Du hast im zweiten Teil deiner Rede völlig zu Recht gesagt, die Förderstufe sei nicht die Antwort auf PISA. Das ist eine richtige Feststellung. Aber das von der CDU gewünschte, starr gegliederte Schulwesen nach Klasse 4 ist erst recht keine Antwort auf PISA.
Jetzt zu Frau Seeler: Die Kollegin Seeler hat hier behauptet, die Opposition im Hause lehne nur aus wahlkampftaktischen Gründen alles ab. Das tun wir nicht. Frau Kollegin Seeler weiß sicherlich auch, dass wir die selbstständige Schule, die Schule mit Gestaltungsfreiheit, aber auch die Schule, die Verantwortung für ihr Handeln trägt, ständig in diesem Landtag fordern. Frau Seeler als im Vorstand der SPD-Fraktion für die Bildungspolitik zuständige Kollegin müsste eigentlich auch wissen, dass dieses hohe Haus ein solches Modell - und zwar einstimmig auf einen Antrag der Grünen hin - für die berufsbildenden Schulen bereits beschlossen hat. Dort kann sie die Vorreiterrolle der Grünen auch nicht bestreiten. Von daher frage ich mich, wie Sie zu dieser Aussage kommen.
Bei den positiven Punkten, die Frau Kollegin Seeler für die PISA-Gewinnerländer aufgestellt hat, hat sie einen einzigen vergessen. All die Länder, die von ihr aufgezählt worden sind, haben eine sehr viel längere gemeinsame Schulzeit, als wir sie in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Deshalb, Frau Seeler, kann dort kein Kind mit dem Bemerken weggeschickt werden, es sei auf der falschen Schule. Weil dort kein Kind sitzen bleiben kann, wissen alle Lehrer und Lehrerinnen von Anfang an: Das alles sind unsere Kinder, und sechs, acht oder zehn Jahre werden wir diese Schüler und Schülerinnen in ihren Bildungsprozessen unterstützen.
Deshalb ist der Anreiz auch besonders groß, so eine Pädagogik zu entwickeln, die den Fördergedanken in den Vordergrund stellt und die individuelles Arbeiten mit jedem Kind in den Vordergrund des pädagogischen Handelns der gesamten Schule rückt.
Ich wünschte mir, dass Sozialdemokratie so realistisch wäre, auch diesen Punkt zu sehen und nicht zu meinen, dass es gelingen kann, durch eine Schulstrukturreform, die im Endeffekt dafür sorgen wird, dass wir Eingangsstufen des gegliederten Schulwesens haben werden, dazu beizutragen, Kinder langfristig zu fördern und - das sagen Sie ja immer - auch zu fordern. Ich finde, Fordern ist auch Fördern. Ein leistungsstarkes Kind fördere ich dadurch, dass ich ihm Leistungsanreize gebe, dass ich ihm die Aufgaben stelle, die es bewältigen kann, weil es schnell lernt.
Wir haben natürlich sehr viele Fragen zu Ihrem Antrag, den wir im Grundsatz unterstützen, weil es die Richtung ist, die wir immer schon gegangen sind. Ich frage mich immer noch: Was sollen denn die zentralen Prüfungselemente für die zentralen Abschlussarbeiten sein, die es dann geben soll? Wird das darauf hinauslaufen, dass allen Schülern und Schülerinnenn im Lande die gleichen Mathematikaufgaben gestellt werden? Oder sind wir so klug, dass es darauf hinausläuft, dass die Fähigkeiten geprüft werden, etwa die Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten, etwa die Fähigkeit, Inhalte, Wissensbestände miteinander zu verknüpfen? Das sind doch die richtigen Fähigkeiten, die wichtigen Fähigkeiten, die unsere Kinder und Jugendlichen in der Zukunft brauchen werden und deren Fehlen nicht nur durch TIMSS, sondern verstärkt auch durch PISA festgestellt worden sind.
Ich meine, dass wir diesen Antrag gemeinsam sachlich und positiv werden beraten können. Ich hoffe aber auch, dass Sie die Kompetenz der Grünen an dieser Stelle ernst nehmen werden. Wir beschäftigen uns schon sehr viel länger mit diesem Thema und wissen wohl auch mehr darüber.
Sie haben nämlich nicht einen einzigen konstruktiven Vorschlag gemacht, Herr Klare. Sie haben hier nur eine Unwahrheit an die andere gereiht.
