Protocol of the Session on March 13, 2002

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU hatte nur einen Satz beantragt, nämlich die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes abzulehnen. Sie wissen, dass wir über nichts anderes entscheiden als über die Entschließung und nicht über die Begründung. Insofern konnte es gar keine Auseinandersetzung um die einzelnen Punkte geben.

(Jahn [CDU]: Was?)

Für Verwirrung hat allerdings in der gesamten Phase der Innenausschussberatungen die SPD gesorgt, und das Verwirrspiel wird in diesem Plenum weitergetrieben. Gestern hält der Fraktionsvorsitzende Plaue eine Brandrede für das Zuwanderungsgesetz, und heute wird hier so getan, als wür

de die SPD inhaltlich die Punkte der CDU ablehnen.

Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Verfahren, das Verhalten der SPD in Niedersachsen und das der Landesregierung, nachvollziehen wollen, dann müssen wir uns inhaltlich den Antrag ansehen, den Innenminister Bartling im Bundesrat gestellt hat. Wegen meiner kurzen Redezeit kann ich nur ein paar Punkte daraus anführen.

In diesem Antrag steht ganz deutlich als erster Punkt: Die Niedersächsische Landesregierung lehnt die europäischen Mindestnormen für Asylverfahren ab. - Das ist die Einleitung dieses Antrags, der ja nur aus kosmetischen Gründen nicht mehr gemeinsam mit Bayern gestellt worden ist.

Weiter geht es mit: Niedersachsen möchte beschleunigte Verfahren im Transitbereich von Flughäfen. - Das ist eine Position, die weit von der Politik der rot-grünen Bundesregierung entfernt ist. - Asylentscheidungen sollen zukünftig direkt von Grenzbehörden getroffen werden.

Dann geht es weiter mit der verbindlichen Festlegung der sicheren Drittstaaten und sicheren Herkunftsländer. - Auch das ist ein Punkt, den die CDU gefordert, aber die SPD im Innenausschuss abgelehnt hat. Vom Innenminister - der dann hier wieder dafür gelobt wird - wird er im Bundesrat aber genau so beantragt.

Der Innenminister hat im Bundesrat ferner beantragt, auch im Bereich der sozialen Leistungen alle von der EU vorgeschlagenen Mindestnormen abzulehnen. Er sagt deutlich: Niedersachsen möchte die Festschreibung des Sachmittelmodells nach Asylbewerberleistungsgesetz, und Niedersachsen bleibt dabei: Der Zugang von Asylbewerbern und auch Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt bleibt eine nationale Entscheidung.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, hier wird doch für Verwirrung gesorgt, und es wird eine gespaltene Politik gemacht. Die SPD-Vertreter im Innenausschuss waren überrascht, als sie von mir darüber informiert wurden, welche Politik der Innenminister im Bundesrat seit Wochen und Monaten zusammen mit Bayern betreibt: inhaltlich gegen das rot-grüne Zuwanderungsgesetz gerichtet.

Auch in der Frage des Kindernachzugsalters hat der Innenminister im Bundesrat eher die Auffas

sung der CDU als das vertreten, was die SPD im Innenausschuss gesagt hat.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen im Innenausschuss zweimal mit einem grünen Antrag ein inhaltliches Angebot gemacht und Sie gebeten, doch einmal zu formulieren, welche Position die SPD-Fraktion in diesem Landtag zum Zuwanderungsgesetz eigentlich hat. Bis heute - ein Jahr ist inzwischen vergangen - haben Sie es nicht einmal geschafft, zu definieren, welche Politik Sie vertreten. Zur Bundesratsinitiative - früher Bayern/Niedersachsen, dann inhaltsgleich Bayern -, die der Innenminister im Bundesrat vertreten hat, haben Sie geschwiegen. Und jetzt wundern Sie sich, wenn die Grünen von Ihrer inhaltlichen Nichtpositionierung enttäuscht sind und die CDU nicht mehr versteht, dass ihre Anträge im Innenausschuss abgelehnt werden, der Innenminister im Bundesrat aber nichts anderes macht, als inhaltsgleiche Anträge zu stellen, die von der Sache her weit vom rot-grünen Zuwanderungsgesetz entfernt gewesen sind.

