Protocol of the Session on October 24, 2002

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen im Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft um junge Bewerber Strategien zur Bedarfsdeckung entwickeln. Da stimme ich dem Kollegen Biallas von der CDU-Fraktion durchaus zu. Dazu gehört die Verlagerung der Personalgewinnung und -einstellung auf die Bezirksregierungen und die Weiterentwicklung des Fachoberschulkonzeptes. Hier bedarf es Verbesserungen. Gerade durch die Fachoberschule haben wir die Möglichkeit, die von uns gewünschten Migrantinnen und Migranten für den Polizeidienst zu bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Probleme müssen noch gelöst werden; das ist selbstverständlich. Wir werden uns auch in den nächsten Monaten noch häufiger mit den genannten Themen befassen. Für heute bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schröder hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann den Kollegen Biallas beruhigen:

(Plaue [SPD]: Um Gottes Willen!)

Wenn der CASTOR-Zug im November Gorleben erreicht, Herr Kollege Biallas, werden Sie sehen, welche Polizeidichte in Niedersachsen möglich ist.

Wahrscheinlich wird es ein internationaler Rekord werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Es ist schön, wie Sie sich aufregen. Aber ich will Ihnen noch etwas sagen. Polizeidichte als solche ist kein Wert an sich. Entscheidend ist, wie die Sicherheitslage im Land ist und wie sicher sich die Menschen fühlen. Wenn Sie sich mit dem Thema auseinander setzen, werden Sie feststellen, dass die Menschen in Niedersachsen nicht unsicherer oder gefährdeter leben als in anderen Bundesländern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben ja vielleicht schon einen Blick in den Bericht zur inneren Sicherheit werfen können. Ich würde nicht jede Aussage aus diesem Bericht, der gemeinsam vom Innen- und vom Justizminister herausgegeben worden ist, unterschreiben. Ich finde es aber gut, dass wir hier differenziertere Einstellungen haben, um die Sicherheitslage im Land zu debattieren. Wir werden dann, was die Sicherheitslage angeht, feststellen, dass Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern gar nicht so schlecht dasteht. Deshalb brauchen wir, Herr Kollege Biallas, in absehbarer Zeit keinen vierten Fachhochschulstandort; ganz abgesehen von der Frage, wie Sie die zusätzlichen Polizeibeamten finanzieren wollen.

(Zurufe von der CDU)

Das haben Sie ja auch in den vergangenen Debatten - jedenfalls nach meinem Verständnis - nicht erläutern können. Herr Kollege Biallas, ich lehne es ab, mir schon heute Gedanken darüber zu machen, wie viele Polizeibeamte wir im Jahr 2020 benötigen.

(Busemann [CDU]: Das sollte man aber tun!)

- Ja, das sollte man tun, Herr Kollege Busemann. Doch das Niedersachsen im Jahre 2020 wird ganz anders aussehen als das heutige Niedersachsen. Ich weiß nicht, ob wir beide das noch erleben werden, aber die Bevölkerungsstruktur und auch die Lebensbedingungen werden ganz anders sein. Sie können die Polizeidichte von heute doch nicht die nächsten 20 Jahre 1 : 1 fortsetzen und sagen, so viel, wie wir heute brauchen, benötigen wir auch in

20 Jahren. Das ist doch abenteuerlich, Herr Kollege Busemann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich meine, dass wir statt dieser platten Debatte, wie viele Polizeibeamte wir in den nächsten 20 Jahren brauchen, das Modell benötigen, das wir in Niedersachsen seit vielen Jahren haben und das sich bewährt hat, nämlich bedarfsgerecht und mit einer dreijährigen Vorlaufzeit die freien Plätze wieder zu besetzen.

(Zuruf von der CDU)

Ich fände es verdienstvoller, sich einmal Gedanken über die Inhalte und Strukturen der Polizeiausbildung zu machen. Dazu gibt es ja zu Recht einiges zu fragen. Ein Punkt, von dem gesprochen worden ist, war: Wie gewinnen wir eigentlich in einer multikulturellen Gesellschaft verstärkt Migrantinnen und Migranten für den Polizeidienst? Wie schaffen wir es, die Ausbildung noch stärker so zu verändern, dass der Frauenanteil nicht nur steigt, sondern auch Frauen in der Polizei sowohl in der Ausbildung als auch in der Führung, in leitenden Positionen, präsent sind, wesentlich präsenter, als es heute der Fall ist? Wie schaffen wir es, die Änderungen, die das NHG für die Fachhochschulen und auch für den Fachbereich Polizei mit sich bringt, auf die besonderen Bedingungen der Polizeiausbildung mit ihrem starken auch praktischen Anteil richtig umzusetzen? Wie schaffen wir es, Theorie und Praxis intensiver miteinander zu verzahnen, sodass die Polizeibeamten, die ihr Praxissemester haben, auch reflektierende, theoretische Begleitung bekommen und dass in den Theoriesemestern stärker Praktiker von außen eingebunden werden? Solche Gedanken sollten wir uns machen, aber nicht Gedanken über die Frage, ob wir 2020 genauso viele Polizeibeamte wie heute brauchen. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Bartling hat sich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schröder hat ein sehr schönes Beispiel dafür genannt, wie relativ der Begriff der Polizeidichte ist. Wenn wir z. B. fünf oder sechs

Hundertschaften zur Unterstützung nach Nordrhein-Westfalen schicken, dann ist die Polizeidichte noch schlechter, als sie zurzeit in der Tat ist, meine Damen und Herren.

