Protocol of the Session on October 23, 2002

Die Folge wären völlig überfüllte Hörsäle und Labore in Hannover - ganz zu schweigen von den zusätzlichen Überlastmitteln, die nach Hannover gingen -, andererseits leere Seminare und nicht ausgelastete Professuren an anderen Standorten gewesen. Dieser bildungsökonomische Unsinn - anders kann ich es nicht nennen - würde noch dadurch getoppt werden, dass bereits bestehende fächerspezifische Engpässe, auf die Sie zu Recht hingewiesen haben, weiter verschärft würden; denn wir wissen doch, an Haupt- und Realschulen werden Lehrer für Physik, Chemie und Technik gesucht, nicht aber zum Beispiel für Deutsch und Erdkunde. An Gymnasien werden Latein-, Spanisch- und Mathelehrer gesucht, nicht aber Lehrer für Deutsch und Politik. Dennoch führt das Fach Deutsch ungebrochen die Hitliste bei der Studienwahl an. Ohne Zulassungsbeschränkung für Deutsch hätten wir ein wachsendes Heer von Deutschlehrern, das zukünftig niemand braucht, wir hätten aber immer noch keinen einzigen zusätzlichen Latein- und Mathelehrer, davon sogar weniger.

(Dr. Domröse [SPD]: Kannst du es ein bisschen langsamer sagen, damit Herr Klare es versteht?)

- Ich glaube, das ist ohnehin nutzlos.

(Rolfes [CDU]: Ich weiß nicht, was diese Arroganz soll!)

Gerade nach der heute geführten Haushaltsdebatte kann es sich das Land Niedersachsen meiner Ansicht nach nicht leisten, Studierende in Fächern auszubilden, für die später kein Bedarf an den Schulen besteht.

(Beifall bei der SPD)

Wer die Studiengänge einfach nur volllaufen lässt - das war Ihr Plädoyer - und sich hinterher einen feuchten Kehricht um die Berufschancen dieser jungen Leute kümmert, der handelt verantwortungslos. Das geht mit uns nicht.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Ein bisschen mehr Sach- lichkeit!)

Wir brauchen die Sicherstellung einer bedarfsgerechten und flexiblen Lehrerausbildung sowie eine zügige Übernahme der Absolventen in die Schulen. Auf diesem Gebiet hat die Landesregierung längst gehandelt. Die Studienplatzkapazitäten wurden an sämtlichen Standorten deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig hat die Landesregierung aufgrund großer Nachfrage dafür gesorgt, dass die Stellen im Vorbereitungsdienst aufgestockt worden sind. Im Jahre 1990 wurden insgesamt 2 800 Anwärterinnen und Anwärter ausgebildet. Heute sind es fast 2 000 mehr. Wir haben die jungen Lehrer und Lehrerinnen in die Schulen gebracht. Um die Mangelfächer jetzt und nicht erst in acht Jahren besetzen zu können, haben wir die Möglichkeit des Quereinstiegs geschaffen. So kann z. B. ein Diplom-Physiker ohne Lehramtsausbildung als Referendar eingestellt werden. Zusätzlich ermöglicht der neu eingerichtete Intensivstudiengang Schulpädagogik und Didaktik in Göttingen und neu jetzt auch in Lüneburg - Uwe Inselmann, das war an dich gerichtet -, den Magister oder das Diplom aufzustocken und hochqualifizierte Lehrkräfte in Rekordzeit auszubilden, die den Schulen bereits nach einem Jahr zur Verfügung stehen.

(Dr. Domröse [SPD]: Will Uwe Leh- rer werden?)

Meine Damen und Herren, daran sehen Sie: Diese Hochschulen beschreiten völlig neue Wege in der Lehrerausbildung.

(Frau Mundlos [CDU]: Hätten Sie 1994 reagiert, dann hätten wir heute diese Probleme nicht!)

Dies werden wir in der Zukunft nicht nur in Göttingen und Lüneburg tun. Um den bekannten Schweinezyklus, den auch Sie zu Recht beklagen, beim Lehramtsstudium zu durchbrechen, werden wir die Lehrerausbildung grundlegend reformieren. Hierzu hat die SPD-Fraktion bereits im Sommer ein Positionspapier vorgelegt,

(Frau Mundlos [CDU]: Welche Ka- tastrophe!)

das wir zurzeit in den Hochschulen und Schulen diskutieren. Mit dieser Reform wollen wir nicht nur eine praxisbezogenere Ausbildung sicherstellen, sondern wir wollen durch eine polyvalente Ausbildung, wie sie der Wissenschaftsrat schon längst fordert, auch mehr Flexibilität schaffen. Wir wollen nicht, dass der Student oder die Studentin sich schon im ersten Semester auf ein bestimmtes Fach und eine Schulform festlegen muss, um fünf Jahre später festzustellen: falsches Fach, falsche Schulform, falscher Job. - Wir können und wollen es uns nicht länger leisten, so mit den knappen Ressourcen umzugehen.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Die Frage, wie wir sicherstellen, dass wir heute die Lehrer und Lehrerinnen ausbilden, die wir morgen in unseren Schulen brauchen, ist keine Frage, die sich mit „NC ja oder nein?“ beantworten lässt. Manchmal sind die Dinge eben doch etwas komplizierter. Der CDU-Antrag verspricht wieder einmal Scheinlösungen für Scheinprobleme. Wir bleiben in der Wirklichkeit und lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der SPD)

Nun hören wir Frau Kollegin Litfin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Andretta hat Recht: Bedarfsgerecht und flexibel, so sollte die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung in Niedersachsen sein. Sie hat auch Recht mit Ihrem Hinweis darauf, dass wir nicht zulassen können, dass Heere von Deutschlehrern und -lehrerinnen ausgebildet werden, die dann an den Schulen nicht einstellt werden können. Überhaupt nicht erwähnt aber hat sie die Ausbildung der Sonderschullehrer und -lehrerinnen.

