Protocol of the Session on June 14, 2002

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Jetzt geht es los! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Entschuldigung, ich kann doch nichts dafür. Das ist doch Ihr Problem und nicht meines. Sie müssen doch zeigen, dass Sie besser werden wollen.

(Beifall bei der SPD)

Sie werden sich noch wundern, wie die Menschen in diesem Land zu dieser Form von Politik stehen. Da bin ich ganz sicher.

Meine Damen und Herren, es geht uns darum, dass wir hier nicht die bildungspoltitischen Debatten der 70er-Jahre wiederholen. Überall dort, wo wir hinkommen, reden die Verbandsfunktionäre mit uns wie bildungspolitische Kyffhäuser-Kameradschaften, immer mit den alten Schlachtordnungen, immer mit den alten Marschliedern.

(Zurufe von der CDU)

Das interessiert uns nicht. Wir wollen nicht Schulformen fördern, wir wollen Schülerinnen und

Schüler fördern, meine Damen und Herren. Darum geht es!

(Starker Beifall bei der SPD)

Die Kyffhäuser haben sich einmal bei mir beschwert, weil ich sie mit den Lehrerverbandsfunktionären verglichen habe. Das lässt tief blicken.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das haben die nicht gemacht!)

Ich habe ihnen gesagt, dass ich es nicht böse meine. Aber diese traditionalistische Form des Umgangs mit Bildungspolitik geht nicht. Das ist bei den Kyffhäuser-Kameradschaften und ihrem Vereinsleben in Ordnung, aber doch nicht in der Bildungspolitik. Wir leben im Jahre 2002 und nicht im Jahre 1966 oder 1972. Um diesen Punkt geht es.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jahns?

Ja.

Frau Jahns!

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Äußerung über die Kyffhäuser-Kameradschaften zurücknehmen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Frau Kollegin Jahns, ich habe versucht, deutlich zu machen, wo an dieser Stelle die Ironie ist. Es ist auch eine Frage von Bildung, ob man Ironie versteht oder nicht. Es tut mir Leid. Ich kann nichts dafür.

(Beifall bei der SPD)

Ich gebe mir wirklich Mühe, Ihnen das Schulgesetz zu erklären. Ich werde das aber nicht bei jedem von Ihnen schaffen. Damit habe ich mich bereits abgefunden.

Es geht in dem Jahr 2002 auch darum, dass wir mehr Ganztagsschulen erhalten, meine Damen und Herren. Wir haben schon 21 neue Schulen dazubekommen, und 26 weitere Anträge liegen vor. Wir können, meine Damen und Herren, die 4 Milliarden Euro, die die Bundesregierung aus SPD und Grünen den Ländern zur Verfügung stellen will, gut gebrauchen, auch die Kommunen, insbesondere als Investitionsmittel. Das sind 400 Millionen Euro für dieses Land. Wenn sich die CDU bundesweit darüber erregt, dass der Bundeskanzler und die Bundesregierung 400 Millionen Euro in Niedersachsen und 4 Milliarden Euro in ganz Deutschland für Ganztagsschulen ausgeben will, dann habe ich einen einfachen Vorschlag: Die CDU-geführten Länder verzichten darauf. Dann bleibt für uns mehr übrig, meine Damen und Herren. So einfach ist das.

(Starker Beifall bei der SPD)

Es geht darum, dass wir den Kindern mehr Chancen geben, und zwar z. B. durch

(Decker [CDU]: Mehr Schulen!)

Hausaufgabenhilfe, durch Unterricht, durch Kooperation mit Jugendverbänden, Musikschulen und der Wirtschaft. Wissen Sie, wer das will? Sie stellen sich ja dagegen. Das wollen die Eltern, die Jugendhilfeträger, die Wirtschaft, viele Kinder. Wir wollen niemanden dort hineinzwingen. Aber wir wollen für alle, die das wollen, ein Angebot machen, meine Damen und Herren. Darum geht es!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen das auch, damit Kindererziehung, Familie und Berufstätigkeit miteinander vereinbar werden. Selbst der konservativste Wirtschaftspolitiker muss doch merken, dass wir es uns weder sozial noch wirtschaftlich leisten können, die klugen jungen Frauen immer dann, wenn sie Kinder haben wollen, aus dem Beruf zu zwingen, meine Damen und Herren. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir das in Deutschland zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Vor dem Hintergrund, dass wir mehr Abiturientinnen als Abiturienten haben, muss es uns doch nachdenklich machen, dass sich keine oder nur wenige in den Spitzenfunktionen in Wirtschaft,

Forschung und Technologie in unserer Gesellschaft wiederfinden.