Sie reden immer nur von Unterrichtsversorgung, verschweigen dabei aber, dass wir jetzt 3 629 Lehrkräfte einstellen. Sie verschweigen, dass unser Haushalt um mehr als 160 Millionen Euro erhöht wird. Sie verschweigen, dass wir mit dem Schulge
setz nicht nur die Orientierungsstufe abgeschafft, sondern dass wir auch Sprachfördermaßnahmen beschlossen haben,
dass wir die Eingangsstufe für die individuelle Förderung beschlossen haben, dass wir die Förderpläne beschlossen haben, dass wir 50 % mehr Förderstunden beschlossen haben und dass wir die Einflussmöglichkeiten der Eltern, kooperative und integrative Schulformen einrichten zu lassen, erhöht haben.
- Sie sollten sich zu Wort melden, anstatt dazwischenzurufen. - Wir gehen nach dem Schulgesetz den zweiten Schritt hin zur Qualitätssteigerung unserer Schule. Das haben wir während der Diskussion auch immer angekündigt.
Anders als Sie gehen wir hier Schritt für Schritt vor. Wir diskutieren nämlich mit den Eltern, mit den Schülern und mit den Lehrkräften.
Deswegen bekommen wir von denen auch konstruktive Vorschläge. Im Gegensatz zu Ihnen: Sie mäkeln immer nur herum. Das allerdings nützt niemandem.
Herr Klare, Sie glänzen hier in Polemik, aber nicht mit irgendwelchen konstruktiven Vorschlägen zur Verbesserung unseres Schulsystems.
Bei den Grünen ist das anders; da hat Frau Litfin Recht. Die setzen sich mit den Dingen inhaltlich auseinander. In vielen Bereichen haben wir die gleiche Meinung, in einigen nicht. Aber wir reden mindestens miteinander,
Frau Litfin, Sie haben ja Recht, dass die erfolgreichen PISA-Länder eine längere gemeinsame Schulzeit haben. Wir haben in Deutschland und auch in Niedersachsen allerdings ein Problem. Sie sagen selbst, man kann die Schule nicht gegen den Willen von Eltern verändern. Wir haben das Problem, dass bei uns nur rund 30 % der Eltern eine Gesamtschule wollen, mehr leider nicht. Ich glaube allerdings, dass sich in dem Diskussionsprozess der nächsten Jahre bei vielen Eltern die Einsicht durchsetzen wird, dass das doch eine gute Schulform ist. Deswegen haben wir im Schulgesetz auch die Einflussmöglichkeiten der Eltern zur Gestaltung der Schullandschaft erhöht.
Wir wollen die kooperativen und die integrativen Schulformen. Warum haben wir denn sonst zusätzlich die Kooperative Haupt- und Realschule in unseren Schulkatalog aufgenommen? Wir glauben aber, dass man so etwas nicht gegen, sondern nur mit den Eltern tun kann.
- Frau Harms, lassen Sie mich bitte ausreden! - Der Antrag soll als Diskussionsgrundlage dienen; das habe ich doch gerade in meiner Rede gesagt. Ich habe Sie sehr bewusst zur Mitarbeit aufgefordert, damit wir zu den besten Lösungen kommen: für unsere Schulen und für unsere Kinder.
(Jahn [CDU]: Man muss auch schnell sein, sonst wird es wieder zurückge- holt! - Frau Harms [GRÜNE]: Zu- nächst wurde ja dementiert, dass es ein neues Konzept gibt!)
- Nein. Das ist der zweite, konsequente Schritt. Ich finde es schon eigenartig: Wir reden bei der Schulgesetznovelle darüber, dass es sich dabei nur um eine kleine Novelle handelt, die sich auf die Struktur bezieht und mit der wir nur wenige qualitative Elemente - wie die Sprachförderung - einführen. Ferner haben wir angekündigt, dass wir eine weitere, große Novelle machen wollen. Dazu braucht man ein Konzept. Das wird jetzt sorgfältig diskutiert. Wir werden in eine freiwillige Phase mit den Schulen eintreten und die Konsequenzen daraus dann in einer weiteren, großen Novelle ziehen. Dieser Novelle wird dann eine ähnliche Modernisierungsstrategie zugrunde liegen, wie die SPDFraktion das schon erfolgreich beim Hochschulgesetz gemacht hat. Insofern können wir da auch voneinander lernen.