Aber vielleicht kann der Innenminister wenigstens deutlich machen, was die Position der Landesregierung in der spannenden Frage des Vermittlungsverfahrens ist. Ich würde mich freuen, wenn aus Niedersachsen die klare Aussage kommt, dass Niedersachsen einem Vermittlungsverfahren nicht zustimmen wird. Dann hätten wir wenigstens in einem Punkt der niedersächsischen Politik Klarheit. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Biallas hat noch für 26 Sekunden das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Stokar hat eben in beeindruckender Weise dargelegt, dass das eigentliche Problem in dieser Debatte ist, dass man nicht weiß, wofür die SPD steht. Das ist richtig. Das war der erste Punkt.

(Beifall bei der CDU - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Da sind wir uns einig!)

Zweiter Punkt: Es ist in dieser Frage außerordentlich bedauerlich, dass in diesem Haus nicht der

Innenminister, sondern die SPD die Mehrheit hat. Sonst kämen wir weiter.

(Beifall bei der CDU)

Dritter Punkt: Zu dem, was der Kollege Harden gesagt hat, muss ich sagen: Er hat es zwar richtig vorgelesen, aber das ist eine ungeheuerliche Entgleisung. Wir als CDU lassen uns nicht in den rechten Rand drängen. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Da seid ihr doch schon!)

Als letzten Punkt - ich habe noch 15 Sekunden; ich muss ja schnell machen - will ich Ihnen noch eines sagen: Angesichts einer Zahl von mehr als 4 Millionen Arbeitslosen ist mit der CDU ein Zuwanderungsgesetz, das die Zuwanderung nicht begrenzt und nicht regelt, nicht zu machen. Damit das hier klar ist! - Jetzt bin ich fertig mit meiner Rede.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Innenminister Bartling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Biallas, dass Sie sich schon durch die recht maßvollen Aussagen meines Kollegen Harden an den rechten Rand gedrängt fühlen, verwundert mich nun doch etwas. Aber das mag ja durchaus Ihr Empfinden sein.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stokar, ich will gerne auf Ihre Frage nach der Haltung der Landesregierung zu dem Vermittlungsverfahren eingehen und dabei einige wenige Sätze zu dem Zuwanderungsgesetz sagen. Wir haben nicht die Absicht, uns einem Vermittlungsverfahren anzuschließen, sondern wir möchten eine Entscheidung in der Zuwanderung herbeiführen.

Ich möchte aber gerne einige wenige Dinge zu dem sagen, was Sie zu dem europäischen Asylrecht ausgeführt haben. Es ist richtig, dass wir uns kritisch mit den Vorschlägen aus Brüssel für ein einheitliches europäisches Zuwanderungsrecht auseinander setzen; denn die europäische Flüchtlings-, Asyl- und Einwanderungspolitik berührt massiv die Belange der Länder. Die Länder müssen ihre

gemeinsame Position daher frühzeitig der Bundesregierung und den europäischen Stellen deutlich machen. - Da machen wir eigenständige niedersächsische Positionen deutlich und nehmen nicht das vorweg, was auf rot-grüner Bundesebene vielleicht als Kompromiss erarbeitet wird.

Aus diesem Grunde hat die Niedersächsische Landesregierung gemeinsam mit Bayern eine Entschließung des Bundesrates vorbereitet, in der die Position der Länder zur Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in Europa umfassend und ausführlich dargelegt wird. Die Bundesregierung soll damit in die Lage versetzt werden, die Interessen der Länder gegenüber Europa wirkungsvoll zu vertreten. Der Inhalt der Entschließung ist in den Ausschussberatungen im Einzelnen ausführlich erläutert und erörtert worden.

