Protocol of the Session on March 13, 2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde über den Gesetzentwurf der rotgrünen Bundesregierung betreffend Zuwanderung gesprochen. Heute geht es im Grunde genommen um die inhaltliche Festlegung bei der Frage, welche Fraktion zu diesem Zuwanderungsgesetz welche Position einnimmt. In der Kürze der Zeit kann ich hier nicht alle Themen ansprechen.

Insofern möchte ich mich zunächst einmal dem ersten Antrag zuwenden, in dem es um die Ausweitung des Asylrechts im Rahmen der Europäischen Union geht. Ich gebe der SPD insofern Recht, als wesentliche Punkte, die dort ursprünglich vorgesehen waren - die Aufhebung der so genannten Flughafenregelung und die Aufhebung der Drittstaatenregelung, wie wir sie im Asylkompromiss aus dem Jahr 1993 festgelegt hatten -, im Moment deshalb nicht greifen, weil sich der Ministerrat und auch der Europäische Gipfel zunächst einmal dafür ausgesprochen haben, diese Dinge neu zu beraten und nicht so umzusetzen. Ich habe mir in Brüssel sagen lassen, dass sich die Freude über den Beschluss des Ministerrates in Grenzen gehalten hat. Es war beabsichtigt, eine europäische Regelung zu erlassen, mit der wesentliche Teile des deutschen Asylrechtes verändert und aufgeweicht worden wären. Wir sind froh darüber, dass dies verhindert werden konnte.

Gleichwohl will ich ganz deutlich sagen, dass wir nicht begeistert davon sind, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, unseren Antrag im Ausschuss für erledigt erklärt haben. Richtig wäre es aus unserer Sicht gewesen, wenn die in unserem Antrag aufgeführten Punkte beibehalten worden wären, die ja darauf abzielen, wesentliche Elemente des deutschen Asylrechts in der Form zu erhalten, in der sie beide großen Parteien im Zusammenhang mit dem Asylkompromiss erarbeitet haben. Deshalb wäre es aus unserer Sicht vernünftig, diesen Antrag nicht für erledigt zu erklären,

sondern ihn auf der Agenda der politischen Betrachtung zu belassen, da wir doch alle wissen, dass in Kürze erneut über diese Fragen beraten werden wird. Anerkennenswert ist in der Tat, dass wir gemeinsam eine Aufhebung der aus unserer Sicht wesentlichen Punkte, die wir in Deutschland und in Niedersachsen übereinstimmend für richtig gehalten haben, durch Europa verhindern konnten.

Ich wende mich jetzt dem zweiten Antrag zu. Dieser bezieht sich auf den Gesetzentwurf der rotgrünen Bundesregierung. Außerdem geht es um die Frage, was die Forderungen der Union mit Blick auf einen möglichen Kompromiss bedeuten. Zunächst einmal muss ich Ihnen sagen, dass ich darüber sehr verwundert bin, dass SPD und Grüne diesen Antrag abgelehnt haben. Ich bin insbesondere deshalb so sehr darüber verwundert, weil wir in der gestrigen Debatte von Vertretern der SPD gehört haben, dass in den veränderten Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung angeblich nahezu alle von der CDU in die Diskussion gebrachten Punkte eingearbeitet worden seien. Wenn dem tatsächlich so ist,

(Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: Dann könntet ihr doch zustimmen!)

wundere ich mich darüber, warum Sie diese Punkte im Ausschuss abgelehnt haben. Eigentlich hätten Sie sagen müssen: Wir stimmen diesen Punkten zu,

(Beifall bei der CDU)

weil sie ja schon in den veränderten Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung eingeflossen sind.

Ich möchte jetzt nicht die Debatte erneuern und wiederholen, die wir schon aus dem Deutschen Bundestag kennen, sondern ich möchte nur auf zwei Aspekte eingehen, die aus unserer Sicht besonders bedenkenswert sind im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen ein Gesetzentwurf zum Zuwanderungsrecht auf das Land Niedersachsen haben wird. Diese Frage hat für uns besondere Bedeutung. Inwieweit werden durch einen solchen Gesetzestext die Kommunen betroffen?

Als Erstes möchte ich die Integration ansprechen. Wir alle sind uns darin einig, dass vordringlich Maßnahmen ergriffen werden müssen, die sicherstellen, dass schon lange hier lebende Ausländerinnen und Ausländer tatsächlich in unsere Gesellschaft integriert werden. Ungeklärt - dies muss uns als Mitglieder des Landtags wirklich nachdenklich stimmen - ist allerdings die Frage, wer die Integra

