZ schrieb:
„Abhauen kann kaum jemand, auch wenn viele das Gefühl haben, dass dies noch notwendig werden könnte. Zu düster sind die Perspektiven in Deutschland. Die Regierung hat offensichtlich die Lage nicht unter Kontrolle.“
Das führt natürlich dazu, dass man jetzt an die ran will, die nicht flüchten können, nämlich an die kleinen Leute mit Eigentum und Vermögen. Das ist Ihr Ziel.
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Mein Gott, Herr Wulff, Sie müssen einmal aus den Millionärskreisen he- rauskommen und zu den einfachen Leuten gehen und dort die Reden halten, die Sie hier halten! Die lachen Sie aus! - Weitere Zurufe)
- Ich empfehle Ihnen, einmal Ihren Wahlkreis zu betrachten. Dort gibt es viele Mietshäuser mit acht Wohnungen im Wert von 1,5 Millionen oder 1,8 Millionen Euro.
- Natürlich tut Ihnen das weh. Ich würde jetzt wahrscheinlich auch rufen. Wenn es trifft, ruft man mal ein bisschen lauter, um vielleicht zu erreichen, dass es nicht so verstanden wird. - Wenn die Vermieter eines Mietshauses in Hannover für 1,8 Millionen Euro mit acht Wohnungen - -
- Haben Sie Angst vor den Mietern, die darin wohnen? - Ich ja. Denn die werden Ihnen die Dächer anzünden, wenn sie mitkriegen, dass diese Vermögensteuer einen Aufschlag auf die Miete in Höhe von 120 Euro pro Monat bedeutet. Denn die Eigentümer werden natürlich versuchen, die Vermögensteuer über die Miete wieder hereinzubekommen.
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie haben doch keine Ahnung, was auf dem Wohnungsmarkt los ist!)
Was Sie nie begriffen haben, ist, dass die Politik, die Sie hier betreiben, die kleinen Leute trifft. Bei denen bleibt es doch hängen. Auf die wird es doch verlagert. Das ist doch die Wirklichkeit.
Die anderen haben doch die Möglichkeit, sich solcher Belastungen zu entziehen, aber zulasten des Landes. Firmen machen dann zu, Arbeitsplätze fallen weg. Ich erinnere an das schöne Argument von Herrn Plaue in Bezug auf die Firma SAP/Plattner: Die Firma SAP hat 250 Millionen Verlust machen können, dann können die auch 20 Millionen Euro Steuern zahlen. - Dazu kann ich nur sagen: Natürlich kann man das so sehen. Man kann es aber auch so sehen, dass dann das Unternehmen SAP als eines der letzten funktionierenden
Unternehmen seiner Art nicht mehr in Deutschland ansässig ist, sondern sich mit seiner Software im Flieger in die Schweiz oder nach Luxemburg absetzt und dann weder das eine noch das andere zahlt und tausende von Arbeitsplätzen wegfallen. Diese Sichtweise kann man auch mal an den Tag legen.
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie diskutieren über etwas, was gar nicht diskutiert worden ist!)
Ich glaube, ich muss an dieser Stelle einmal ganz sachlich erklären, was Vermögensteuer überhaupt ist. Vermögensteuer wirkt wie eine Steuer auf das Eigenkapital. Sie geht an die Substanz, unabhängig von der Ertragslage. Unternehmen aber, die über kein Eigenkapital verfügen, sind wie Autos ohne Stoßdämpfer. Wenn die konjunkturellen Wellen und Schlaglöcher kommen, werden sie nicht mehr aufgefangen, sondern sie schlagen voll durch. Eigenkapital bedeutet, Schwankungen aufzufangen, Investitionen zu ermöglichen und Wachstum zu begründen. Wenn man angesichts des Zustands des Eigenkapitals der mittelständischen Unternehmen in Deutschland jetzt noch weiter an das noch vorhandene Eigenkapital der Unternehmen herangeht, dann werden Sie Rekorde schaffen, aber in Bereichen, die Sie nicht wollen. Bisher lag der Jahresrekord bei Insolvenzen in Deutschland bei 26 000. In diesem Jahr schaffen Sie es aber, die Zahl von 45 000 Unternehmenspleiten in Deutschland zu übertreffen. Was heißt das? - 45 000 Unternehmen, die dichtmachen, sind 45 000 Steuerzahler weniger und einige hunderttausend Mitarbeiter mehr, die Arbeitslosenhilfe und Transferleistungen bekommen und keine Steuern zahlen. Das ist die Folge Ihrer Politik, Ihres Feldzuges gegen diejenigen, die in diesem Lande wirtschaftlich tätig sind und Wirtschaft organisieren.
