Protocol of the Session on April 23, 2002

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Harden hat eben sehr umfangreich die Grundzüge dieser Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung dargestellt. Deswegen brauche ich auf die Details nicht mehr einzugehen.

Die CDU-Fraktion begrüßt grundsätzlich die Novellierung der Bauordnung. Wir hätten es uns allerdings in Anbetracht des Umfangs dieses Gesetzentwurfs, der mit Begründung dabei herausgekommen ist - immerhin insgesamt 26 Seiten -, gewünscht, dass wir das etwas eher zur Verfügung gehabt hätten als drei Tage vor der Beratung heute

im Plenum. Das erleichtert in diesem Fall nicht die Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit dieser Änderung sollen auch Änderungen des Bundes- und Europarechts umgesetzt werden, aber auch die Erfahrungen, die wir mit der neuen Bauordnung des Jahres 1995 gewonnen haben. Allerdings wird mit dieser Änderung nicht die angestrebte Harmonisierung der Landesbauordnung erreicht. Es wird sicherlich noch einiges auf sich warten lassen, bis man sich auf Bundesebene einig ist, damit wir wieder zu einer stärkeren Zusammenführung der unterschiedlichen Landesbauordnungen kommen. Es hat sich herausgestellt, dass die unterschiedlichen Rechtsvorschriften in den Bundesländern auch dazu führen, dass Investitionshemmnisse aufgebaut werden.

Die jetzt vorgeschlagene weitergehende Regelung in § 69 a für genehmigungsfreie Wohngebäude hätten Sie allerdings, meine Damen und Herren, schon 1995 haben können, wenn Sie damals auf die weitsichtigen Vorschläge der CDU-Fraktion gehört hätten.

(Beifall bei der CDU)

Insofern ist dieser Teil nichts Neues; das hatten wir schon. Ob sich aber aus der erweiterten Freistellung auch höhere Anforderungen an die Planverfasser ergeben, werden wir auch im Rahmen der Anhörung noch einmal zu prüfen haben.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, aus unserer Sicht einige notwendige Änderungen ansprechen.

Wir finden es richtig und konsequent, dass die vorhabenbezogenen Bebauungspläne mit in den Tatbestand von § 69 a einbezogen werden. Wir begrüßen auch die grundsätzliche Möglichkeit der Übernahme der Bauaufsicht durch die Kommunen mit mehr als 20 000 Einwohnern, ausdrücklich auf Antrag. Wir würden uns allerdings wünschen, wenn auch in anderen Bereichen mehr Vertrauen in die Kommunen vorhanden wäre. Es ist ja nicht nur eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, wenn wir den Gemeinden weitere Aufgaben übertragen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir sie finanziell so ausstatten, dass sie auch in der Lage sind, diese umfangreichen kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen. Daran hat es in den letzten Jahren deutlich gemangelt. Alle

Kommunalpolitiker in diesem Hause werden dem sicherlich uneingeschränkt zustimmen. Ich sehe jedenfalls keinen Widerspruch.

(Beifall bei der CDU)

Dann ist das inzwischen sicherlich auch überall angekommen, dass es bei den Kommunen finanziell sehr eng geworden ist und dass wir mit jeder zusätzlichen Aufgabenübertragung auch sehen müssen, ob wir das den Kommunen zumuten können, ob sie es leisten können, ob sie in der Lage sind, dafür die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zu fragen ist, ob das Baugenehmigungsverfahren so viel an zusätzlichen Einnahmen bringt, dass es daraus finanzierbar ist. Aber da diese Übertragung nur auf Antrag geschieht, ist dabei jede Gemeinde letztendlich ihrem eigenen Glück verpflichtet.

Meine Damen und Herren, bei der Auswertung der Erfahrungen der Genehmigungsfreistellung nach § 69 a - Herr Harden hat es schon gesagt - haben wir einige Erkenntnisse sammeln können, die auf der einen Seite nicht ganz neu waren und auf der anderen Seite nichts mit § 69 a zu tun haben.

