sämtliche Verbände im Bildungsbereich sind gegen diese Novelle, die Eltern sind gegen diese Novelle, die Kommunen sind gegen diese Novelle, und insbesondere die allermeisten Sozialdemokraten sind gegen diese Novelle.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Zurufe von SPD: Oh, oh! - Wulf (Oldenburg) [SPD]: Unsinn!)
Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, kommen Sie doch einmal zu einer der vielen grünen Veranstaltungen irgendwo in diesem großen Land
und beobachten Sie wie ich mit Staunen die große Anzahl der Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, die diese Veranstaltungen besuchen und die
Außerdem sagen sie mir: Beim nächsten Mal wird die SPD nicht mehr die Alleinregierung haben. Unsere Hoffnungen ruhen auf Ihnen, dass Sie dafür sorgen, dass die Förderstufen nicht zu Eingangsstufen der weiterführenden Stufen werden. - Diese Sozialdemokraten haben noch im Kopf, dass es um Chancengleichheit geht und dass man Chancengleichheit nicht verwirklicht, indem man die Förderstufen an die weiterführenden Schulen anbindet und damit die Kinder ein Jahr früher, als es jetzt der Fall ist, voneinander trennt.
Förderstufe sei Programm, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Fördern soll die Förderstufe. Dazu bekommt sie zusätzliche Kapazitäten. Wir alle fragen uns zwar, woher, aber es soll passieren. Irgendwie soll sie ja auch verlässlich werden. Es ist aber nicht geklärt, wie sie verlässlich wird. Wir können nur hoffen, dass sie das wird.
Fördern könnte man mit diesen zusätzlichen Kapazitäten aber auch in der jetzigen Orientierungsstufe. Die Orientierungsstufe hat ja auch darunter gelitten, dass sie Drehscheibe für die Versetzungen von Lehrerinnen und Lehrer war, dass das Karussell immer über die Orientierungsstufe lief und dass sie, wie alle anderen Schulstufen auch, Förderstunden gestrichen bekommen hat. Nun gibt es also neue. Diese könnte es aber auch in der OS geben. Lehrkräfte aller Schulformen sollen in der Förderstufe unterrichten. Das ist in der Orientierungsstufe auch schon der Fall. In Förderverbänden sollen Schulen zusammenarbeiten. Das könnte man auch dann machen, wenn man die Orientierungsstufe hätte, oder wenn man das täte, was wir wollen, nämlich die 5. und 6. Jahrgänge an die Grundschule anbindet. Das ist auch nötig. Wahrscheinlich müsste man dazu gar nicht das Schulgesetz ändern, denn im Schulgesetz steht allgemein, dass die Schulen einer Region miteinander zusammenarbeiten sollen. Man müsste dem nur eine Struktur geben und könnte das unterhalb des Schulgesetzes machen. Darüber hinaus soll es einheitliche Rahmenrichtlinien geben. Auch das ist schon heute der Fall.
Es wundert mich überhaupt nicht, dass die meisten Eltern nicht verstehen, was diese Novelle soll. Was ändert denn diese Novelle? - Die Novelle ändert nur das, was nach dem Gutachten des Deutschen Institutes für Internationale Pädagogische Forschung nicht geändert werden dürfte. Sie bindet alle 5. und 6. Jahrgänge an weiterführende Schulen an. Das DIPF hat jedoch eindeutig gesagt: Gerade bei angebundenen 5. und 6. Jahrgängen ist die Prognosesicherheit schlecht, weil diese angebundenen Orientierungsstufen - dann Förderstufen alles dafür tun, um die Kinder und Jugendlichen möglichst in ihrem eigenen System zu behalten. Wenn sie an einer Hauptschule angebunden sind, gibt es besonders viele Hauptschulempfehlungen usw. Gerade das, was das DIPF kritisiert hat, schreibt diese Schulgesetznovelle jetzt also fort.
Dieses Werk ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Es wundert mich, dass man 13 Versuche und zwei Jahre Diskussion gebraucht hat, um nichts dabei herauszubekommen.
Frau Kollegin Litfin, ich möchte Ihnen, ohne dass Sie darauf antworten müssen, eine Frage stellen, nämlich ob es vielleicht möglich ist, dass Ihnen demnächst bei der Bandbreite Ihrer Beurteilung für die Abqualifizierung des Gesetzentwurfs statt „Mist“ ein besserer Eindruck einfällt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mist könnte eine ganz positive Wirkung entfalten, wenn man ein aufgeschlossenes Verhältnis zur Landwirtschaft hätte.
Dieser Gesetzentwurf wird niemals in die Praxis umgesetzt werden - hier sind wir sicherlich einer Meinung -,
und zwar nicht nur wegen des zu erwartenden Wahlausgangs, sondern vor allem, weil dieser Gesetzentwurf völlig praxisfern ist. Wer die Situation von Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen sowie deren Situation und deren Beanspruchung bei schwieriger gewordenen Schülerinnen und Schülern kennt und solche Förderpläne erfindet, der muss wirklich sehr praxisfern sein. Mit noch mehr Bürokratie und noch mehr Reglementierung im Schulbereich wird man ganz sicher den Kindern dort nicht gerecht.
