Protocol of the Session on September 25, 2002

Herr Kollege Wulff, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Landesregierung fragen, wie sie Folgendes beurteilt: Am 25. November 1997 hat der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel erklärt:

„Wir wollen zeitlich befristete Maßnahmen zur Inobhutnahme der betroffenen Jugendlichen als Krisenintervention mit mittel- und langfristigen Betreuungs- und Sozialisierungskonzepten.“

Es kam dann, am 22. Januar 1998, zu einem Beschluss des Landtags, die Verstärkung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu fordern und dazu auch ein Interventionsprogramm als zeitlich befristete Maßnahme zur Inobhutnahme von Kindern vorzusehen.

Wie kann man vor diesem Hintergrund die vierjährige Untätigkeit der Landesregierung in diesem Feld und die Streichung aller Haushaltsmittel im Doppelhaushalt 2002/2003 erklären?

(Plaue [SPD]: Da haben Sie nicht zu- gehört, Herr Kollege!)

Wie kann man erklären, dass Sie null Cent, null Euro für diese Interventionsprogramme und die Inobhutnahme von Kindern vorsehen und bis heute keinen Platz geschaffen haben?

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Scheinbar waren Sie nicht anwesend! Jedenfalls haben Sie nicht zugehört!)

Herr Ministerpräsident!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Land Niedersachsen hatte zum damaligen Zeitpunkt noch Plätze in einer Einrichtung für geschlossene Heimunterbringung. Diese Einrichtung hat ihre Plätze aufgegeben, weil zu wenig Träger der Kinder- und Jugendhilfe - örtliche Träger sind die Kommunen - die geschlossene Heimunterbringung bei Gericht beantragt bzw. Gerichte keine geschlossene Heimunterbringung veranlasst haben.

Herr Wulff, Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass selbst das Angebot des Landes, mit

dem Interventionsprogramm Geld zur Subventionierung der geschlossenen Heimunterbringung anzubieten, und zwar - damals - 100 DM pro Platz - -

(Frau Vockert [CDU]: Lächerliche Summe!)

- Frau Vockert, auch Sie müssten wissen, dass es eine gesetzliche Aufgabe ist, diese Plätze vorzuhalten. Und diese Aufgabe liegt nun einmal in der kommunalen Eigenverantwortung.

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: So ist das! - Jahn [CDU]: Das kann doch niemand mehr bezahlen!)

Ich finde es in hohem Maße unredlich, dass Sie auf der einen Seite sagen, das Land soll gefälligst seine eigenen Aufgaben machen und keine anderen übernehmen, aber auf der anderen Seite hier den Eindruck erwecken, als sei das Land für die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe finanziell zuständig. Dann hätten Sie, Frau Vockert, in Ihrer Zeit das Kinder- und Jugendhilfegesetz des Bundes anders formulieren müssen.

Das ist eine Aufgabe der Kommunen. Aber trotzdem, Frau Vockert, haben wir als Land gesagt, wir sind bereit - freiwillig -, den Kommunen die Plätze herunterzusubventionieren.

(Frau Vockert [CDU]: Lächerliche Summe!)

Daraufhin haben die Kommunen gesagt, die 100 DM reichen ihnen nicht. Wir haben gesagt, dann konzentrieren wir die Mittel das auf eine Einrichtung. Daraufhin hat die Einrichtung gesagt: Das reicht trotzdem nicht. Wir haben niemanden, der einweist. Die Einrichtung ist unwirtschaftlich. Wir schließen die letzten Plätze.

(Frau Vockert [CDU]: Weil Sie keine Investitionszuschüsse gegeben haben! - Plaue [SPD]: Das ist doch Quatsch, Frau Vockert, Sie haben doch keine Ahnung!)

- Frau Vockert, es gibt keine Investitionskostenzuschüsse, sondern es gibt Pflegesätze. Diese Pflegesätze werden mit dem Träger der Jugendhilfe vereinbart, und dies ist nun einmal die Kommune.

Sie erklären hier öffentlich das Gegenteil von Recht und Gesetz.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie machen, ist ein absolut unverantwortlicher Umgang mit dem geltenden Kinder- und Jugendhilferecht der Bundesrepublik Deutschland,

(Frau Vockert [CDU]: Sie betreiben reinen Populismus!)

nur weil Sie hoffen, dass Sie an dieser Stelle Profit schlagen können.

