„Er scheint sich und anderen stets beweisen zu wollen, dass er seinen Job kann. Sein Stil hinterlässt Opfer, frustrierte Minister und schweigende Mitarbeiter, die Ärger in sich hineinfressen, statt zu widersprechen. Partei und Fraktion folgen ihm zwar, aber aus Loyalität, nicht aus Begeisterung.“
Diese Analyse erklärt Ihr Problem, das Sie seit Monaten in diesem Hause mit sich herumschleppen. Sie wissen nicht, wem Sie zujubeln sollen, welcher Politik Sie die Hand zu reichen haben. Sie sind orientierungslos und haben keine Verlässlichkeit. Aber die genau braucht unser Land. Ihnen jedoch fehlt sie. Das ist die Wahrheit.
Wie weit man mit solch einem Politikstil kommt bzw. wie wenig man mit einem solchen Politikstil erreichen kann, haben die vergangenen Tage überdeutlich gemacht. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, Herr Möhrmann, dann ist hier festzustellen, dass Niedersachsen mit diesem Vorschlag des Bundesfinanzministers nicht leben kann. Könnten wir als Niedersachsen damit leben, dann würden Sie in diesem Jahr einen Nachtragshaushalt vorlegen, und dann würden Sie auch einen Nachtragshaushalt für das nächste Jahr vor der Wahl vorlegen. Wir haben gestern genau zugehört. Der Ministerpräsident hat gesagt: Wir werden über die Eckpunkte eines Nachtragshaushalts 2003 auch vor der Wahl streiten und diskutieren können. - Das kennen wir. Die Vorlage eines Haushalts für 2003 - nachdem der für 2002 schon marode und unterfinanziert ist - ist allerdings bewusst nicht angekündigt, sondern in der gestrigen Pressekonferenz getoppt worden mit dem Formulierungsvorschlag: Zu der Abgleichung der Kosten zu den auftretenden Defiziten erkläre ich mich nicht. - Das war die Einlassung von Herrn Gabriel. Die ist nun skandalös; denn als Regierungschef hat er die Aufgabe, zu sagen, wie man dieses Problem schultern will.
Sie unternehmen den untauglichen Versuch, die wahre Finanz- und Notstandsproblematik des Landes zu verschleiern. Auch das beabsichtigte Stückeln dieses Betrages im Rahmen einer wie auch immer gearteten Kompromisslinie ist ein vorsätzlicher Verstoß gegen das geltende Haushaltsrecht.
Sie haben das bereits beim gigantischen EXPODefizit gemacht. Sie haben es sogar als „Investition“ und durch Gesetzesänderung als „Verlustausgleich für angebliche Investitionen“ bezeichnet. Eine Obhutspflicht des Finanzministers haben wir damals und auch bei der NORD/LB vermisst. Darauf kommen wir noch bei anderer Gelegenheit zurück.
Uns, Herr Möhrmann, ist negativ aufgefallen, dass der Ministerpräsident gestern meinte, er müsse das noch einmal toppen und sagen, die Opposition freue sich darüber, dass Niedersachsen ein finanzielles Problem habe. Wie tief wollen Sie eigentlich noch in die Schlammgrube der parteipolitischen Auseinandersetzung hinabsteigen, um anderen Demokraten in diesem Hause in dieser Art und Weise die Ehre abzuschneiden? Das will ich Sie einmal fragen.
(Beifall bei der CDU - Möhrmann [SPD]: Da fragen Sie mal den Kolle- gen Möllring! Der ist dafür ja Spezia- list! - Plaue [SPD]: Mit Brandfackeln werfen und dann „Feuer“ schreien! - Mühe [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)
Den Respekt, dass jede Fraktion in erster Linie daran interessiert ist, dem Land zu dienen, sollte man in einer Demokratie gegenseitig aufbringen. Wir haben das Problem, dass wir schlecht regiert werden. Bei uns käme nun aber wirklich niemand auf die Idee, Ihnen deshalb vorzuwerfen, dass Sie sich darüber freuen würden, dass es dem Land schlecht geht.
Wir fragen uns allerdings, wie man sich denn fühlen muss, wenn man solche Ergebnisse vorzuweisen hat. Schaden für das Land in Höhe von hunderten von Millionen hätte abgewendet werden können.
Sie, Herr Minister Aller, sind für unser Land ebenso wie der Ministerpräsident schlichtweg zu teuer. Man kann sich Sie einfach nicht leisten; denn Sie haben dazu beigetragen, dass sich kein einziges
Bundesland in Deutschland in diesem und im letzten Jahr in einer solch desolaten Haushaltslage befindet bzw. befunden hat wie Niedersachsen.
Dieses Problem hat inzwischen eine Dimension angenommen, die uns in letzter Zeit immer häufiger zu der Frage veranlasst: Ist das, was Sie, Herr Wegner und Kollegen, hier tun, moralisch überhaupt noch zu verantworten? Sie nehmen ständig neue Schulden auf. Ständig strecken Sie neue Schulden auf die kommenden Jahre. Sie stückeln und verteilen sie. Ich kann - ich sage das hier mit aller Ausdrücklichkeit und Eindringlichkeit - eine solche Politik seit längerem überhaupt nicht mehr verantworten, weil wir künftige Generationen auf eine Art und Weise belasten, wie wir es ohne Widerspruch der Opposition hier in diesem Hause nicht zulassen dürfen.
