Jetzt leide ich natürlich wieder darunter, dass ich so wenig Redezeit habe. Deswegen sage ich: Jetzt rücken Sie von einer der 48 Steuererhöhungen nach der anderen ab.
Erst sagen Sie: Wir haben kapiert, dass die Streichung der Eigenheimzulage ein Riesenproblem ist. Was wir da gemacht haben, muss zurückgedreht werden. Das kostet sonst bis zu 25 000 Arbeitsplätze in Niedersachsen.
Dann haben Sie jetzt nach anfänglichem Bejubeln erklärt: Also, das mit der Firmenwagenbesteuerung ist vielleicht doch nicht so ganz richtig, was wir da machen, 50 % mehr auf den Firmenwagen für leitende Mitarbeiter, für Facharbeiter, für Angestellte, für Betriebsräte.
Bei VW fährt jeder Betriebsrat einen Firmenwagen, jeder Einzelne, den Sie da treffen! Damit Sie einmal wissen, wen Sie damit treffen, damit Sie nicht immer sagen können, dass seien irgendwelche Leute da oben. Nein, Sie hier im Saal werden getroffen, die auf Doppelalimentation setzen!
Jetzt kommt als nächster Punkt die Mehrwertsteuer bei Blumen. Da hat man nun in Wiesmoor und anderswo kapiert - wenn man einmal so in das Land hinausfährt, begreift man ja, wie das wirkliche Leben ist, als wenn man in irgendwelchen Schnarchzimmern sitzt und nicht begreift, was man da macht -: Was die Blumenhändler angeht, so hat jetzt Herr Bartels mit Unterstützung von Herrn Gabriel gesagt: Also, mit der halben Mehrwertsteuer - 7 von 16 Punkten; im PISA-Land ist das natürlich die halbe Mehrwertsteuer - lassen wir das so; das senken wir wieder auf 7 % und schaffen diese Wettbewerbsnachteile ab. Wir werden das ändern, wurde gesagt. Das vernichtet sonst Arbeitsplätze, die nach Holland oder anderswohin abwandern.
Sie sehen das an diesen drei Punkten, die ich Ihnen damals, vor vier Wochen, genannt habe, als Sie das noch bestritten haben: zunächst werden 60 000 Autos weniger bestellt - Niedersachsen ist voll betroffen, weil 41 % aller Firmenwagen aus Niedersachsen kommen, nämlich von VW -, dann werden die Arbeitnehmer im Baubereich gefährdet, und es werden eben im Bereich der Frischblumenproduzenten - für Papierblumen gilt ja die volle Mehrwertsteuer - diese Probleme geschaffen.
Jetzt nenne ich Ihnen ein viertes Beispiel, damit Sie sehen, dass Sie in die völlig falsche Richtung fahren. Das muss man ja einfach einmal sagen: Sie fahren dieses Land vor die Wand und rufen jetzt ständig, wo der Fahrer sei. Sie sind selbst der Fahrer des Fahrzeuges, das dieses Land vor die Wand fährt.
(Lebhafter Beifall bei der CDU - Möhrmann [SPD]: Beschreiben Sie doch einmal Ihre eigenen Vorstellun- gen!)
- Verehrte Frau Kollegin, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland sieht eine Beteiligung der Landesregierungen über den Bundesrat bei allen steuerpolitischen Entscheidungen vor, die Bund, Länder und Gemeinden betreffen. Also ist Niedersachsen hier voll mit im Boot, und Ihre Landesregierung hat jedem Schrott und Mist der letzten vier Jahre in Deutschland zugestimmt. Ohne die sechs Stimmen Niedersachsens wäre nichts auf den Weg gebracht worden. Sie sind für den Mist verantwortlich, den wir hier zu beklagen haben.
(Lebhafter Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Einer, der hier Schrott und Mist anbietet, das sind Sie, Herr Kollege Wulff!)
Ich empfehle Ihnen, Frau Wörmer-Zimmermann, einmal, in Stade, in Ihrem Wahlkreis, zu diesen kleinen Firmen hinauszugehen, die Werbemittel vertreiben.
(Plaue [SPD]: Sie unterhalten sich ja in einer flegelhaften Art und Weise wie Ihr Generalsekretär! Das ist un- glaublich, was Sie hier treiben!)