Wenn Sie gegen ein bestehendes Gesetz verstoßen wollen, dann können Sie das mit einer solchen Regelung nach § 69 a und auch ohne diesen Paragrafen. Wer Grenzabstände nicht einhalten will, obwohl er sie im Plan so angegeben hat, wird das mit oder ohne gesetzliche Regelung auch so tun oder tun können.

Wir haben insgesamt feststellen können, dass das größte, auch wirtschaftliche Problem die Verletzung von Grenzabständen ist. Das führt dazu, dass wir im Nachhinein vieles nicht sanktionieren und regeln können, weil zwingende Vorschriften nicht eingehalten worden sind und ein großer wirtschaftlicher Schaden entstehen kann, wenn ein bereits mehr oder weniger fertig gestelltes Gebäude abgerissen werden muss, weil die Grenzabstände oder die Baugrenzen nicht eingehalten worden sind.

Deswegen werden wir im Rahmen des weiteren Verfahrens den Vorschlag machen, dass sehr frühzeitig die Einmessung des Gebäudes zu erfolgen hat, also vor der Grundsteinlegung in einer Zeit, in der noch nicht sehr viel an Bauvolumen errichtet worden ist, wo ein möglicher Schaden noch relativ gering ist. Diese frühzeitige Einmessung soll dann gleichzeitig die sonst nach der Fertigstellung notwendige Einmessung ersetzen. Ich meine, das ist

ein vernünftiger Vorschlag, eine vernünftige Regelung, durch die der volkswirtschaftliche Schaden aus solchen Verletzungen grundsätzlich relativ niedrig gehalten wird.

Wir begrüßen auch die Regelung zum barrierefreien Bauen, auch die Regelung, dass Wohnungen rollstuhlgerecht gebaut werden müssen. Ob allerdings die Regelung, dass jede achte Wohnung rollstuhlgerecht ausgestattet sein muss, den Notwendigkeiten und der Nachfrage am Markt entspricht, muss man wohl noch einmal diskutieren und auch von Fall zu Fall sehen. Da mag es in Ballungsgebieten andere Anforderungen geben als im ländlich strukturierten Bereich. Ob in einem Ort mit einigen tausend Einwohnern in einem Achtfamilienhaus gleich Bedarf für eine solche Wohnung besteht, ist heute schwierig zu sagen. Aber der Grundansatz ist schon richtig. Daraus folgt, dass wir keine Gettoisierung von Behinderten und alten Menschen bekommen, dass wir also auch eine Durchmischung zwischen Behinderten und Nichtbehinderten in den Wohnquartieren haben. So gesehen ist das also ein Ansatz, der von uns ausdrücklich begrüßt wird.

Meine Damen und Herren, die Frage ist: Werden durch diese Neuregelung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Planungsämtern so weit von Arbeiten entlastet, dass sie dann noch mehr Zeit haben, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen, was ich natürlich niemandem während der Dienstzeit unterstellen möchte. Aber wir möchten doch überprüfen und sehen, ob wir den Umfang der Nebentätigkeit insbesondere in diesem Bereich noch weiter reduzieren können, damit wir denen, die das gewerbsmäßig machen und davon leben müssen, mehr Möglichkeiten geben, ihren Beruf auszuüben.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt, meine Damen und Herren, sind Sie mit diesem Gesetzentwurf hier auch mit der Maßgabe angetreten, weniger Bürokratie zu erzeugen. Ob das unter dem Strich dabei herauskommen und dabei weniger staatliche Kontrolle erreicht wird, wage ich angesichts zusätzlicher neuer Regelungen nicht nur allein in diesen, sondern auch in vielen anderen Vorschriften ein bisschen zu bezweifeln. Wir haben nämlich festgestellt, dass alles das, was dem Parlament nicht zur Kontrolle obliegt - das gesamte Baunebenrecht, das durch Verordnungen geregelt wird -, inzwischen einen größeren Umfang angenommen hat als die Vorschriften, die wir in der Niedersächsischen Bauordnung haben.

