Protocol of the Session on April 25, 2002

1. Von wie vielen und welchen zusätzlichen „gymnasialen Angeboten“ geht sie an welchen Standorten und in welchen Gebietskörperschaften aus?

2. Von welchem Lehrermehrbedarf und welchem Baubedarf geht sie dabei aus, und warum sind diese weder im Landeshaushalt 2002/2003 noch in der mittelfristigen Finanzplanung finanziert?

3. Nach welchen Kriterien sollen die zusätzlichen „gymnasialen Angebote“ ganz konkret genehmigt werden?

Vor dem Hintergrund zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen und der sich daraus ergebenden beschäftigungspolitischen Erfordernisse zeichnet sich ein Wandel in den Tätigkeitsstrukturen sowie ein größerer Bedarf an höherwertigen Schulabschlüssen und auch Hochschulabschlüssen ab. Diesem absehbaren Qualifikationsbedarf steht nach

Aussagen der Arbeitsmarktforschung jedoch kein entsprechend qualifiziertes Angebot gegenüber, das – insbesondere auch bedingt durch die demographische Entwicklung bei den allgemeinen Schülerzahlen – von heute aus gesehen sogar rückläufig sein kann. Um hier gegenzusteuern, ist es erforderlich, höhere Anteile eines Schülerjahrgangs als bisher zu entsprechenden höherwertigen Schulabschlüssen und zu Hochschulabschlüssen zu führen.

Die Situation ist auch in Niedersachsen nicht zufriedenstellend. Statistische Untersuchungen belegen, dass an manchen Schulstandorten im Land wohnortnahe gymnasiale Bildungsangebote fehlen. Der Anteil der Schulabsolventinnen und -absolventen mit Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife und allgemeine Fachhochschulrei- fe) an der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen betrug im Jahre 2000 zwar ca. 36 %, die Abiturientenquote lag mit ca. 23,5 % aber deutlich unter dem Durchschnitt der Bundesländer.

Mit der eingeleiteten Schulreform beabsichtigt die Landesregierung, über die Einrichtung zusätzlicher gymnasialer Schulangebote diesbezügliche regionale Disparitäten zu verringern und die Bildungsbeteiligung zu erhöhen. Hierzu werden den Schulträgern weitergehende Entscheidungsmöglichkeiten zur Führung entsprechender Angebote gegeben. Diese weitergehenden Entscheidungsmöglichkeiten beziehen sich auf:

- die Führung eines Gymnasiums auch ohne gymnasiale Oberstufe, das die Schuljahrgänge 5 bis 10 umfasst;

- die Einrichtung einer Außenstelle eines bereits bestehenden Gymnasiums durch ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren;

- die Erweiterung einer zusammengefassten Haupt- und Realschule (zukünftig Kooperative Haupt- und Realschule) durch einen gymnasialen Zweig und damit die Weiterentwicklung der Schule zu einer Kooperativen Gesamtschule.

Die Schulträger erhalten somit zum 1. August 2003 einen deutlich erweiterten Handlungsspielraum, um ein den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten entsprechendes gymnasiales Angebot vorzuhalten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1: Mit dem Schulgesetzentwurf der SPDFraktion im Niedersächsischen Landtag sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einrichtung zusätzlicher gymnasialer Angebote geschaffen werden. Die Umsetzung hängt dann von der Entscheidung der Schulträger gemäß § 106 NSchG ab. Von der Landesregierung können deshalb zum jetzigen Zeitpunkt keine Zahlen über Standorte und Gebietskörperschaften genannt werden. Bei ihrer Absicht stützt sich die Landesregierung aber auf die eingangs beschriebenen zukünftigen Qualifikationsanforderungen sowie auf die Analyse, die das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung mit ihrem Gutachten „Stand und Perspektiven der Orientierungsstufe in Niedersachsen“ vom Oktober 2001 für das Land vorgelegt hat.

Zu 2: Vorbehaltlich der Entscheidung des Gesetzgebers werden die schulgesetzlichen Voraussetzungen für die weiteren Möglichkeiten zur Einrichtung zusätzlicher gymnasialer Angebote zum 1. August 2003 gegeben sein. Der Lehrermehrbedarf und Baubedarf wird davon abhängen, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Rahmen die Schulträger entsprechende zusätzliche Angebote einrichten. Bei der Annahme, dass die durchschnittliche Gymnasialbeteiligung - gemessen an der gegenwärtigen Beteiligungsquote des 7. Schuljahrgangs – bis zum Jahre 2010 schrittweise um ca. fünf Prozentpunkte erhöht werden kann, werden ca. 270 Lehrerstellen zusätzlich benötigt. Wenn die bis zum Jahre 2010 angenommene Erhöhung der durchschnittlichen gymnasialen Beteiligung um fünf Prozentpunkte bis zum Jahre 2016 durchgängig realisiert wird, wird der Lehrermehrbedarf von ca. 270 auf ca. 500 Stellen wachsen.

