Von daher gesehen muss man wissen, dass ein DRG immer einen Behandlungsfall betrifft. Das heißt, auch eine Behandlung in mehreren Kliniken ergibt natürlich nur ein DRG. Das führt dazu, dass viele unserer Kliniken dies einfach nicht mehr werden leisten können. Man hätte doch vorher
wo man nicht Operationen oder ähnliche Dinge am Fließband hat, sondern wo es eine breite Versorgung der Bevölkerung gibt. Das hätte man machen müssen; das wäre sinnvoll gewesen.
Es ist eigentlich ein Trauerspiel, wie das durch den Bundestag und durch den Bundesrat gepeitscht worden ist. Die Regierungsfraktionen haben selbst ernst zu nehmende Kritiker wie Herrn Bruckenberger, der ja unstreitig ein absoluter Kenner der Krankenhauslandschaft ist,
auch nicht ansatzweise gehört. Er hat nämlich in einer Schrift - das können Sie übrigens im Internet nachlesen - eine Wettbewerbsverzerrung durch zunehmende Grauzonenfinanzierung beschrieben, und er hat eine unstrukturierte Privatisierung des Krankenhauswesens beschrieben. Das ist auch völlig richtig. Diese Erfahrung machen wir ja schon jetzt, dass gerade die Häuser von privaten Großklinikkonzernen - so kann man mittlerweile ja sagen - übernommen werden, was dazu führt, dass wir das, was wir nicht wollen, nämlich Rosinenpickerei, bekommen, dass es also zu einer bestimmten sektoralen Auswahl medizinischer Leistungen kommt, aber nicht mehr das Angebot hoch qualifizierter Grundleistungen besteht, die wir unbedingt brauchen, um die Patienten und unsere Bürger zu versorgen.
Das führt zu einer Veränderung der gesamten Landschaft, was ich gar nicht einmal vor dem Hintergrund sehe, dass wir unsere gesamten Krankenhäuser erhalten könnten - das wird gar nicht der Fall sein -, sondern wir werden ja nach vorsichtigen Schätzungen etwa 40 Krankenhäuser verlieren. Wie das in den einzelnen Kreisen - jetzt sage ich mal „Wahlkreisen“ - aussehen wird, können Sie sich selber vor Augen führen. Ich sehe dort Herrn Schwarz aus Bad Gandersheim. Er hat ja nun besonders darunter zu leiden und müsste es besser wissen. Aber ich glaube, manche sind doch beratungsresistent.
Das Problem, das bei diesem System besteht, ist, dass wir einen Menschenversuch mit 16,5 Millionen Patienten und ca. 1 Million Beschäftigten haben. Wir haben ein System, das das ganze Krankenhauswesen industrialisiert. Der größte Vorwurf ist, dass die Menschenwürde und die Humanität zur Wirtschaftlichkeitsreserve werden. Wir bekommen eine Normierung der Behandlungsfälle und der Behandlungsabläufe. Das wird durch die Qualitätssicherungsmaßnahmen und nicht zuletzt durch die Leitlinien unterstützt. Wir werden noch beschreiben müssen, mit welcher Hand das Stethoskop des Arztes geführt wird, mit welcher Hand der Verband angelegt wird, ob von links oder von rechts an das Krankenbett getreten wird. Alles dieses wird in Zukunft der Fall sein, wenn wir weiterhin auf diesem Weg fortschreiten.
Bei den Personalkosten wird es zu einer enormen Steigerung kommen. Der Marburger Bund hat zusammen mit der Gewerkschaft ver.di errechnet, dass wir mittlerweile einen Mangel an Ärzten in der Größenordnung von 15 000 und einen Mangel an Krankenschwestern in der Größenordnung von 20 000 haben. Das hat zusätzliche Kosten von rund 1 Milliarde Euro zur Folge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, DRGs sind nicht der Weg in die Zukunft, jedenfalls nicht auf diese Art und Weise. Wir haben einfach vergessen, dass wir die Humanität im Krankenhaus stärken müssen. Das ist doch auch das, was Sie in Ihren Redebeiträgen immer wieder hervorheben, dass also zu wenig Zuwendung erfolgt. Gerade das kommt unter die Räder. Deshalb kann ich nur herzlich darum bitten, dass man bei den anstehenden Ausschussberatungen umkehrt und überlegt, wie man die einzelnen Dinge so gestalten kann, dass die Menschenwürde wirklich noch im Vordergrund steht. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns hier mit einem zentralen Thema der gesundheitspolitischen Diskussion. Es geht dabei um den größten Ausgabenblock in der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich um die stationäre Krankenversorgung mit bundesweit insgesamt 45 Milliarden Euro, und es geht auch um einen Paradigmenwechsel insofern, als die bisherigen Bedingungen der Krankenhausfinanzierung völlig neu geregelt werden.