Deswegen können wir an dieser Stelle eigentlich nur an die Landesregierung appellieren, weil es unserer Verfügungsgewalt entzogen ist, sehr, sehr sorgsam mit dem Baunebenrecht und den Verordnungen umzugehen, damit nicht bei dem Arbeitsaufwand, der mit einer Baugenehmigung verbunden ist, die Vorschriften aufgrund der gesetzlichen Grundlagen von den Vorschriften im Baunebenrecht überholt werden. Dann hätten wir das Ziel ein bisschen verfehlt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sagen Ihnen eine konstruktive Mitberatung zu und erwarten aus der vorgesehenen umfangreichen Anhörung weitere für uns hoffentlich auch aufschlussreiche Erkenntnisse, damit wir eine Bauordnung bekommen, die der Praxis dient und die nicht der Selbstverwirklichung von irgendwelchen anderen dient, die praktikabel sein muss, die ein solches Verfahren kostengünstig abwickeln lässt. Aber unsere grundsätzliche Zustimmung ist natürlich kein Freifahrtschein für die weitere Beratung. Wir wollen diese Beratung sehr konstruktiv begleiten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Bauordnungsnovelle zieht aus unserer Sicht falsche Schlüsse aus den Erfahrungen in Niedersachsen mit Freistellung und Prüfeinschränkung. Die unteren Baubehörden beklagen wie wir meinen, zu Recht - die starke Zunahme der Verstöße und der arbeitsintensiven Einsprüche. Viele Petitionen in unserem Ausschuss belegen das allzu häufige Fehlverhalten und die Rechtsunkenntnis der Bauherren und auch der Planer. Die neuen Freiheiten werden zu mehr Rücksichtslosigkeit in der Baukultur genutzt. Die von Ihnen geplante Ausweitung der Prüfeinschränkungsverordnung auf Wohnhäuser bis zu Hochhausgrenze ist vor dem Erfahrungshintergrund geradezu fahrlässig.

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

Alarm sollte für uns allein schon dadurch in diesem Zusammenhang bestehen, wenn wir uns das

weniger reglementierte Ausland ansehen und mit dem vergleichen, was Sie mit dieser Bauordnungsnovelle anstreben, nämlich genau auf das Niveau zu kommen, auf dem andernorts die Bauschäden in einem für uns unbekannten Maße vorhanden sind, wo sogar statische Unsicherheiten in der Substanz da sind, ja wo sogar Gebäude zusammenbrechen.

Deswegen wird in anderen Bundesländern ganz anders, als es Ihre Gesetzesnovelle vorsieht, nicht mehr über Deregulierung in diesem Zusammenhang diskutiert, sondern langsam wächst die Erkenntnis, dass nicht jede deutsche Regelgründlichkeit von Nachteil sein muss. Ich zitiere einmal aus einem Artikel aus Hessen aus der vorigen Woche über eine Anhörung des Ausschusses des Hessischen Landtags über die dortige Bauordnung. Dort heißt es: „Bauordnung fällt bei Experten durch Weniger Rechtssicherheit, weniger Service, höhere Kosten“.

(Decker [CDU]: „Experten“, wer ist das? Wer sind die Experten?)

- Die zähle ich jetzt auf. - Der Bauherrenschutzbund aus Berlin hat dazu gesagt: Wer sich für sein neues Eigenheim über Jahrzehnte verschulde, müsse zumindest Rechtssicherheit haben. - Das sind die kleinen Häuslebauer.

Die großen Wohnungsbauunternehmen haben gesagt: Durch den Verzicht auf das Genehmigungsverfahren liefen die Bauherren stets Gefahr, gegen alte interpretationsbedürftige Bebauungspläne zu verstoßen.

Die südwestdeutsche Wohnungswirtschaft sagt zu dem Vorschlag, der dem niedersächsischen stark ähnelt: Wenn erst nach Fertigstellung eines Bauwerks dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden könne, werde dies auch Kreditgeber und Investoren abschrecken.

Architekten- und Kommunalverbände haben dem hessischen Minister, der das vorgeschlagen hat, was hier jetzt auch Gesetz werden soll, ins Buch geschrieben: Es kann nicht sein, dass die Nachbarn erst von einem möglicherweise rechtswidrigen Bauvorhaben an ihrer Grundstücksgrenze erfahren, wenn die Bagger anrücken. - Das sind die vielen Einsprüche, die unsere unteren Bauaufsichtsbehörden beklagen.

Der Frankfurter Bauaufsichtsamtsleiter Michael Kummer warnt: Es kann nicht gut gehen, wenn

Nachbarrecht, Flucht- und Rettungswege nicht mehr geprüft werden.

Der Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, Bernd Röttger - er ist mir nicht bekannt, wird aber hier zitiert -, kennt sich damit aus und sagt, dass die Kreise zwar keine Genehmigungsgebühren mehr kassieren dürften, aber weiterhin Bauaufsichtspersonal vorhalten müssten, um Widersprüche zu bearbeiten.

Das beschreibt in einem Überblick alles das, was uns auch als Ausschuss berichtet worden ist. Eine Personaleinsparung ist nicht zu verzeichnen gewesen. Eine Arbeitserleichterung gab es nicht, ganz im Gegenteil. Hinterher war im Zusammenhang mit den Einsprüchen und all den Problemen, die damit verbunden waren, mehr zu recherchieren. Was nützt das also, außer dass man sich nach außen die Attitüde der Deregulierung gibt? - Ich bin für Deregulierung. Wir wollen keine Regelungswut.

(Decker [CDU]: Nach dem Motto „Waschen, ohne nass zu machen“!)

Aber ausgerechnet im Baubereich zeigt die Erfahrung, dass das Nachbarschaftsrecht und die Rechte der Eigentümer gegen das Profitstreben geschützt werden müssen, das offensichtlich im Baubereich, gerade auch wegen des Preisdrucks, der unter den Firmen herrscht, aber auch wegen der allzu großen Sparsamkeit der Bauherren herrscht. So haben wir erfahren, dass häufig kein studierter Planer das Bauvorhaben betreut, sondern allenfalls für ein Pauschalhonorar den Bauantrag oder die Bauakte herstellt, aber mitnichten der Bauprozess überwacht oder abgeschlossen wird. Das alles könnte durch die alte, bestehende Baugenehmigungspflicht sichergestellt sein. Sie weiten die Prüfeinschränkung jetzt sogar bis auf die 22 m hohen Gebäude aus. Das ist aus unserer Sicht nicht zu halten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist allerdings richtig, dass Sie in Ihrem Vorschlag einige Modernisierungen vornehmen und alten- und behindertengerechtes Wohnen stärker fordern, dass Sie die zwangsweise Stellplatzabgabe endlich abschaffen wollen, dass Sie vorschlagen, dass die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern übertragen werden können - das ist eine Anpassung an das Verfahren, das bei der Region Hannover schon gefunden worden ist -, und dass

Sie die Bußgelder schlicht verzehnfachen wollen. Das sind tatsächlich Konsequenzen aus den Erfahrungen, die wir vor Ort gesammelt haben. Die wiegen aber mitnichten die Probleme auf, die Sie mit Ihren Regelungserleichterungen auf der anderen Seite schaffen.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Wir werden uns diesen Regelungserleichterungen stark widersetzen und hoffen, dass wir in einer Anhörung hierfür ausreichend Unterstützung bekommen, damit wir eine solche falsche Gesetzesentwicklung noch verhindern können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Herr Kollege Harden hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Herr Kollege Hagenah, das kann so nicht stehen bleiben, wie Sie es hier dargestellt haben. Wenn Sie einmal das Spektrum der Petitionen betrachten, die wir im Ausschuss behandeln, dann betreffen nur ganz wenige den § 69 a. Ansonsten betreffen sie Schwarzbauten und Verstöße, das sind uralte Geschichten. Das zeigt, dass im Baubereich vielfältig gegen geltendes Recht verstoßen wird, zum einen deswegen, weil die Vorschriften so kompliziert sind, zum anderen aber auch deswegen, weil die Bauaufsichtsbehörden ihr Augenmerk nicht überall haben, zum Teil auch deswegen, weil die Bebauungspläne früher nicht so exakt aufgestellt worden sind, wie sie heute aufgestellt werden.