(Dr. Domröse [SPD]: So ist es!)

Hier müssen wir etwas ändern. Wir müssen die Strukturen verbessern und nicht ein nicht finanziertes Versprechen für mehr Haushaltsgeld abgeben, wie Herr Stoiber das gerade getan hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das alles ist nicht einfach. Natürlich ist das finanziell nur schwer leistbar, insbesondere für Niedersachsen. Wer bestreitet das denn? In diesem Doppelhaushalt - im Jahre 2001 standen ja für Schulen und Bildung gegenüber dem Jahre 2000 schon über 150 Millionen Euro mehr zur Verfügung – wollen wir die Finanzmittel weiter steigern - Herr Möllring, damit die Frage gleich beantwortet ist: Sie finden das in der Mipla-Fortschreibung -, nämlich 76 Millionen Euro zusätzlich für die Schulen in Niedersachsen. Das ist nicht einfach. Dies ist doch klar. Wir müssen das in allen anderen Bereichen einsparen. Die Investition in die Köpfe, in die Hände und in die Herzen unserer Kinder ist die beste Investition, die wir in diesem Lande leisten können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir tun gut daran, diesen Schritt in Niedersachsen zu unternehmen. Das ist nicht der letzte Schritt, sondern der erste Schritt in die Veränderung nach PISA: die Lehrerfortbildung, die Aus- und Weiterbildung, die Qualitätssicherung, die wir begonnen haben. Wir haben übrigens die Mittel für Lehrerfortbildung erhöht, weil wir - ich sage das offen den Fehler gemacht haben, sie zu senken. Das ist falsch gewesen.

(Zuruf von der CDU)

In der Bildungspolitik muss endlich einmal gesagt werden, was wir falsch gemacht haben, und wir müssen den Beweis dafür antreten, was wir richtig machen wollen. Daran scheitert es aber bei Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Glauben Sie wirklich, dass die Menschen in Deutschland den Eindruck haben, dass es immer schön geteilt ist zwischen SPD und CDU, dass die einen immer alles richtig und die anderen immer alles falsch machen oder umgekehrt? Das glaubt

doch kein Mensch. Wir wissen doch, dass man in der Regierung und in der Opposition Fehler machen kann. Aber wir wissen spätestens seit der PISA-Studie, dass wir das in ganz Deutschland tun und dass wir - ich wiederhole mich - voneinander lernen müssen.

Wir haben mit diesem Schulgesetz den ersten Schritt getan. Weitere werden folgen. Das ist längst keine Schulstrukturreform mehr. Das ist eine große Schulreform für Niedersachsen, in die sich Qualitätssicherung und mehr Freiheit für die Schulen - übrigens weniger KMK, deren Vorsitzende Sie wohl zurzeit stellen - einbinden. Das alles ist nicht einfach. Das weiß ich. Aber, meine Damen und Herren, dazu gibt es keine Alternative. Ich kann Ihnen sagen - ich habe mir ja angehört, was Sie hier in den letzten Wochen und Monaten erzählt haben; Herr Busemann, ein wenig habe ich Ihnen bereits dazu gesagt; Herr Wulff wird sicherlich gleich fortsetzen -: Was passiert, wenn man den Leuten vor der Wahl alles Mögliche verspricht, können Sie in Hamburg feststellen.

(Zuruf von der CDU)

- Wir haben 3 100 zusätzliche Lehrerstellen finanziert, meine Damen und Herren. Die stehen im Haushalt. Die versprechen wir nicht nur.

(Beifall bei der SPD)

Damit eines klar ist: Diese Lehrerstellen müssen vorrangig für die Haupt- und Realschulen verwandt werden. Das ist äußerst wichtig und steht außer Frage, denn in diesen Schulformen müssen wir am meisten tun. Nicht nur bei uns, sondern überall gibt es in dem Zusammenhang Defizite.

Wir haben diesen Schritt finanziert, und Sie müssten jetzt einmal sagen, wie Sie über das bisherige Niveau hinaus 2 500 Stellen finanzieren wollen. Haushaltsanträge, mit denen Sie eine Deckung hätten vorschlagen können, gibt es nicht. Was die Menschen von der CDU erwarten dürfen, erleben wir derzeit in Hamburg. Dort hat die CDU zunächst mehr Lehrer versprochen, und jetzt streicht sie.

Bei Ihnen geht es zu wie an der Börse. Vor der Wahl müsste man eine Gewinnwarnung abgeben: Achtung bei Aktienkauf! Streichung in der Bildungspolitik droht! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU)