Protocol of the Session on June 14, 2002

Sie sollten begreifen, dass die Kinder, die in die Klasse 5 eines Gymnasiums kommen, anders zum Abitur nach Klasse 12 geführt werden können, als wenn Sie diese Kinder in Förderstufen an Hauptschulen mit einem einheitlichen Lehrplan für alle Kinder an Haupt- und Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen - der gleiche Lehrplan mit Lehrern von Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien - belassen. Das kann doch nicht zum Abitur nach Klasse 12 führen. Das wird doch jeder einsehen, der sich nur halbwegs mit Bildungspolitik beschäftigt.

(Beifall bei der CDU)

Ihr Problem ist, dass Sie hier ständig ignorieren, was von unserer Seite gefordert worden ist. Die Verlässliche Grundschule wurde doch überhaupt erst durch uns auf ein erträgliches Maß reformiert. Sie haben doch mit einer Stunde Betreuung von 8 bis 9 Uhr anfangen wollen. Die Kindern sollten in die Schule kommen und den Eindruck haben, das sei ein besserer Kindergarten mit Aufbewahrung, aber nicht mit Lernen und Leistung. Das war in Ihrem ersten Konzept der Verlässlichen Grundschule: Betreuungszeiten von 8 bis 9 Uhr.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben hier Anträge zur Integration Lernschwächerer gestellt, um mit konkreten Maßnah

men die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren. Sie haben das abgelehnt. Wir haben auch Anträge zur Integration von Migrantenkindern gestellt. Sie haben sie abgelehnt und gekürzt. Wir hatten hier Initiativen, gegen das Schulschwänzen vorzugehen, weil diejenigen, die später ohne Abschluss arbeitslos sind, dadurch vor dieser Situation bewahrt werden können, dass man sich frühzeitig um sie kümmert, dahinter her ist und darauf achtet, dass sie die Schulbildung genießen, die wir ihnen zuteil werden lassen. Wir haben hier auf Herrn Professor Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut verwiesen. Wir haben ihn zitiert. Es bedurfte erst des Eintritts von Herrn Pfeiffer in die Landesregierung, um Sie allesamt zur Vernunft zu bringen, dass dies ein Erfolg versprechender Weg ist. Vorher sind wir hier angepöbelt worden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, Sie können hier zwar auf Vergesslichkeit rekurrieren. Aber Sie können nicht verhindern, dass wir daran erinnern, dass Sie uns hier im Landtag angepöbelt haben, als wir gesagt haben, dass man das Schulschwänzen konsequent bekämpfen muss. Sie haben sich hier in mehreren Reden darüber erhoben und haben damals unseren Antrag abgelehnt, das Schulschwänzen zu bekämpfen. Herr Pfeiffer, es ist Ihr Verdienst, dass Sie in diesem Punkt die Sozialdemokratie zur Ordnung gebracht haben. Mit uns hätten Sie es aber leichter, auf anderen Feldern von Anfang an unterstützt zu werden. Das müssen Sie auch verarbeiten und bewältigen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist völlig unbestreitbar, dass Frau Knorre Sie nach Jahren bei der Investitionsbank und Herr Pfeiffer beim Bekämpfen von Schulschwänzen zur Vernunft gebracht haben.

(Plaue [SPD]: Oh Gott, oh Gott! Sie halten hier eine Wahlkampfklamauk- rede, Herr Wulff! Reden Sie mal zur Sache!)

Aber Sie müssen realisieren, dass Sie hier im Plenum über Jahre diese Initiativen verweigert haben.

Wenn heute zu der Bildungspolitik gesagt wird, das Hochschulgesetz sei vernünftig beraten worden, dann kann ich nur darauf hinweisen: Wir hatten 1995 einen Antrag zur Verschlankung des Hochschulgesetzes, zu Möglichkeiten der Hochschulen, die Studierenden selbst auszuwählen,

gestellt. Heute, 2002, haben wir ein Hochschulgesetz, das für die gut ist, die Stiftungshochschulen sind - aber wir haben keine einzige -,

(Frau Dr. Andretta [SPD]: Das geht ja auch noch nicht! Das Gesetz ist ja ge- rade erst verabschiedet!)

das aber ansonsten nicht einmal die Möglichkeit gibt, dass Hochschulen einen Teil der bei ihnen Studierenden selbst auswählen. Wir sind immer noch nicht da, wohin wir müssen, um unsere Hochschullandschaft in Deutschland wettbewerbsfähig zu gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, wir haben einen Anspruch darauf, dass hier in diesem Hause seriös diskutiert wird.

(Zustimmung von Plaue [SPD] und Frau Dr. Andretta [SPD])

- Frau Andretta, wenn man nachliest, was Sie in diesem Hause zur Gesamtschule gesagt haben, und wenn Sie gleich den Finger für dieses Schulgesetz, für diese Förderstufe heben, dann müssen Sie das erst einmal mit sich ausmachen, bevor Sie hier bei der Forderung nach einer seriösen Debatte Beifall klatschen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben doch nach dem, was Sie in diesem Hause bildungspolitisch vertreten haben, mit Herrn Gabriel und Herrn Oppermann Ihr Waterloo in der Bildungspolitik erlebt.

Wir haben darauf hingewiesen, dass unser Modell auch die geringsten Konsequenzen für die kommunalen Schulträger hat.

(Zuruf von Wulf (Oldenburg) [SPD])

Das ist vom DIPF-Gutachten bestätigt worden, lieber Herr Kollege Wulf aus Oldenburg. Das DIPF-Gutachten hat eindeutig ausgeführt: Der geringste Raumbedarf, die geringsten Kosten für die kommunalen Schulträger entstehen dann, wenn man nach der gestärkten Grundschule von Klasse 1 bis 4 die weiterführenden Schulen mit homogenen Lerngruppen, mit einem eigenständigen Bildungsprofil und hoher Durchlässigkeit beginnen lässt.

(Plaue [SPD]: Wie wollen Sie dann die Abiturquote erhöhen?)

Das sei das für die Schulträger, für die Kommunen verträglichste Konzept. Das weist das von Ihnen erstellte Gutachten aus und ist ein Beleg für die hier eingeforderte seriöse Debatte.

Ich kann nur sagen: Wenn Sie das ernst gemeint hätten, was Sie gesagt haben, dann müssten Sie dieses Schulgesetz heute zurückziehen. Da Sie es aber beschließen und damit an allen wichtigen Anforderungen der Bildungspolitik vorbei beschließen, müssen Sie damit leben, dass dieser Tag für unser Land ein schwarzer Tag ist.

(Dr. Schultze [SPD]: Das darf doch nicht wahr sein, was Sie hier erzäh- len!)

Denn es geht um Unterricht in Niedersachsen, es geht um Nachmittagsangebote, es geht um die Inhalte, und erst ganz am Schluss geht es um die Strukturen der Bildungspolitik.

Bei den Strukturen sage ich am Schluss: Wir möchten Sie dringlich auffordern, diesen Hochmut zu unterlassen, dass akademische Bildung, dass Abitur, dass Gymnasium das Leitziel der Bildungspolitik sein müssten.

(Plaue [SPD]: Ausgerechnet Sie reden von Hochmut!)

Auf den Hinweis von Herrn Busemann eben, dass mehr als 30 % im Emsland eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben, als Beispiel für eine ausgewogene Bildungsstruktur, eine sich entwickelnde Bildungsstruktur in einem der erfolgreichsten Landkreise Deutschlands, haben Sie erwidert: Warum wollen Sie denn die jungen Leute auf das Fachgymnasium verweisen? - Herr Gabriel, die Leute werden nicht auf ein Fachgymnasium verwiesen, sondern sie wählen diesen Ausbildungsgang mit starken Haupt- und Realschulen.

(Beifall bei der CDU - Busemann [CDU]: Das ist ein Angebot! - Plaue [SPD]: Weil es doch keine anderen gibt!)

Wir haben als größtes Problem unseres Landes die Steigerung der Selbständigenquote. Wir brauchen Menschen, die einen Handwerksbetrieb übernehmen, die eine Existenzgründung betreiben, die ein mittelständisches Unternehmen auf den Weg bringen. Die entstehen in Hauptschulen, Realschulen, in den beruflichen Bildungswegen. In der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bil

dung liegt ein wesentlicher Standortvorteil Deutschlands. Bei Ihnen beginnt die Diskussion immer bei der Frage Gymnasium, Gymnasialquote, Abitur und Hochschule. Das ist ein großer Fehler. Das ist akademischer Hochmut.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist doch völliger Quatsch, was Sie da erzählen! Das werfen Sie einem Realschüler vor! Sie haben doch gar keine Ahnung, wovon Sie reden! Das ist das klassenbewusste Denken, das Sie haben, Herr Wulff! Sie können nur in Klassen denken!)

Wenn Sie sich einmal in unserem Land bei den erfolgreichen Mittelständlern umschauen, dann finden Sie da unendlich viele Hauptschüler und unendlich viele Realschüler, die unendlich viel leisten.

(Plaue [SPD]: Ich zum Beispiel!)

- Sie sind nun nicht gerade ein Paradebeispiel für das, was ich sagen wollte.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Aber Sie gerade mit Ihrer Abiturquo- te!)

Die Realschule ist die erfolgreichste Schulform in Deutschland. Wer sie absolviert hat, wer sie geschafft hat, der steht seine Frau bzw. seinen Mann im Leben, im Alltag, im Berufsleben.

(Plaue [SPD]: Sie sind ein absoluter Schwätzer!)

Deswegen sollten wir die Realschule stärken und nicht zerstören, wie Sie es mit Ihrem Schulgesetz hier machen.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist ein Un- fug, den Sie da verbreiten!)

Das Wort hat die Frau Kultusministerin. Ich hoffe, sie kann sich an die Zeit erinnern, wenn sie spricht.

(Rolfes [CDU]: Sie haben doch schon 20 Minuten überzogen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir sollten uns bei einem solch wichtigen Gesetz, wie Sie es selber empfinden, und einer seriösen Debatte, die Sie einfordern, auch Zeit lassen.

(Fischer [CDU]: Ach, jetzt bei der Abstimmung?)

- Ihr Fraktionsvorsitzender hat gerade eine seriöse Debatte eingefordert. Dann halte ich es für angemessen, dass wir uns dafür Zeit lassen