Protocol of the Session on November 20, 2002

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Wir hören aus der Polizei anderes, Herr Minister!)

- Ja, da hören Sie immer nur sporadisch hin. Richtig ist, meine Damen und Herren, dass diese Leistungen von Menschen erbracht worden sind, die hoch motiviert sind und denen Sie zu Recht das ist das einzig Richtige in Ihrem Antrag - Dank sagen. Aber diese Menschen sind auch deshalb motiviert, meine Damen und Herren, weil sie sehen, dass sich die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit in den letzten Jahren ständig verbessert haben, weil sie sehen, dass unsere Politik diese Rahmenbedingungen verbessert.

(Beifall bei der SPD - Ontijd [CDU] und andere: Wo denn?)

- Ich sage es Ihnen gleich, warten Sie ruhig ab.

Wenn 80 % der befragten Polizeibeamten mit ihrem Einkommen zufrieden sind, meine Damen und Herren - im Gegensatz zu 34 % in der Zeit, als Sie die Regierung geführt haben -, wenn heute 65 % der Beamten mit den äußeren Bedingungen ihres Arbeitsplatzes zufrieden sind - im Gegensatz zu 47 % in Ihrer Verantwortungszeit -, wenn heute 64 % mit den sozialen Leistungen zufrieden sind im Gegensatz zu 43 % in der Zeit, die Sie zu verantworten haben -, und wenn heute fast doppelt so viel Beamtinnen und Beamte als in Ihrer Amtszeit ihren Beruf wieder wählen würden, dann zeigt das, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, an Realitätsverlust leiden.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie es mich bitte noch an einer anderen Zahl deutlich machen: Im letzten Jahrzehnt hat es rund 40 000 Beförderungen bei der niedersächsischen Landespolizei gegeben. Das ist natürlich im Wesentlichen Ergebnis der zweigeteilten Laufbahn. Wir wollten sie, und wir werden sie zu Ende führen, obwohl hierfür ganz erhebliche Leistungen

des Landes aufzubringen sind. Sie sind es, die davon Abstriche wieder machen und eine polizeiliche Zweiklassengesellschaft einführen wollen.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Das ist eine echte Lüge!)

- Ich sage Ihnen gleich noch etwas dazu, damit Sie auch merken, was Sie da in die Welt setzen. - Eine schlecht ausgebildete Polizei, die nach einer polizeilichen Schnellbesohlung auf die Bürgerinnen und Bürger losgelassen werden soll, meine Damen und Herren, das ist demotivierend.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dies ist auch eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger. Nicht umsonst haben wir uns 1992 für den Weg zur zweigeteilten Laufbahn im Polizeivollzugsdienst entschieden. Die Anforderung an unsere Polizei ist gestiegen; da darf auch die Qualifikation nicht zurückstehen.

(Biallas [CDU]: Dann sind ja offen- sichtlich alle älteren Polizeibeamten Sicherheitsrisiko, wenn das stimmt, was Sie hier vortragen!)

Von 1990 bis heute sind die finanziellen Aufwendungen des Landes für die Polizei um fast 60 % gestiegen. Im Vergleich dazu ist der Landeshaushalt insgesamt nur um rund 37 % gestiegen. Das macht deutlich, welchen Stellenwert gerade die innere Sicherheit bei einer SPD-geführten Landesregierung hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der inneren Sicherheit sparen wir nicht. Allerdings sind wir auch keine Heilsversprecher, die mit vollkommen unhaltbaren Versprechungen auf Wählerfang gehen.

(Ontijd [CDU]: Genau das seid ihr!)

Allein die in Ihrem Aktionsprogramm angekündigten Maßnahmen hätten eine Mehrbelastung des Landeshaushaltes in mehrstelliger Millionenhöhe zur Folge. Es ist absolut unmöglich, Ihre Ankündigung auch nur im Ansatz wahr zu machen. Deshalb ist das, was Sie hier heute veranstalten, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, eine unseriöse Show von wenig begabten Zauberlehrlingen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Biallas [CDU]: Sie schei- nen ja einen Literaten als Reden- schreiber zu beschäftigen!)

Sie haben sich sehr viel Mühe beim Zusammenschreiben Ihrer alten Entschließungsanträge gegeben; das gebe ich gerne zu.

(Biallas [CDU]: Wir arbeiten noch selber, Gott sei Dank!)

Nur, es fehlen realisierbare Vorschläge. Ich habe darauf gewartet, dass dieses Programm erneut zum „Masterplan“ hochstilisiert wird. Aber vielleicht haben Sie ja aus den Fettnäpfen gelernt, in die Ihr Generalsekretär mit jedem Interview trampelt.

(Biallas [CDU]: Oh, der macht das gut! Der hat einen höheren Bekannt- heitsgrad als Sie!)

Das schon erwähnte Motto „Keep it simple and stupid“ übersetze ich einmal frei mit der Absicht, dass Sie die Bevölkerung für dumm verkaufen wollen. Das wird Ihnen nicht gelingen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was Sie da aufgeschrieben haben, ist ein typisches Oppositionsprogramm nach dem Schema: mehr Geld und mehr Personal. Herr Möhrmann hat Sie heute Morgen schon zu Bette gebracht; erinnern Sie sich einmal daran.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Regierungsfähigkeit beweisen Sie damit nicht,

(Ontijd [CDU]: Das haben Sie aber nicht zu entscheiden!)

denn die ist gekennzeichnet von Verantwortung und seriösem Umgang, insbesondere mit Zahlen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Stratmann und Frau Kollegin Bockmann haben zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Kollege Stratmann, Sie sind jetzt der nächste Redner. Ich erteile Ihnen bis zu drei Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja noch ein anderes Thema. Es wird Ihnen aufgefallen sein, dass wir noch ein paar Worte zur Kronzeugenregelung sagen müssen. Ich will mich wirklich kurz halten, weil wir ja alle gerne zum Parlamentarischen Abend möchten.