Meine Damen und Herren, rufen wir Folgendes in Erinnerung. Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 wurde die Einführung eines diagnoseorientierten Entgeltsystems für die Leistungen der Krankenhäuser beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren war mit einer Fülle von Kommentierungen und Forderungen der Verbände, der Gesellschaften und der Interessengruppen begleitet. Diese waren für die Gesetzgebung kritisch zu prüfen. Einerseits galt es, die mit der Einführung der DRGs verbundenen Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren, und andererseits ging es natürlich darum, die berechtigten Einwände und Hinweise für eine praxisgerechte Gesetzesausgestaltung genau zu prüfen.
Die Selbstverwaltungspartner, die bereits an der Umsetzung des Gesetzes arbeiten, waren es, die sich für die Einführung des australischen Systems in der Bundesrepublik entschieden haben. Wenn es auch durchaus unterschiedliche Positionen zu der Einführung des neuen Fallpauschalensystems gegeben hat, so waren sich doch die meisten darin einig, dass das alte Prinzip der Pflegesatzfinanzierung durch ein neues System abzulösen war.
Erstens. Die Leistungen werden künftig mit Fallpauschalen vergütet und nicht mehr auf der Basis von Pflegesätzen pro Tag. Dadurch werden die Krankenhäuser wirtschaftlicher. Im Januar 1999 standen einer akut-stationären Verweildauer von 9,9 Tagen in Deutschland 5,9 Tage in Österreich oder den USA und 5,5 Tage in Frankreich gegenüber. Das heißt, dass wir noch von Fehlanreizen ausgehen müssen, die es in der Zukunft nicht mehr geben kann. Das Geld folgt der Leistung!
Krankenhäuser, Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen. Qualität wird messbar, und Leistung wird transparent. Der Druck auf die Entwicklung integrierter Versorgungssysteme wird größer werden, und das ist auch gut so.
Zweitens. Bereitschaftsdienste und Überstunden werden abgebaut. Bundesweit steht allein für das Jahr 2003 ein Volumen von 100 Millionen Euro zur Verfügung, mit dem 5 000 neue Stellen geschaffen werden;
Drittens. Im Mittelpunkt dieses neuen Systems stehen die Patientinnen und Patienten. Sie sind es nämlich, die von einer verbesserten Leistungstransparenz und dem Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenhäusern profitieren werden.
Das neue System verhindert auch überflüssige Mehrfachdiagnosen. Es senkt z. B. die Belastung durch unnötig häufige Röntgenuntersuchungen. Die Entwicklung und Bereitstellung des Systems - ich habe das bereits gesagt - übernimmt die Selbstverwaltung, also Krankenkassen und Deutsche Krankenhausgesellschaft. Sie waren es, die sich entschieden haben, die australische DRGKlassifikation dem deutschen Fallpauschalenkatalog zugrunde zu legen.
Meine Damen und Herren, die Einführung dieses umfassend neuartigen Vergütungssystems erfolgt im Rahmen eines lernenden Systems mit stetigen Anpassungsschritten. An der Erstkalkulation der Fallgewichte nehmen seit Anfang dieses Jahres bundesweit 240 und in Niedersachsen 20 Krankenhäuser teil. Das entspricht einem Anteil von ca. 10 %. Erstmalig zur Anwendung kommt das System ein Jahr später. Krankenhäuser können zum 1. Januar 2003 auf freiwilliger Basis auf das neue DRG-System übergehen. Das bietet Möglichkeiten für einen Trainingslauf. Hierzu sind nach Umfragen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft mehr als 70 % der Krankenhäuser bereit, d. h. sie stellen sich auf die Einführung des neuen
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich auf die in der Großen Anfrage geäußerten Sorgen eingehen. Die Stichworte sind „Verdrängungswettbewerb“ und „flächendeckende Versorgung“. In einem Flächenland wie Niedersachsen sind diese Sorgen besonders ernst zu nehmen, und es waren natürlich auch meine Sorgen.