Die Spielräume der jungen Generation werden immer weiter beschnitten. Das ist eine unmoralische Politik.
Im Haushaltsvollzug ist nahezu jeder Ihrer Haushalte verfassungswidrig. Uns geht es um die Handlungsfähigkeit, um die Zukunft und um die Existenz unseres Landes Niedersachsen. Die Zukunft unseres Landes, die Unabhängigkeit unseres Landes ist gefährdet, wenn man sich Ihre Haushaltspolitik anschaut.
(Beifall bei der CDU - Dr. Schultze [SPD]: Nicht zu fassen, was Sie da er- zählen! Kann doch nicht wahr sein!)
Wir wissen, dass eine Kurskorrektur, eine Kehrtwende erforderlich ist, dass wir sparsam sein, Maß halten und alle Kräfte mobilisieren müssen. Dazu gehört auch, den Realitäten ins Auge zu schauen.
Die explodierenden Staatsschulden Niedersachsens sind zu einem Würgegriff für eine handlungsfähige Politik geworden. Staatsverschuldung bedeutet
eine steigende Generationenungerechtigkeit und einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip und leistet darüber hinaus auch keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.
Sie haben dazu beigetragen, dass die Zinsen höher sind als die Investitionsausgaben, dass die Nettoneuverschuldung höher ist als die Investitionen. Kein deutsches Bundesland hat ausweislich der Statistik Ihres Bundesfinanzministers seine Landesfinanzen so sehr ruiniert wie Niedersachsen. Danach hat Niedersachsen - gemessen an den Ausgaben - mit 16,4 % das höchste Defizit aller Bundesländer außer Berlin. Das ist der zweithöchste Grad unter 16 Bundesländern. Das ist der größte Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien in Deutschland. Das ist das Resultat Ihrer Finanzpolitik vor der BEB-Entscheidung, wegen der verschiedenen Fehlentscheidungen in der Finanzpolitik Niedersachsens.
Die niedersächsischen Kommunen sind pleite, wie jeder weiß. Sie sind längst nicht mehr in der Lage, die Lebensqualität der Bürger zu sichern. Sie aber verkaufen ein solches Verhandlungsergebnis als Erfolg und meinen, sich damit rühmen zu können, dass Sie die Kommunen daran unterdurchschnittlich beteiligen würden. Mit uns wird es eine Beteiligung der Kommunen überhaupt nicht geben. Sie waren damals nicht daran beteiligt, und sie sind auch jetzt nicht daran zu beteiligen.
Aber Sie betreiben eine Politik im Sinne von Bertolt Brecht: Die einen stehn im Licht, und die andern sieht man nicht. Wenn aber die Lichter ausgehen, sieht man auch Sie nicht mehr. Es ist ein vorübergehender Zustand, wenn man sich noch einmal im Lichte anderer, die im Schatten stehen, sonnen kann. Ist es der Wettstreit der Parteien wirklich wert, ein Land derart in den finanziellen Knock-out zu führen?
Als ich 1994 in den Landtag gewählt wurde, haben wir gesagt: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu tragen.
Herr Schröder hat sich hier hingestellt und gesagt: Da sitzen 67, da sitzen 81. Auf Sie kommt es hier nicht an. Wir haben am 6. Oktober 1994 in einer Sondersitzung - -
(Mühe [SPD]: Nein, Sie machen keine Vorschläge! Sie lamentieren und ma- chen keine Vorschläge! - Weitere Zu- rufe von der SPD)
- Herr Mühe, wenn man nach zwölf Jahren Bilanz zu ziehen hat, steht man mit dem Rücken an der Wand, wenn man solche Zahlen wie Sie vorzuweisen hat. Das ist Ihr Problem, nicht unseres.
Wir haben am 6. Oktober 1994 in einer Sondersitzung zur Finanzlage des Landes einen Ausschuss zur Konsolidierung der Landesfinanzen vorgeschlagen.
Wir haben angeboten, Mitverantwortung zu übernehmen. Wir haben 250 Vorschläge im ersten und 300 Vorschläge im zweiten DoppelhaushaltsAntrag für die damaligen Haushaltsjahre unterbreitet. Sie haben das, ohne mit der Wimper zu zucken, abgelehnt, weil Sie meinten, Sie hätten es nicht nötig, auf Vorschläge der Opposition einzugehen.
Das ist Ihr Problem und nicht unseres. Deswegen sind Sie jetzt in der Situation, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, und nicht wir.
Ihre Ignoranz hat uns in die Schuldenfalle geführt, und aus ihr werden Sie jetzt auch nicht ohne Weiteres herauskommen können, wenn Sie nicht reinen Wein einschenken.
Frau Jürgens-Pieper und Herr Gabriel haben in den letzten Tagen ein Schulgesetz präsentiert: Werte und Normen für muslimische Schülerinnen und Schüler, verlässliche Unterrichtszeiten, mehr Ganztagsschulen, mehr Gesamtschulen, mehr För