tionsmaßnahmen letztendlich bezahlen soll. Ich kann Ihnen diesbezüglich ganz deutlich sagen: Nach dem Gesetzentwurf werden am Ende wieder die Kommunen die Lasten zu tragen haben. So etwas ist mit uns aber nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte einen zweiten Aspekt ansprechen, der nach wie vor Gegenstand des so genannten Kompromissgesetzentwurfs ist. Es soll etwas geändert werden, was sich bisher aus unserer Sicht bewährt hat. Asylbewerber, deren Aufenthaltsrecht noch nicht endgültig geklärt ist mit der Folge, dass sie noch keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, sollen ihre Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung steht aber, dass nach 36 Monaten nicht mehr Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden sollen, sondern der normale Sozialhilfesatz. Das aber wird zu einer gewaltigen Steigerung der Sozialhilfeausgaben führen, die dann die Kommunen zu verkraften haben werden. Auch das lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Frage, inwieweit jetzt ein Druck besteht, das Zuwanderungsgesetz zügig zu verabschieden, kann man in der Tat unterschiedlich beurteilen. Wenn uns aber vonseiten der SPD und der Grünen vorgeworfen wird, es gehe uns darum, dieses Gesetz zu verzögern, damit auch die Integration zu verzögern, die Zuwanderung nicht zu regeln, kann ich nur sagen: Allein diese beiden Punkte, die ich angesprochen habe - es gibt noch viele andere -, sind eines intensiven Nachdenkens nicht nur wert, sondern ich glaube, wir als Landtag sind, insbesondere auch im Interesse der Kommunen, dazu verpflichtet, hierüber nachzudenken.

(Zustimmung von Jahn [CDU])

Zum Abschluss will ich noch eines sagen. Ein Zuwanderungsgesetz wird nur dann erfolgreich sein können, wenn wir auch eine breite Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugen, dass es schlüssig und sinnvoll ist. Solange die Akzeptanz in einem großen Teil der Bevölkerung nicht hergestellt ist, wird es schwierig sein, das zu erreichen, was wir alle wollen, nämlich die Integration der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Integration lässt sich nur mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger verwirklichen, meine Damen und Herren.

Deshalb bitte ich darum, dass wir aufgrund dieser Punkte und aufgrund anderer Punkte, die ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht ansprechen konnte, noch einmal in einen vernünftigen Dialog über dieses Gesetz eintreten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es spricht jetzt der Abgeordnete Harden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Biallas, fast könnte man meinen, Sie haben schon eine Menge Kreide geschluckt. Das, was Sie gesagt haben, war in weiten Bereichen recht wohltuend und hob sich von dem ab, was sonst von der Bundesebene zu hören ist.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Gestern so, heute so!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Asylrecht, Ausländerrecht und Zuwanderung beschäftigen uns in diesem Landtag ständig. In immer neuen Variationen bringen beide Oppositionsparteien Anträge zur Diskussion, wobei sich der Regelungsgehalt in der Regel dem direkten Zugriff des niedersächsischen Gesetzgebers entzieht. Es geht meistens um Bundesrecht oder sogar um europäisches Recht, wie in dem ersten vorliegenden Antrag der CDU. Bereits bei der Einbringung habe ich prophezeit, dass dieses Thema bei der niedersächsischen Landesregierung in guten Händen ist, und in intensiven Diskussionen haben wir das bestätigt gefunden. Wir haben Sie in Zusammenarbeit mit den Fachbeamten des Innenministeriums fast davon überzeugen können, dass dem tatsächlich so ist. Aus diesem Grund hat der Innenausschuss dann auch empfohlen, den Antrag für erledigt zu erklären. Nun haben Sie gesagt: Es bleibt auf der Agenda. Ich kann Ihnen erwidern: Wenn es auf der Agenda bleibt, bleibt es weiterhin bei dieser Landesregierung und bei diesem Innenminister in guten Händen.

(Beifall bei der SPD)

Also können wir feststellen: In diesem Bereich herrscht weitgehend Übereinstimmung zwischen den beiden großen Fraktionen und übrigens auch mit den Grünen. Wenn die CDU-Fraktion wirklich ehrlich wäre, könnte man das auch beim Thema Zuwanderungsgesetz feststellen. Herr Kollege

Biallas, Sie haben sich eben im Prinzip nur auf die beiden Punkte Integrationskosten und Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zurückgezogen. Im Gesetz steht, dass die Dauer von Asylverfahren deutlich verkürzt werden soll.

(Zuruf von der CDU)

- Jetzt sind sie natürlich auch schon sehr kurz. 36 Monate werden nicht mehr der Normalfall sein. Die Dauer wird kürzer sein. - Wenn die CDUFraktion, wie gesagt, ehrlich wäre

(Jahn [CDU]: Wir sind immer ehr- lich!)

und wenn dieses Zuwanderungsgesetz hier zur Abstimmung stünde, könnte sie ihm zustimmen. Sie könnte ihm zustimmen, wenn da nicht die Bundestagswahl am 22. September wäre und wenn es nicht den Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber gäbe. Der hat nämlich Sie, die CDU, zur Opposition und in weiten Bereichen leider auch zur Obstruktion vergattert. Sie dürfen diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht Ihre Zustimmung erteilen.

(Zurufe von der CDU: Na, na!)

Sie dürfen deswegen nicht dafür sein, weil die Verabschiedung des Gesetzes ein weiterer Erfolg der Regierung Schröder nach der Steuerreform und nach der Rentenreform wäre. Das ist der Punkt. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD - Schünemann [CDU]: Das war aber auch der einzige Erfolg!)