Der dargestellte Mehrbedarf an Lehrerstellen kann bis zum Jahre 2016 infolge des ab dem Jahre 2005 beginnenden Sinkens der Schülerzahlen mit dem heutigen Bestand an Lehrerstellen sowie unter Beibehaltung der heutigen Schüler-Lehrer-Relation gedeckt werden, selbst unter Berücksichtigung des sich in diesem Zeitraum vollziehenden Abbaus des Arbeitszeitkontos der Lehrkräfte. Eine Ausweitung des Landeshaushalts ist deshalb nicht erforderlich.

Über die Kosten zur Finanzierung eines zusätzlichen Baubedarfs kann die Landesregierung keine Aussage machen, da diese allein im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der Schulträger liegen.

Zu 3: Die Genehmigung zusätzlicher gymnasialer Angebote erfolgt auf der Grundlage des § 106

NSchG und der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung. Nach der Beschlussfassung des Gesetzgebers zum Niedersächsischen Schulgesetz wird die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung vom 19. Oktober 1994 entsprechend anzupassen sein. In der Verordnung werden sowohl die Kriterien für die Größe einer Schule oder entsprechender Schulzweige (Zügigkeit) als auch die Kriterien genannt, unter denen Außenstellen auch außerhalb eines Schulstandorts eingerichtet werden können. Die Landesregierung hat dem Kultusausschuss des Landtags anlässlich der Beratungen zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes den Entwurf dieser Verordnung sowie die Entwürfe weiterer Verordnungen zugeleitet, die im Zuge der Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes anzupassen oder zu erstellen sind.

Anlage 5

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr auf die Frage 7 des Abg. Ontijd (CDU):

Rot-grüne Bundesregierung opfert Seeämter; Niedersächsische Landesregierung stimmt zu

Mit der Neufassung des Seeunfalluntersuchungsgesetzes durch die rot-grüne Bundesregierung wird das traditionelle öffentliche Seeamtsverfahren zur Aufklärung von Seeunfällen abgeschafft. Damit werden die bestehenden Seeämter, u. a. in Emden, praktisch aufgelöst und zu einem Zentralamt in Kiel zusammengefasst.

Dies geschieht, obwohl sich die Landesregierung zunächst einer gemeinsamen Empfehlung der fünf norddeutschen Küstenländer angeschlossen hatte und noch am 11. März 2002 in der Konferenz der norddeutschen Innenminister gemeinsames Vorgehen erklärte.

Das 1985 einstimmig im Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz soll folgende Änderungen erfahren:

1. Es wird kein öffentliches Seeamtsverfahren mehr geben, dafür sollen durch eine neue Zentralstelle die Ursachen eines Seeunfalles ermittelt werden.

2. Die bisherigen Seeämter werden aufgelöst, statt dessen soll eine reisende Dreipersonenbesatzung vor Ort tätig werden (ca. 10 bis 15 % Seeunfallbearbeitung).

3. Beteiligte verlieren bei Befragungen durch die neue Bundesstelle ihre Beteiligungsrechte und können sich somit nur noch durch unsi

chere Feststellungsklagen vor den Verwaltungsgerichten zur Wehr setzen.

4. Die sofortige Vollziehbarkeit des Patententzuges im Falle von Trunkenheit entfällt, d. h. Alkoholsünder können über längere Zeit noch am Schiffsverkehr teilnehmen.

5. Die Anforderung an den Beruf- und Hafenlotsen wird abgesenkt. Es ist kein Fachhochschulabschluss mehr vorgesehen.

Mit diesen Gesetzesänderungen wird den berechtigten Interessen der Menschen an der Küste und der maritimen Fachwelt diametral entgegen getreten. Das Land Niedersachsen hätte Grund genug, diesem Gesetzentwurf, der inhaltlich wie organisatorisch große Nachteile mit sich bringen wird, nicht zuzustimmen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass sie zunächst einen einstimmigen Beschluss der Ablehnung des Regierungsentwurfes vom 1. Juni 2001 mit herbeigeführt hat?

2. Trifft es weiter zu, dass sie in der Konferenz der norddeutschen Innenminister am 11. März 2002 die Anrufung des Vermittlungsausschusses unterstützt hat?

3. Welche Gründe haben dazu geführt, dass sie die gemeinsame Linie der norddeutschen Küstenländer dennoch verlassen und der Gesetzesnovelle zugestimmt hat?

Der Bundestag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition und gegen die Stimmen der Opposition ein neues Verfahren zur SeeunfallUntersuchung beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz mehrheitlich, auch mit der Stimme Niedersachsens, zugestimmt. Eine zunehmend lebhafte und teilweise erbittert geführte politische Diskussion über im Kern technische Fragen hat damit einen parlamentarischen Abschluss gefunden. Ich wundere mich deshalb über Ihre Anfrage.

Warum diese Aufregung? Was ist geschehen?