Wir sind im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere durch das Verfahren im Vermittlungsausschuss, an dem Niedersachsen in bedeutender Weise mitgewirkt hat, dazu gekommen, noch einige - ich sage einmal - länderfreundliche Änderungen mit einzubauen. Lassen Sie mich einige davon herausgreifen, die bei der Umsetzung von großer Bedeutung sein werden.
Erstens. Um eine flächendeckende Versorgung gerade in dünn besiedelten Gebieten weiterhin sicherzustellen, können die Länder zukünftig vom Katalog der Mindestmengen an Leistungen abweichen.
Zweitens. Das Gesetz sieht Sicherstellungszuschläge vor. Dafür werden die für das DRG-System zuständigen Spitzenverbände bundesweit einheitliche Maßstäbe vereinbaren, von denen die Länder nunmehr für ihre spezifischen Bedingungen Abweichungen vorsehen können.
Drittens. Es wird eine Begleitforschung zu den Auswirkungen des neuen Vergütungssystems geben. Berücksichtigt werden dabei auch die Auswirkungen auf den ambulanten Versorgungsbereich, um einen gegebenenfalls entstehenden Anpassungsbedarf erkennen und abschätzen zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie erkennen, dass versucht wurde, ein neues System mit Maßnahmen so zu flankieren, dass es nicht zu unerwünschten Friktionen und Nebeneffekten kommt. Mit diesen und weiteren Regelungen schafft das Gesetz also einen Kompromiss zwischen den Interessen der Länder und des Bundes, also vereinfachend gesagt: zwischen flächendeckender Krankenhausversorgung und Beitragsstabilität. Ich werde als zuständige Landesministerin den Prozess der Einführung des Fallpauschalensystems sehr sorgfältig begleiten und beobachten. Unerwünschte Nebeneffekte aufgrund dieses neuen
Systems werde ich gegebenenfalls zum Anlass nehmen, mich mit Kolleginnen und Kollegen anderer Länder, die ebenfalls diese Erfahrung machen, auszutauschen und gegenüber dem Bund aktiv zu werden. Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass das Konzept der kooperativen Regionalisierung vom Land weiter vorangetrieben wird. Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einführung von Leistungspauschalen für den Krankenhausbereich ist eine Forderung, die in der gesundheitspolitischen Debatte seit Jahren erhoben wird. Insofern bin ich ein bisschen verwundert über das, was Dr. Winn vorgetragen hat,
der ganz offensichtlich dann, wenn es konkret wird und wenn man zu seinen Entscheidungen stehen müsste, Angst vor der eigenen Courage bekommt. Es wäre gut, Herr Dr. Winn, wenn Sie in Ihrem Beitrag deutlich gemacht hätten, was Ihre Alternative zu der Einführung von Fallpauschalensystemen gewesen wäre.
Dass in der gesundheitspolitischen Debatte weitgehend Einigkeit darüber bestanden hat, dass wir ganz andere Vergütungssysteme brauchen, hat natürlich etwas damit zu tun, dass der größte Leistungssektor, nämlich der stationäre Bereich, völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Jede Analyse hat deutlich gemacht, dass das auch mit Fehlanreizen und Fehlsteuerungen zu tun hat. Ich finde, es ist unsere verdammte Pflicht, bevor wir mehr Geld in das Gesundheitssystem geben, zu prüfen, wie Fehlsteuerungen und Fehlanreize korrigiert werden können. Ich bin der festen Überzeugung, dass von der Struktur her genau das Fallpauschalensystem geeignet ist, um Korrekturen vorzunehmen. Wir alle kennen doch die Beispiele, dass Patientinnen und Patienten zum Wochenende ins Krankenhaus eingewiesen und über das Wochenende im Krankenhaus belassen werden. Es geschieht dann - das wissen Sie, Herr Dr. Winn - therapeutisch sehr
wenig. Angesichts der Kosten, die uns aus dem Ruder laufen, frage ich Sie, ob wir eine Krankenhauseinweisung wirklich nur mit der menschlichen Zuwendung begründen können. Ich meine, wir müssen uns andere Systeme einfallen lassen.