Mit dieser verqueren Logik werden Sie nicht durchkommen. Schon die Überschrift Ihres Antrages - „Erhöhte Zuwanderung ohne Begrenzung und Steuerung“ - ist pure Polemik ohne Substanz und Gehalt.

(Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: So ist es!)

Sie reden von 4,3 Millionen Arbeitslosen und suggerieren, deshalb dürfe nicht ein einziger Ausländer zusätzlich ins Land, weil er nämlich den Deutschen die Arbeit wegnähme. So schlicht, wie Sie es glauben machen wollen, geht es nicht. Entscheidend für die Zulassung von Zuwanderung soll nach dem Gesetzentwurf die Situation auf dem Arbeitsmarkt sein, und zwar nicht nur insgesamt, sondern auch regional. Es wird danach also weiterhin

Greencard-Spezialisten aus dem Ausland geben, die bei uns Mangelware sind. Es wäre auch möglich, den Notstand in bestimmten Bereichen unseres Landes, z. B. in den pflegerischen Berufen, mit Arbeitsmigranten zu bekämpfen. Wohlgemerkt: Es geht um Bereiche, in denen der deutsche Arbeitmarkt die Nachfrage mittel- oder langfristig nicht bedienen kann. Das wollen Sie nicht.

Den Ehegattennachzug bei Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention wollen Sie auch nicht. Den Nachzug von Kindern bis zum Alter von 14 Jahren - bei Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention - wollten Sie nicht. Nun ist man Ihnen entgegengekommen und hat gesagt: Wir können das Nachzugsalter senken. - Aber noch immer wollen Sie diesen Nachzug nicht. Die Offenheitserlaubnis bei geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung wollen Sie nicht, obwohl die Flüchtlinge in aller Regel aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden.

Das, was ich eben angeführt habe, nennen Sie „erhöhte Zuwanderung ohne Begrenzung und Steuerung“. Die Zahlen sind vernachlässigbar klein. Deshalb nennen Sie auch keine, sondern haben sich in Ihrer Rede auf die Kosten für Integration und auf die Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen.

Ich nenne den Gesetzentwurf ein bisschen Humanität, ein bisschen arbeitsmarktpolitische Vernunft und ein bisschen staatlichen Egoismus. Wir möchten nämlich gerne die hier behalten, die uns aufgrund ihrer guten Ausbildung nützen und weil Deutsche in diesen Fällen nicht zu leisten im Stande sind, was gemacht werden muss.

Wenn Sie ehrlich wären und wirklich etwas gegen erhöhte Zuwanderung tun wollten, die uns ja wirklich Probleme bereitet, dann würden Sie uns folgen, und zwar in dem Bereich Aussiedler. Jährlich kommen rund 200 000 Asylbewerber, Flüchtlinge und Spätaussiedler zu uns. Es sind mehr Spätaussiedler als Asylbewerber. Die Sprachprobleme, die Integrationsprobleme sind die gleichen.

Wir streben an, die Zahl der Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR deutlich zu begrenzen und damit den Menschen, den Kommunen und uns selbst bei einer erfolgreichen Integration zu helfen. Das muss nämlich besser werden, als es in den letzten zehn Jahren gemacht worden ist.

Das Zuwanderungsgesetz regelt auch die Integration und verpflichtet den Bund zu deutlichen finan

ziellen Anstrengungen. Das ist nur positiv. Damit wären wir ein Stück weiter, wobei wir - da gebe ich Ihnen Recht - dann noch nicht ganz am Ende wären.

Wenn Sie ehrlich wären, wenn Sie die Integration verbessern wollten, wenn sie die Zuwanderung wirklich begrenzen wollten, wenn Sie sie steuern und regeln wollten, dann müssten sie uns folgen, das Zuwanderungsgesetz begrüßen, die Zuwanderung der Spätaussiedler deutlich reduzieren und die Integration merklich verbessern. Das wollen Sie nicht. Sie wollen über den Sommer den Menschen Angst machen mit angeblich unbegrenzter Einwanderung. Das ist das, was Sie können. Das haben Sie in Hessen schon bewiesen. Sie versuchen, das hier nachzumachen. Das können Sie: Angst schüren und Ihren kleinen parteipolitischen Vorteil suchen, indem Sie am rechten Rand des politischen Spektrums fischen gehen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Na, na!)

Ich prophezeie Ihnen: Sie werden nicht fischen gehen, Sie werden baden gehen bei diesem Versuch, und die SPD-Fraktion wünscht Ihnen dabei eine wirkungsvolle Abkühlung am 22. September.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Frau Stokar von Neuforn!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU hatte nur einen Satz beantragt, nämlich die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes abzulehnen. Sie wissen, dass wir über nichts anderes entscheiden als über die Entschließung und nicht über die Begründung. Insofern konnte es gar keine Auseinandersetzung um die einzelnen Punkte geben.