Deshalb will ich mich auf die Fragestellung beschränken, dass es gute Gründe gibt, im gesamten Raum der EU für Asylsuchende gleiche Regelungen für Aufnahme, Aufenthalt und Aufenthaltsbeendigung zu schaffen. Ein einheitliches Asylsystem liegt im deutschen Interesse, weil dadurch eine gleichmäßige Verteilung der Lasten auf alle Mitgliedsländer erreicht und eine unkontrollierte Binnenwanderung verhindert werden. Notwendig ist ein weitgehend angeglichenes, schnelles, rechtsstaatlichen Ansprüchen genügendes Asylverfahren, das keinen Anreiz zur Zuwanderung aus asylfremden Gründen bietet. Die Verpflichtung zur Asylgewährung darf nicht zu einem Instrument werden, das Zuwanderung nach Europa ermöglicht.

Außerordentlich kritisch betrachte ich jedoch eine Zuständigkeit der EU für die Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt, der so genannten Arbeitsmigration. In diesem Bereich sollte es weiterhin im politischen Ermessen der Mitgliedstaaten bleiben, aufgrund ihrer jeweiligen speziellen Situation insbesondere im Hinblick auf die geografische Lage und den regionalen Arbeitsmarkt selbst über Zahl und Profil der Zuwanderer zu entscheiden.

Bei der Haltung der Länder gibt es größte Übereinstimmung. Lediglich in zwei Punkten liegen die Auffassungen der SPD- und der CDU/CSUregierten Länder auseinander. Die SPD-Länder halten die Auffassung der Bundesregierung zur Schutzgewährung bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie beim Familiennachzug für richtig, während die CDU/CSU

regierten Länder einen einschränkenden Entschließungstext vorschlagen.

Meine Damen und Herren, das zum europäischen Teil. - Ich will aber gerne auch noch einige wenige Worte zum Zuwanderungsgesetz sagen, da ich nicht müde werde, auch hier im Landtag - und zwar auch, wenn wir es nicht zu entscheiden haben - für die schnelle Umsetzung eines Zuwanderungsgesetzes zu werben. Der Kollege Harden hat zum Ausdruck gebracht, dass das, was die CDU im Großen und Ganzen sagt - „ihr ermöglicht durch dieses Gesetz zusätzliche Zuwanderung“ -, ein Phantom ist, also das, was Sie dort diskutieren, meine Damen und Herren. Es stimmt einfach nicht. Schon der Gesetzestext gibt das nicht her.

(Biallas [CDU]: Genau der gibt es her! - Schünemann [CDU]: Sie sollten das Kleingedruckte lesen!)

Sie stellen Vermutungen und Unterstellungen an.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen noch einmal schildern, wie die Situation zurzeit ist. Wir haben eine völlig unkontrollierte Zuwanderung, nämlich durch nachziehende Familienangehörige, durch Asylsuchende und durch Spätaussiedler. Das sind die drei Gruppen. Wir bedürfen der Begrenzung und der Steuerung der Zuwanderung. Ich wundere mich, dass die CDU nicht bereit ist zur Kenntnis zu nehmen, dass dies von allen großen gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland gefordert wird. Nur Sie lehnen das ab.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen auch noch einmal vorhalten, was Herr Harden Ihnen eben schon gesagt hat. Wenn wirklich Ihre einzige Angst ist, dass zu viele Menschen zu uns kommen und Sie begrenzen wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag auf Begrenzung des Zuzugs von Spätaussiedlern zu!

(Beifall bei der SPD)

Die größte Gruppe der Zuwanderer sind jährlich 100 000 Spätaussiedler, von denen wir inzwischen wissen, dass 75 bis 80 % mitreisende Familienangehörige und nicht Deutschstämmige sind. Dafür ist das Vertriebenengesetz damals nicht gemacht worden,

(Zustimmung bei der SPD)

sondern es war für die Deutschstämmigen, die zu uns kommen wollten. Meine Damen und Herren, Sie kennen die gesellschaftlichen Probleme, die damit auftreten. Falls wir zu einer solchen Regelung kämen, wie ich sie vorgeschlagen habe, hätten wir die Möglichkeit, diesen Personenkreis auf ungefähr 10 % zu reduzieren. Wenn wir die Mittel in den Kommunen auch dafür nutzen könnten, um die Integration der hier Befindlichen zu verbessern, dann würden wir etwas für Integration tun.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung beendet.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zu Punkt 13. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3166 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2931 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Punkt 14. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3169 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2932 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag so angenommen worden.