Wenn ein großes Unternehmen wie VW Milliarden für Werbung, für Anzeigen, für Film- und Fernsehspots ausgibt, dann kann jeder Cent dieser Milliarden-Ausgabe für Werbung abgesetzt werden. Und es ist auch richtig so, dass das abgesetzt werden kann. Denn wir kennen in Deutschland immer noch das Nettoprinzip, d. h. man wendet etwas auf, um etwas einzunehmen, das, was man aufgewandt hat, zieht man ab, und was übrig bleibt, wird versteuert. Wenn viel übrig bleibt, wird viel versteuert, wenn wenig übrig bleibt, wird gar nichts versteuert. Das ist Steuergerechtigkeit, und das ist auch sinnvoll so.
Der kleine Mittelständler, der überhaupt nicht die Möglichkeit hat, eine große Anzeige zu schalten, der überhaupt nicht die Möglichkeit hat, einen Firmenwerbespot zu machen, sagt sich: Ich binde meine Kunden dadurch, dass ich den Kunden für 35,90 Euro einmal im Jahr einen Jahreskalender schenke, einen großen Block, den man auf den Tisch legt, damit man jeweils oben links die Telefonnummer findet und eine Kundenbeziehung aufbaut. - Das wäre bei Ihrer unsozialen Politik im Bereich der Wirtschaft aber nicht mehr absetzbar und würde so gegen Arbeitsplätze im Bereich der Werbemittelbranche gehen. Es ist doch Idiotie, was Sie da betreiben. Das müssen Sie doch einsehen.
- Ich lade Sie nach Haßbergen ein; dann können Sie demnächst nach Osnabrück kommen. Dort ist eine Firma, in der 20 Leute das Jahr über damit beschäftigt sind, diese kleinen Werbemittel abzupacken, insbesondere in der Weihnachtszeit, für Firmen, die damit ihren Kunden, ihren Geschäftspartnern eine Freude machen wollen. Das ist bei Ihnen nicht mehr absetzbar. Da gehen tausende Arbeitsplätze verloren, aber die Großen dürfen weiterhin alles absetzen. So machen Sie Politik!
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist ein Zerrbild, das Sie da zeich- nen, ein absolutes Zerrbild!)
Ich frage mich wirklich, wer Sie berät. Sie operieren ja immer nach dem Motto „Taskforce“, was international klingt. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis: z. B. gestern zur Verwaltungsreform. Sie müssen sich einmal überlegen: Nach 13 Jahren und den ganzen teuren Gutachten für 30 Millionen Euro jetzt noch einmal einen Arbeitskreis zur Verwaltungsreform zu gründen - da muss man schon ziemlich durchgebrannt sein, wenn man auf solche Ideen kommt.
Das läuft bei Ihnen jedes Jahr gleich: immer neue Schulden, immer neue Steuern, immer neue Abgaben. Fehlt es bei der inneren Sicherheit, wird mal eben die Versicherungsteuer erhöht, fehlt es bei der äußeren Sicherheit, die Tabaksteuer, bei der Rente die Ökosteuer und jetzt bei der Bildung die Vermögensteuer.
(Plaue [SPD]: Alles dieselbe Leier, die Sie jedes Mal vortragen! Wo ist eigentlich Ihre Alternative?)
Bei Ihnen geht es morgens in Goslar vor dem Spiegel los: Spieglein, Spieglein an der Wand, welch neue Steuer erfinde ich heut für unser Land?
Jetzt kommt ja die große Verheißung für unser Land. Solange - so Herr Gabriel - Herr Biel noch Raketen zu Sylvester abschießen kann, kann man die Steuern noch weiter erhöhen. - Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin bereit, die letzte Wunderkerze abzugeben, wenn Sie endlich mit den ständigen Steuererhöhungen aufhören. Die letzte Wunderkerze!
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Frau Harms [GRÜNE]: Wenn Sie mehr beigetragen hätten, als eine Wunderkerze, dann wär‘ das was! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Wir müssten doch von der Steuer ausgenommen werden, wenn sich die Gabriel‘sche Philosophie durchsetzt, dass diejenigen besonders belastet werden, die besonders viel böllern. Dann sind wir doch frei; denn ich habe davon nie viel gehalten - ich denke, Sie auch nicht - , schon aus ökologischen Gründen nicht.
Wir erwarten aber - ich habe hier keine Zeit, über Ihre 48 Steuererhöhungen insgesamt zu reden -, dass auch zu den anderen Steuererhöhungen einzeln eine Debatte stattfindet, z. B. über die Verdreifachung der Ökosteuer für die Betriebe, die beschränkte Abzugsfähigkeit von Verlusten, was gerade Jungunternehmer trifft. Der VDMA, der immer zur Industriemesse kommt und von Ihnen dann begrüßt und zu Recht ernst genommen wird, hat gerade bekannt gegeben, dass 54 % seiner Mitgliedsunternehmen im Verband der Maschinenbauer ihre Produktion aus Deutschland verlagern wollen. Hier ist der eigentliche Problempunkt.