Ein Monat nach dem 11. September kündigte die damalige Bundesjustizministerin, Frau DäublerGmelin - die, wie ich gehört habe, mittlerweile Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses geworden ist; ich mag das gar nicht glauben, stimmt das wirklich? - -

(Mühe [SPD]: Diese Art von Häme passt doch gar nicht zu Ihnen! - Bial- las [CDU]: Hat man wirklich keine andere Verwendung für diese Dame? - Weitere Zurufe - Unruhe)

- Jeder Zwischenruf, Herr Kollege Mühe, geht auf Ihre Zeit.

Herr Dr. Stratmann, ich muss Sie jetzt kurz unterbrechen. - Herr Kollege Biallas, wir freuen uns, dass Sie hier im Plenarsaal sind, aber bitte mit weniger Zwischenrufen. Das Wort hat Ihr Kollege Dr. Stratmann. Es ist fast unmöglich, ihm zu folgen.

Frau Präsidentin, da ich mich immer zu viel mit Politik befasst habe, habe ich es nie geschafft, meine Dissertation zu Ende zu schreiben. Das heißt, zum Doktortitel habe ich es bisher nicht gebracht. Ich kann aber trotzdem ganz gut damit umgehen.

Entschuldigung, ich nehme den Doktor zurück.

Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September kündigte die damalige BMJ eine Kronzeugenregelung an. Daraus ist nichts geworden. Im Oktober danach hat unser Landesminister eine ähnliche Ankündigung gemacht. Auch daraus wurde nichts. Wir haben ihn im April d. J. noch einmal daran erinnert, und er hat erneut zugesichert, sich

dafür einsetzen zu wollen. Bis heute liegt ein solcher Vorschlag nicht vor.

Warum haben wir den Antrag noch einmal gestellt? - Vor allem deshalb, weil wir nach wie vor darauf warten, dass der Herr Minister seine Ankündigung in Realität erwachsen lässt, und weil wir leider feststellen mussten, dass sich auch in der neuen Koalitionsvereinbarung, die von Rot-Grün für die jetzige Bundesregierung beschlossen worden ist, kein Hinweis darauf findet, dass sie endlich eine Kronzeugenregelung beschließen wollen. Deshalb heute unser erneuter Antrag.

Herr Minister, ich weiß, dass Sie gleich eine Ankündigung machen werden. Ich hoffe, dass dieser Ankündigung dann auch sehr schnell Taten folgen werden. Sie werden unsere Unterstützung dabei bekommen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Frau Kollegin Bockmann, auch Ihnen erteile ich bis zu drei Minuten Redezeit. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Taten stehen unmittelbar bevor. Aber bei allem Verständnis, aus wahltaktischen Gründen das Boot zum Tanzen zu bringen: Der bayerische Gesetzentwurf, den die CDU-Fraktion favorisiert, ist uns schlicht und einfach zu lasch; wir können und wollen ihn in dieser Form nicht umsetzen.

(Lachen bei der CDU - Biallas [CDU]: Das ist wirklich etwas Neu- es!)

Der Grund liegt auf der Hand: Wenn der Staat mit Verbrechern verhandelt, muss ein Denunziantentum weitgehend ausgeschlossen sein. Einen bloßen Ablasshandel des Staates nach bayerischem Vorbild darf es nicht geben.

Hier geht es nicht nur um Vermutungen, sondern wir können auch auf praktische Erfahrungen zurückgreifen. Schließlich besteht dieses Rechtskonstrukt momentan schon mit § 31 des Betäubungsmittelgesetzes. Die Praktiker berichten, dass Angeklagte häufig erst im Termin der Hauptverhandlung ein so genanntes Kronzeugenangebot unterbreiten und belastende Aussagen z. B. zu der je

weiligen Dealerorganisation anbieten. Sobald sie dann in den Genuss einer kräftigen Strafmilderung gekommen sind, verweigern sie die Kooperation. Gegen derartige Erinnerungslücken der Täter müssen wir etwas tun. Genau das ist mit dem bayerischen Entwurf nicht garantiert.

Die erlangten Strafmilderungsvorteile müssen wieder zurückgenommen, und es muss zusätzlich bestraft werden, wenn sich herausstellt, dass die Justiz hereingelegt worden ist. Also Schaffung einer Wiederaufnahmemöglichkeit zuungunsten des Angeklagten nach § 362 Nr. 5 StPO und Anhebung des Strafrahmens bei falscher Verdächtigung. Auch hierin unterscheidet sich Niedersachsen von der Gesetzesinitiative Bayerns. Schließlich soll dem Täter mehr Strafe drohen, wenn sich seine Angaben als falsch herausstellen. Das ist der Grund, warum aus dem Verdächtigungstatbestand ein so genannter Verbrechenstatbestand werden soll.

Diese niedersächsische Variante soll folgende weitere Eckpunkte enthalten: Abweichend vom bayerischen Entwurf verzichtet unsere Neuregelung auf die Möglichkeit, vollständig von der Strafe abzusehen; denn die Offenbarung des Wissens des so genannten Aufklärungsgehilfen - so unsere Bezeichnung für die Kronzeugen - soll lediglich mit Strafmilderung honoriert werden. Dadurch bleibt es, anders als beim Absehen von Strafe, auch bei Schwerstverbrechern bei einem Unwerturteil über die Tat. Das wirkt sich positiv auf das allgemeine Rechtsbewusstsein aus; denn der Rechtsstaat verliert seine Glaubwürdigkeit, wenn sich Verbrecher vollständig freikaufen können. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.