(Möllring [CDU]: Schlicht kommu- nalfeindlich!)

Sie wissen ganz genau, dass in den Fällen, in denen geschlossene Heimunterbringung angeordnet wurde - - - Im Jahr 2000 - damals wurde nachgefragt - gab es zwei Kinder aus Niedersachsen, die in bayrischen Einrichtungen untergebracht werden konnten. Es gibt in ganz Deutschland vier Länder, die insgesamt sieben Einrichtungen mit rund 140 Plätzen vorhalten. Nach Abfrage der Landesjugendämter gibt es in diesen Ländern keine Wartelisten. Wenn in Niedersachsen ein Gericht entscheidet, ein Kind soll in die geschlossene Heimunterbringung, dann gibt es dafür Plätze, dann werden wir Plätze finden. Es gibt kein Problem mit Wartelisten. Aber es gibt keine Gerichtsbeschlüsse dazu, und es gibt keine Anträge von Kinder- und Jugendhilfeträgern.

Was hilft es, mit Landesgeld - selbst wenn man das machen würde, was Sie wollen - Überkapazitäten zu schaffen, die nicht gebraucht werden, mit denen wir das Geld zum Fenster hinausschmeißen, und andere Einrichtungen in Deutschland, die bundesweit bedient werden, defizitär werden zu lassen?

In der Heimunterbringung außerhalb der geschlossenen Heimunterbringung ist es auch üblich, Kinder und Jugendliche über das gesamte Bundesgebiet unterzubringen. Wir haben tausende von Kindern in niedersächsischen Heimen, die nicht aus Niedersachsen kommen, und niedersächsische Kinder, die in nichtniedersächsische Heime gehen.

Sie führen eine Scheindebatte in Niedersachsen, weil Sie sich nicht mit der pädagogischen Frage auseinander setzen wollen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die Antwort auf die Frage von Herrn Wulff lautet:

Erstens. Wir haben damals die Finanzmittel nicht in den Haushalt einstellen müssen, weil es nieman

den gegeben hat, der die geschlossene Heimunterbringung in Niedersachsen wollte.

Zweitens - nun tut es mir Leid, Herr Wulff, dass ich Ihre Zeit strapazieren muss -: Die Maßnahmen, die damals in dem zitieren Landtagsbeschluss beschlossen worden sind - - - Ich möchte darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Herr Wulff fordert die Einhaltung eines Landtagsbeschlusses, den die CDU im Landtag abgelehnt hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wulff, Sie müssen schon davon ausgehen: Wenn Sie mich zitieren, dann werde ich Ihnen auch antworten. So ist das.

Und nun lese ich Ihnen aus dieser Entschließung war, welche Maßnahmen die Landesregierung ergriffen hat:

- 16 Regionale Arbeitsstellen zur beruflichen Eingliederung junger Menschen in Niedersachsen RAN -, mit denen besonders benachteiligte junge Menschen an Ausbildung und Beschäftigung herangeführt werden,

- 82 Jugendwerkstätten, in denen junge Menschen eine gezielte sozial- und berufspädagogische Qualifikation erhalten.

(Möllring [CDU]: Danach ist doch ü- berhaupt nicht gefragt worden! - Ge- genruf von Plaue [SPD]: Natürlich hat er danach gefragt! Da ist ja unglaub- lich!)

- Herr Möllring, Ihr Fraktionsvorsitzender hat sich auf die Entschließung vom 22. Januar 1998 in der Drucksache 13/3618 bezogen, und er hat behauptet, wir hätten diese Entschließung nicht umgesetzt. Ich lese Ihnen nun vor, was wir getan haben. Das ist präzise die Antwort auf Ihre Frage.

(Beifall bei der SPD - Wegner [SPD]: Herr Möllring interessiert sich doch gar nicht für die Inhalte! - Unruhe)

Bitte, Herr Ministerpräsident!

Ich fahre fort:

- 55 Jugendgemeinschaftswerke, in denen junge Aussiedlerrinnen und Aussiedler gefördert werden,

- Erprobung eines Modellprogramms zur Gewaltprävention an sechs Standorten in Niedersachsen,

- kommunale Präventionsräte, deren Arbeit durch den Landespräventionsrat koordiniert wird,

- Förderung von ambulanten sozialpädagogischen Maßnahmen in 58 von 61 Jugendamtsbezirken,