Wir können ja hier über Politik streiten. Wir können über mehr Staatsquote oder weniger Staatsquote streiten. Da haben Sie ja jetzt offen gelegt: weniger privater Konsum, mehr für den Staat, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Müntefering ist ja Ihr Chef in Berlin. Seine Mitarbeiter haben das ja frei gegeben, weil es ihrer Philosophie entspricht. Natürlich kann man darüber streiten. Das Problem ist aber, dass in den Wochen, in denen darüber gestritten wird, ein Unternehmen nach dem anderen Investitionen zurückstellt, Investitionen verlagert, Investitionsentscheidungen verändert. Jede Stunde, in der Sie darauf verzichten, Ihre Erklärungen zurückzunehmen und Ihren Kabinettsbeschluss zur Vermögensteuer aufzuheben, Herr Gabriel, kostet Arbeitsplätze in Niedersachsen und in Deutschland. Das ist die Wahrheit!
Wir machen hier keine Planspiele in der Volkshochschule, sondern wir führen hier eine Diskussion über die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Deutschland. Niedersachsen bekommt durch Sie derzeit den traurigen Ruhm als Land der Steuererhöhungen. Steuererhöhungen sind das Letzte, was unser Land braucht. Deshalb fordern wir Sie auf,
(Mühe [SPD]: Das müssen gerade Sie sagen! - Weitere Zurufe von der SPD - Plaue [SPD]: Das ist eine Frechheit!)
Man kann nicht in Berlin auftreten und sagen „Die Erbschaftssteuer muss hoch“ und dann sagen „Die Erbschaftssteuer muss runter“ und jetzt in Bückeburg sagen „Die Erbschaftssteuer soll aufkommensneutral verändert werden“. Das ist eine gnadenlose Verunsicherung. Man kann nicht am 27. September in der Pressekonferenz in Berlin sagen „Die betriebliche Vermögensteuer nehmen wir ausdrücklich aus; wir halten sie nicht für vernünftig“ und acht Wochen später sagen „Wir nehmen die betriebliche Vermögensteuer herein“. Man kann nicht damals sagen „Wir nehmen etwa 3,5 Milliarden Euro ein“ und jetzt sagen „Wir werden 9 Milliarden Euro einnehmen“, wenn man bei den Freibeträgen im Grunde genommen nach dem Prinzip der Beliebigkeit verfährt.
Sie haben sich damals auf die VermögensteuerGesetzesinitiative der SPD von 1997 bezogen. Die sahen einen Freibetrag in Höhe von 300 000 DM, also 150 000 Euro, und einen Gnadenfreiheitsrabatt für Verstorbene in Höhe von 100 000 Euro vor. Was ist das eigentlich für eine perverse Vorstellung, wenn jemand sein Leben lang Eigentum schafft - eine Eigentumswohnung, ein kleines Häuschen - und dann, wenn die Kinder heraus sind, wenn der Ehepartner verstirbt, wenn man zum Beispiel 75 ist, im 81. Lebensjahr die Mitteilung kommt: Jetzt darfst du Vermögensteuer zahlen; der Gnadenfreiheitsrabatt für deinen Ehegatten ist nach sechs Jahren verbraucht und auf null zusammengeschrumpft? Was ist das für eine perverse Vorstellung in einem Land, wo wir sagen „Bildet Eigentum, sorgt vor, mehr Eigenverantwortung; die Rente ist nicht mehr sicher; ihr müsst wieder mehr selbst für euch tun“, und dann so gegen Eigentum, gegen Erbrecht und gegen Vorsorge Politik betrieben wird? Das ist doch absurd!
Kein Mensch in Deutschland, kein Mensch aus dem Bundesfinanzministerium, nicht einmal das Niedersächsische Finanzministerium - die sagen bei Anfragen ständig, das sind Zahlen der Staatskanzlei - ist bereit, für Ihre Zahlen die Hand ins Feuer zu legen. Sie planen einen Anschlag auf die Mitte der Gesellschaft
und ziehen jetzt Ihre Initiative aus fadenscheinigen Gründen bis nach der Landtagswahl zurück mit der Begründung - ich zitiere Herrn Gabriel von gestern -: Es erübrigt sich, die Initiative schon im Januar vorzulegen, weil es im Januar gar keine Sitzung des Bundesrates gibt.