Kluge Leute haben immer wieder darauf hingewiesen: Das Dümmste, was der Staat tun kann, ist das Erdrosseln von Steuerquellen. - Das hat Friedrich der Große in seinem politischen Testament gesagt. Das hat auch Abraham Lincoln gesagt, nach dem Motto: Ihr werdet den Armen einen Tort antun, wenn ihr glaubt, dass ihr sie stärkt, wenn ihr die Reichen vernichtet.
Diese Erkenntnis, dass man sehr behutsam vorgehen muss, würde ich mir wünschen. Sie aber verunsichern die Menschen auf dilettantische Art und Weise und mit einer Ahnungslosigkeit, die uns hier auf die Palme bringt. Da beglückt uns Herr Gabriel mit einer Pressekonferenz in Berlin, in der er gesagt hat - ich zitiere Herrn Gabriel jetzt wörtlich -: „Ich frage mich: Ist das gerecht, dass jemand, der 1 Million vererbt bekommt, keine Steuern zahlen muss?“ - Das ist einfach ein himmelschreiender Unsinn, weil der Betreffende natürlich 19 %, 27 % oder 35 % Steuern zahlen muss. Wenn ein Ministerpräsident schneller redet, als er denkt - darauf hat schon Herr Schröder hingewiesen -, dann ist er ein Sicherheitsrisiko für die Wirtschaftslage in diesem Land; denn er redet von Dingen, von denen er keine Ahnung hat.
Gestern hat der Ministerpräsident gesagt: Die Erbschaftssteuer auf Betriebsvermögen treibt die Unternehmen ins Ausland. Die steuert 30 % weg. Irgendeiner wird ihm das inzwischen erklärt haben. - Wir sind dafür, dass diese Erbschaftssteuer ganz abgeschafft wird. - Was gilt denn nun? Denen erst faule Eier ins Nest legen, dann aufkommensneutral, dann ganz weg damit. Für oder gegen was stehen Sie eigentlich, Herr Gabriel? Herr Friedmann hat Ihnen vorgeworfen, man könne überhaupt nicht erkennen, welche Position Sie jeweils gerade vertreten, meistens aber eine, die schon veraltet sei. Dazu haben Sie vor wenigen Tagen bei der Buchpräsentation erklärt, man könne ja auch klüger werden. - Natürlich kann und soll man ständig klüger werden. Ihr Prozess des Klügerwerdens kostet in diesem Land aber Arbeitsplätze, Rahmenbedingungen und Zuverlässigkeit!
Da Sie hier gegen alle Amok laufen - gegen den Kanzler, gegen Herrn Clement, gegen die SPD, gegen die Vernünftigen und die Wirtschaftsweisen - - -
- Die fünf Wirtschaftsweisen habe ich hier am Mittwoch zitiert. Am Abend hat es Herr Schröder im Fernsehen nachgesprochen. Von denen sind drei Sozialdemokraten. Nehmen Sie doch wenigstens einmal die ernst, die bei Ihnen etwas von Wirtschaft verstehen!
Nachts beim Einschlafen frage ich mich manchmal: Was würde ich in der Situation, in der Sie stecken, jetzt tun? - Wahrscheinlich würde ich zu dem gleichen Ergebnis kommen wie Herr Plaue: Dann redet man einfach nur noch über Bildung und tut so, als hätte man ein hehres Ziel; das rechtfertigt dann auch noch den letzten Unsinn. Was die Bildung angeht, bin ich gegen eine Reduktion auf Finanzen. Denn nach PISA belegt Sachsen unter allen deutschen Bundesländern den dritten Platz. Sachsen gibt pro Schüler aber weniger für Bildung aus als wir. Sachsen liegt also auf Platz 3; wir haben mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen den viertletzten Platz. Es muss also ein paar andere Gründe mehr geben als nur Geld und Finanzen. Das muss also auch etwas damit zu tun haben, ob man Bildung anerkennt, ob man Lehrer motiviert, ob man sich zur Bildung bekennt, ob man junge Leute erzieht, ob man fördert und fordert. Sie haben mit PISA-E, mit der Vergleichsstudie der Bundesländer, die rote Karte erhalten und das Versagen attestiert bekommen.