(Ontijd [CDU]: Das ist ja wirklich ha- nebüchen! Wer soll denn noch so et- was abnehmen?)

Ich möchte mich zunächst einmal bei der SPDFraktion herzlich bedanken. Sie hat durch ihre Änderung des Ursprungsantrages dieses sicherlich wichtige Thema auf eine vernünftige Basis gestellt, auf der man diskutieren kann.

Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der CDU, Herr Biallas, Sie haben meine wiederholten Ausführungen hier im Plenum und auch im Innenausschuss zur Personalsituation der Landespolizei nicht verstanden oder wollen sie nicht verstehen. Der Personalnachersatz für den Polizeivollzug erfolgt drei Jahre im Voraus, da die qualifizierte Fachhochschulausbildung drei Jahre dauert. Bei den Nachberechnungen werden nicht nur Pensionierungen, sondern auch Durchschnittswerte für unvorhergesehene vorzeitige Pensionierungen und durch Erziehungsurlaub entstehende Belastungen der Organisation berücksichtigt. Meine Damen und Herren, diese Verfahrensweise haben wir von Ihnen übernommen, als Sie noch die Regierung gestellt haben, weil das vernünftig ist. Wir haben nicht so viel gefunden, was vernünftig war. Das war vernünftig. Deswegen haben wir es von Ihnen übernommen.

(Ontijd [CDU]: Sie hätten mehr fin- den sollen!)

Nun zu den konkreten Zahlen: Sie, Herr Biallas, haben im Innenausschuss und zuletzt in unserer letzten Plenarsitzung zumindest den Anschein erweckt, dass Zahlen nicht gerade Ihre Stärke sind. Sie haben mehrfach von 10 000 Pensionierungen in den nächsten 14 Jahren gesprochen.

(Biallas [CDU]: Ja, das stimmt ja auch!)

Diese Zahl ist falsch.

(Biallas [CDU]: Das erklären Ihre Polizeidirektoren!)

- Dann haben Sie vielleicht falsch gelesen.

(Biallas [CDU]: Doch, steht da drin! Das kann ich Ihnen zeigen!)

- Dann haben Sie nicht nur nicht richtig zugehört, sondern auch noch falsch gelesen. - Richtig ist, von 2002 bis 2011 gehen rund 3 858 Vollzugskräfte in den Ruhestand, von 2012 bis 2025 folgen dann weitere 9 456 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte.

Ich mache mir mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jetzt Gedanken über den Ersatz der nächsten zehn Jahre und nicht über den der nächsten 11 bis 25 Jahre. Mit einer solchen - ich muss das so nennen - unlauteren Darstellung, meine Damen und Herren, schüren Sie Unsicherheit, und dazu gibt es keinen Anlass.

Die Ausbildungskapazitäten der niedersächsischen Fachhochschule wurden von dieser berechnet. Ich wiederhole hier, hoffentlich zum letzten Mal: Sie reichen aus, um den erforderlichen Nachwuchs für die Polizei auszubilden, und das mindestens für die nächsten zehn Jahre. Wir prüfen zurzeit den Abschluss der zweigeteilten Laufbahn durch eine gesetzliche Regelung, ohne auf die Qualifizierung verzichten zu müssen. Wenn es uns gelingt, im Jahr 2005 fertig zu sein - davon gehe ich aus -, haben wir in der Folge Kapazitäten für bis zu 800 Studienplätze.

Herr Minister Bartling, möchten Sie eine Frage des Kollegen Biallas beantworten?

Gerne.

Herr Minister, können Sie bitte dem Landtag erklären, ob die Zahl, die Ihr Ministerium immer in allen Verhandlungen im Innenausschuss darstellt, dass bis 2015 voraussichtlich 6 000 in den Ruhestand gehen werden, richtig ist oder die Zahl, die in der Denkschrift der Polizeidirektoren - ich werde Ihnen gleich den Beleg geben - so ausgedruckt ist, wie ich es gesagt habe, dass es sich nämlich um annähernd 9 500 handelt? Können Sie hier verbindlich erklären, was stimmt?

Ich kann Ihnen das erklären, was ich Ihnen, jetzt wiederholend, noch einmal erkläre: Von 2002 bis 2011 gehen rund 3 858 Vollzugskräfte in den Ruhestand, von 2012 bis 2025 folgen dann weitere

9 456. Auf dieser Basis orientiere ich mich in den nächsten zehn Jahren. In den nächsten 25 Jahren sind es in der Tat mehr.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen aber auch gerne etwas zu der Gruppe der Realschüler sagen, weil das eben ein Thema war. Wir sind dabei, den Ausbildungsweg über die Fachoberschule den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen, um diese große Gruppe für den Polizeiberuf verstärkt zu interessieren und für die Fachhochschulausbildung vorzubereiten. Auch da erschließen wir uns weitere Potenziale für den polizeilichen Nachwuchs.

Die regionalisierte Einstellung zeigt auch ihre Wirkung. Wir haben kein Problem mit der Gewinnung qualifizierten Nachwuchses. Meine Damen und Herren, ich wiederhole es noch einmal: Die niedersächsische Landespolizei stellt so viel ein, dass diejenigen ersetzt werden, die ausscheiden. Insoweit gibt es keinen Personalabbau, sondern einen gleich bleibenden Personalstand bei der niedersächsischen Polizei. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

(Zuruf von der SPD: Wie immer!)

Ich rufe auf