Die Förderstufe, die Sie vorschlagen, und zwar unter Aufgabe vieler langfristig entwickelter Grundüberzeugungen der Sozialdemokratie - ich
erinnere mich noch an die Ausführungen von Frau Seeler über Prognosesicherheit der Orientierungsstufe und die Erfindung der O-Stufe als der Weisheit letzter Schluss -,
gibt es nirgendwo - vielleicht mit Ausnahme eines Kantons in der Schweiz -, und sie ist nirgendwo diskutiert worden. Es ist eine Schulform sui generis, also eigener Art. So etwas kurz vor Toresschluss einer Legislaturperiode um die Ecke zu bringen, ist wirklich Ausdruck dessen, wie man ein Land nicht regieren kann.
Wir jedenfalls sind der Überzeugung, dass die Schulbildung das zentrale Thema unseres Landes ist. Wir leisten uns dabei einen Luxus ohne jede Zukunft, dass wir nämlich zu wenig Kinder haben und diese wenigen Kinder zu schlecht ausbilden. Wenn jetzt in Niedersachsen erklärt wird, wir machen die zweite große Bildungsreform nach dem roten Peter von Oertzen im Jahr 1973, die unmittelbar zu einem Regierungswechsel geführt hat, dann kann ich nur sagen: Ihre zweite Bildungsreform wird ebenso scheitern und ebenso zum Regierungswechsel in diesem Lande führen.
Dass der Ministerpräsident erst jetzt, nachdem die Fraktionen - bis auf unsere - gesprochen haben, im Plenum Platz nimmt, zeigt eine Form des Unwohlseins, die man schon seit Wochen spürt, dass sich hier jemand verzettelt hat und dass es nur um Gesichtswahrung geht.
- Er ist beim letzten Satz von Frau Litfin hereingekommen. Ein bisschen habe auch ich die Augen auf. - Das ist eine Missachtung des Parlaments, weil wir hier über die Landschaft unserer Schulen in Niedersachsen diskutieren wollen, damit es den Schülern hilft und die Schüler nicht zu Versuchskaninchen werden, wie das bei Ihnen der Fall zu sein scheint.
Die Liste dessen, was dieses Lehrerkabinett uns zugemutet hat, ist ellenlang. Das Interessante ist, dass alle Lehrer ins Kabinett gehen - wir haben nur noch Minister, die Lehrer sind - und es im Kultusministerium keine Pädagogen mehr gibt. Alle
Stellen werden für Juristen ausgeschrieben. Auch das ist eine Zufälligkeit Ihrer Politik. Sie haben gesagt: Laptop statt Kindergeld, generelle Einschulung mit fünf Jahren, keine Leistungsprämien für Lehrer - trotz Ankündigung - , Kürzungen in der Weiterbildung, Diffamierung der Lehrkräfte und Ankündigung des Abschaffens des Sitzenbleibens, obwohl das, wie wir alle von uns selber wissen, in bestimmten Lebensphasen eine sehr gute Funktion haben kann.
- 100-prozentig! In familiären Krisen, in schwierigen Erziehungsphasen kann das eine Chance sein, neu Fuß zu fassen. Das ist keine Frage und wird von niemandem bestritten. Sie bringen jeden Tag eine neue Idee, nur um Schlagzeilen zu produzieren. Dafür sind uns die Kinder zu schade.
In der letzten Plenarsitzung haben Sie unseren Antrag, Nachmittagsangebote in die Schulen zu bringen, abgelehnt. Sie, Frau Jürgens-Pieper und Herr Ministerpräsident Gabriel, schaden mit Ihrem Politikstil unserem Land, weil man mit Sprunghaftigkeit, Medieninszenierung und Unzuverlässigkeit keine Schulpolitik machen kann.
Es ist eine Zumutung für diejenigen, die sich innerhalb der Schulen bemühen. Die Betroffenen brauchen Verlässlichkeit. Die stellt man aber nicht her, wenn man kurz vor Toresschluss eine Schulgesetznovelle durch den Landtag peitschen will, nachdem man zwölf Regierungsjahre dazu Gelegenheit gehabt hatte. Sie haben für dieses Gesetz - das wissen Sie ganz genau - überhaupt kein Mandat von den Wählerinnen und Wählern in Niedersachsen.
- Wir haben keinen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben kein Mandat für eine Schulpolitik bekommen. Wir sind die Minderheit in diesem Parlament. Sie haben die Mehrheit für eine andere Politik bekommen, als Sie sie jetzt für die Zeit nach der Legislaturperiode vorschlagen. Sie sollten erst das Votum der Wähler abwarten. Die Wähler entscheiden jetzt über die Bildungspolitik in unserem Land, nicht mehr Sie mit dem von ihnen erhaltenen Mandat.
Die PISA-Studie ist keine Aufforderung zu blindem Aktionismus. Dass nicht die Landesregierung einen Schulgesetzentwurf einbringt, sondern dass die Landesregierung die Krücke über die SPDFraktion wählt, dient einzig dem Sinn und Zweck, die Anhörungen, die es sonst vorher hätte geben müssen, zu umgehen und das Ganze hier durchzupeitschen.
Im rundblick stand neulich bereits, dass es Ihnen nicht gelingen wird, gegen den geballten Sachverstand im Lande eine Schulgesetznovelle durchzudrücken und zu glauben, die Schulreform werde im anschließenden Landtagswahlkampf keine Rolle mehr spielen.