Wenn Sie darauf hinweisen, dass in BadenWürttemberg alles viel besser sei, dann wundern wir uns darüber, warum Sie nicht das badenwürttembergische Schulsystem auf Niedersachsen übertragen. Das wäre ja Benchmarking wie in der Wirtschaft, sich am jeweils Besten zu orientieren. Stattdessen kreieren Sie ein eigenes Schulsystem, bei dem der hoch begabte Schüler, der alle nervt, weil er schon alles begriffen hat, während die anderen Schwierigkeiten haben, es zu begreifen, mit denen in der Förderstufe an der Hauptschule in einer Klasse sitzt, die viel besser unterrichtet werden könnten, wenn sie individuell betreut würden, wegen bestimmter Handikaps gegebenenfalls sogar in einer Sonderbeschulung. Sie sehen jedoch ein Losverfahren vor, nach dem die Kinder, die hier und da angemeldet werden, den einzelnen Förderstufen zugelost werden. In einer Schrift von Herrn Dr. Galas, einem Ihrer großen Vordenker, erklären Sie dann, dass das Losverfahren in Niedersachsen
Angesichts dessen kann ich nur sagen: Wer eine solche Bildungspolitik vertritt und verkauft, der hat nicht begriffen, worum es in Deutschland geht. Hier geht es nämlich darum, Schwache zu fördern und Starke zu fordern.
Sie haben eine armselige Bilanz. Sie müssen mal in Ihre Schulstatistik gucken: Unterrichtsstunden je Schüler im Jahr 1989: 1,59 Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden je Schüler im Jahr 2001: 1,42 Unterrichtsstunden. Das heißt, jeder Schüler bekommt heute gegenüber 1990 11 % weniger Unterricht. Frau Jürgens-Pieper, Sie müssen sich auch einmal die Schüler/Lehrer-Relation ausweislich Ihrer Statistik angucken. 1989 gab es 14,4 Schüler pro Lehrer. Im Jahr 2001 sind es pro Lehrer aber 17,1 Schüler. Das sind 19 % mehr Schüler pro Lehrkraft unter Ihren 13 Jahren Regierungszeit. Sie haben im Bereich der Bildungspolitik gnadenlos versagt und dürfen in diesem Land jetzt auch schon deshalb abtreten, weil Sie da nichts vorzuweisen haben. Das wird ja irgendwann einmal getestet. Nach 13 Jahren wird das Abitur gemacht. Bisher noch.
Jetzt kommt dieser selig stimmende Hinweis darauf, man könnte die Vermögensteuer einziehen und dafür gleich Lehrer einstellen. Wenn die Vermögensteuer am 1. Januar 2004 käme, dann könnten Sie frühestens im Jahr 2006 mit Einnahmen rechnen; denn man hätte ja eine ganze Zeit, um die Vermögensteuererklärung überhaupt abzugeben. Außerdem müssten Sie in Deutschland erst einmal 6 000 zusätzliche Finanzbeamte bereitstellen, die 25 Millionen Grundstücke und 5 Millionen Betriebsgebäude zunächst einmal neu und später regelmäßig wieder bewerten müssten. Sie hätten also frühestens 2005/2006 Einnahmen und hätten die unrentabelste und erhebungsaufwändigste Steuer überhaupt, weil die Erhebungskosten rund 50 % des Aufkommens betragen.
Das ist also das Argument: Es lohnt sich nicht. Dann kommen Sie mit dem Argument, es gäbe sie überall, nur bei uns nicht. - Das habe ich schon am Mittwoch widerlegt. Sie kostet 1 % Wachstum pro Jahr. Darauf hat Professor von Weizsäcker hingewiesen. Das bedeutet, Sie haben als Einnahmeposition im Haushalt etwa ein halbes Prozent des Bruttosozialproduktes. Sie haben aber etwa 1 % weniger Wachstum. Nach mehreren Jahren sind es also bereits mehrere Prozent weniger im Haushalt als zuvor. Deswegen brauche ich hier keine Vorschläge für Einnahmepositionen zu machen. Wenn wir uns heute in der Diskussion über die Vermögensteuer durchsetzen, dann haben wir weit mehr Geld zur Verfügung, als wenn Sie sie einführen würden. Das sagt der Ökonom Christian von Weizsäcker.
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Wenn Sie zu Hause Ihre Haushalts- kasse so führen, sind Sie schon drei- mal pleite!)
Der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen beim Bund, Herr Holl, hat vor wenigen Tagen für das Land Niedersachsen eine Erklärung abgegeben und für Sie alle erklärt, man wolle mit aller Kraft verhindern, dass die Länder in die Lage versetzt würden, selbst die Vermögensteuer einzuführen. Begründung: Eine solche Regelung einer Vermögensteuer in einzelnen Ländern berge die Gefahr, dass Kapital aus Ländern herausgeschafft werde, die die Vermögensteuer erhöben.