(Zustimmung bei der CDU)

An der Stelle haben wir ein Riesenproblem. An der Stelle müssen wir etwas ändern. An den Sonderschulen haben wir die mieseste Unterrichtsversorgung, die es in Niedersachsen, bezogen auf alle Schulformen, überhaupt gibt.

(Frau Mundlos [CDU]: Bei den Schwächsten, Frau Andretta!)

An den Sonderschulen gibt es reihenweise unbesetzte Stellen, weil es keine Bewerber und Bewerberinnen gab. Wir haben immer noch die Situation, dass Studienbewerber abgelehnt werden, dass sie keinen Studienplatz bekommen, obwohl auch die Pensionierungszahlen im Sonderschulbereich besonders hoch sind. Es ist für mich verräterisch, dass die SPD-Fraktion darauf nicht mit einer Silbe eingeht,

(Beifall bei den GRÜNEN)

dass sie offensichtlich wieder einmal nicht an diejenigen denkt, die unser aller Hilfe besonders bedürfen. Für mich bemisst sich der Wert einer guten Schulpolitik noch immer an dem Umgang mit den Schwächsten.

(Zustimmung von Frau Mundlos [CDU])

Hier beweist sich, dass die Schwächsten wieder völlig negiert werden. Sie kommen in der Argumentation noch nicht einmal vor.

(Frau Mundlos [CDU]: Werden aus- geblendet!)

Wir hätten gemeinsam die Möglichkeit gehabt, aus dem Antrag der CDU-Fraktion einen gemeinsamen Antrag zu machen. Ich denke, auch die CDUFraktion wird einsehen, dass wir keine Heere von Deutschlehrern und Deutschlehrerinnen ausbilden wollen. Wir hätten gemeinsam unseren politischen Willen artikulieren können und hätten gemeinsam dafür sorgen können, dass insbesondere im Sonderschulbereich bessere und angenehmere Situationen geschaffen werden. Deshalb wird meine Fraktion die Ablehnung des CDU-Antrages nicht unterstützen. In seiner Pauschalität wäre er zwar abzulehnen. Aber wir hätten die Chance gehabt, aus diesem Antrag etwas zu machen, was dringend nötig wäre. Diese Chance jedoch haben wir nicht ergriffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das Wort hat noch einmal Frau Andretta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch gerne etwas zu der verpassten Chance

sagen. Wir hatten im Wissenschaftsausschuss dazu eine Beratung, an der sich die Grüne-Fraktion leider nicht beteiligt hat. Im Kultusausschuss ist auf Wunsch von Frau Mundlos dieser Punkt noch nicht einmal mitberaten worden. Wo war denn hier die Chance für eine gemeinsame Beratung? Wir müssen doch einmal bei der Wahrheit bleiben.

(Rolfes [CDU]: Unglaublich!)

Das sind schlichte Wahrheiten.

Zu dem Problem der Sonderpädagogik. Es ist richtig, dieses zu thematisieren. Wir haben die Kapazitäten ausgeweitet, allerdings nicht ausreichend. Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam mit den Hochschulen über das Instrument der Zielvereinbarung zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Das werden wir auch in Angriff nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Mundlos hat das Wort.

(Frau Körtner [CDU]: „Um bei der Wahrheit zu bleiben“, Heidi, fang einmal mit diesen Worten an!)

Frau Dr. Andretta, ich kann in der Tat nur die Kollegin Körtner zitieren: Man sollte bei der Wahrheit bleiben. - Auf meinen Wunsch hin würde in einem solchen Ausschuss vermutlich gar nichts geschehen. Wir haben einvernehmlich, und zwar auch Ihre Kollegen, gesagt: Da wir dieses Thema im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur ausführlich beraten haben, brauchen wir es nicht im Kultusausschuss weiter zu beraten. Das war der einzige Grund.

(Beifall bei der CDU)

Ich schließe nunmehr endgültig die Beratung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU ablehnen möchte, den bitte um das Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Ich frage nach Stimmenthaltungen. - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

Es könnte sein, dass wir es schaffen, noch zwei Tagesordnungspunkte zu erledigen, und zwar zunächst den Tagesordnungspunkt 16 und danach den Tagesordnungspunkt 20. Bei dem Tagesordnungspunkt 20 sind die Fraktionen übereingekommen, dass wir keine Debatte mehr führen, sodass das sehr schnell gehen kann. Ich hoffe auf die Disziplin auch bei Punkt 16, damit wir die heutige Sitzung etwa gegen 19.30 Uhr schließen können.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 16: Einzige (abschließende) Beratung: Psychiatrie-Entwicklung fortschreiben Psychiatrische Versorgung differenzieren Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 14/3331 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/3743 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3805

Der Antrag der SPD-Fraktion wurde an den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Darum können wir gleich in die Beratung eintreten. Das Wort hat Frau Elsner-Solar.

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir hatten uns schon gefreut, dass wir mit unserem Thema einmal in die Morgenstunden rutschen würden. Nun werden wir die Beratung heute Abend führen.

Es geht bei Psychiatrieerfahrenen um eine Bevölkerungsgruppe, die keineswegs so klein ist, wie die meisten denken. Neuere Studien gehen davon aus, dass 25 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens psychiatrisch oder mit psychotherapeutischen Verfahren behandelt werden müssen. Das ist also ein nicht unerheblicher Teil.

(Unruhe)

Einen Augenblick, bitte. - Meine Damen und Herren, machen Sie es bitte der Rednerin zum Schluss nicht zu schwer, sondern nehmen Sie den