Wer von außen die Entwicklung beobachtet hat, muss sich wundern. Es ging nicht, wie man anlässlich des leidenschaftlich geführten politischen Schlagabtausches meinen könnte, um eine grundsätzliche Neuregelung der Schifffahrtsförderung. Das hätte zur Stärkung des Seeschifffahrtstandortes Deutschland eine lebhafte politische Debatte verdient. - Nein! Es ging nur um die verfahrensmäßige Ordnung für die Untersuchung von Seeunfällen. Ihre Bedeutung geht eher zurück, denn trotz wachsender Flotte nimmt die Zahl der Unfälle ständig ab. Die deutsche Flotte gehört nämlich zu

den modernsten in der Welt, mit einem sehr niedrigen Durchschnittsalter und einem sehr hohen Sicherheits- und Umweltstandard.

Was regelt das neue Gesetz? - Es wird eine Bundesstelle für eine zentrale Seeunfalluntersuchung in Hamburg errichtet. Diese Stelle soll nicht das Fehlverhalten einzelner Personen prüfen und gegebenenfalls feststellen. Sie soll sich vielmehr auf die Fortentwicklung von Normen oder auf die Verbesserung des Sicherheitsmanagements mit entsprechenden Empfehlungen konzentrieren. Dies entspricht europäischem Recht, internationalen Konventionen und einem modernen Sicherheitsmanagement. Diese Regelung folgt dem weltweit bei der Luftfahrt erfolgreich praktizierten Untersuchungsverfahren durch eine mobile Einsatzgruppe.

Es ging schlicht und einfach um ein technisches Gesetz, also um Fragen, die normalerweise nicht Anlass politischer und schon gar nicht leidenschaftlicher Auseinandersetzungen werden. Die Seeämter werden nicht aufgelöst. Sie bleiben bei verschiedenen Fällen, insbesondere bei Entziehung von Schifffahrtspatenten, weiter eingeschaltet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Es trifft zu, dass die Landesregierung mit dem einstimmigen Beschluss vom 1. Juni 2001 im ersten Durchgang im Bundesrat zunächst eine Ablehnung des Regierungsentwurfs mit herbeigeführt hat. Die Küstenländer hatten in einem gemeinsamen Änderungsantrag vorgetragen, dass der Gesetzentwurf entgegen der Auffassung der Bundesregierung der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Im Übrigen hatten die Küstenländer aber die Gesetzesinitiative grundsätzlich begrüßt, soweit sie das deutsche Recht an internationale Vorgaben anpassen wollte. Sie hatten lediglich einige Änderungen in Bezug auf das Seeunfalluntersuchungsverfahren beantragt.

Zu 2: Im Rahmen der Konferenz der Innenminister und –senatoren der fünf norddeutschen Küstenländer (Nord-IMK) am 6. März 2002 in Bremen wurde in Aussicht genommen, im abschließenden Bundesratsverfahren die Empfehlung auszusprechen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. In ihrer Gesamtheit hat die Landesregierung jedoch dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Zu 3: Zugegeben, die Küstenländer hätten es lieber gesehen, das öffentliche Seeamtsverfahren in stärkerem Umfang beizubehalten. Sie haben deshalb

auch während der späteren Beratungen des Gesetzentwurfs einen vermittelnden Vorschlag unterbreitet, das geltende Seeunfalluntersuchungsgesetz nur zu aktualisieren und nur geringfügige Anpassungen an geändertes internationales Recht vorzunehmen. Dieser Vorschlag fand aber keine Berücksichtigung.

Wir wissen, dass die Seeämter in einer langen Tradition stehen und in der nautischen Gemeinschaft und im maritimen Umfeld fest verwurzelt sind. Die Seeämter können auf eine bisher sehr erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Das Gesetzesverfahren hätte deshalb ein sensibleres Vorgehen vertragen. Die Beteiligten und Betroffenen wurden stattdessen von vornherein mit einem ausformulierten Gesetzentwurf bedacht. Dazu konnten sie schriftlich Stellung nehmen. Aber an dessen Grundsätzen sollte nicht mehr gerüttelt werden. Eine unvoreingenommene Debatte über das zweckmäßigste Verfahren wäre hilfreicher gewesen. Dies jedoch konnte die Landesregierung nicht dazu veranlassen, das nach umfangreichen Anhörungen und langen Beratungen in den Bundestagsausschüssen vom Bundestag beschlossene Gesetz im zweiten Durchgang im Bundesrat zu Fall zu bringen.

Vom Ergebnis her betrachtet kann man ein Untersuchungsverfahren entweder wie bisher oder auch wie zukünftig vorgesehen gestalten. Verfahrensfragen sind Fragen der Zweckmäßigkeit, die zur politischen Leidenschaft vollständig ungeeignet sind. Sie sollten deshalb die leidige Debatte um ein wie auch immer beurteiltes Gesetz beenden und sich den Zukunftsaufgaben des Landes zuwenden.

Anlage 6

Antwort