Protocol of the Session on March 14, 2024

die letzte Lieferung erst vor wenigen Wochen in die Region Charkiw, wo wir unter anderem in engem Austausch mit der dortigen Abgeordneten Maria Mezentseva stehen, die in Brüssel wiederum im Ausschuss den Beitritt der Ukraine in die EU vorbereitet und begleitet.

Parallel zu den Hilfstransporten hat mein Ministerium in Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei im vergangenen Jahr die Regionalpartnerschaft mit der Region Tschernihiw vorbereitet. Am 17. Januar wurde sie von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der Militärverwaltung in Tschernihiw im Beisein des ukrainischen Botschafters und

des Beauftragten der Bundesregierung für den Wiederaufbau der Ukraine, Staatssekretär im BMZ Jochen Flasbarth, feierlich unterzeichnet. Mecklenburg-Vorpommern ist erst das fünfte Bundesland, das eine solche Erklärung unterzeichnet hat, in enger Abstimmung mit der Bundesregierung und in gutem Austausch mit der ukrainischen Botschaft in Berlin.

Die Auswahl dieser Region geht auf einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Präsidenten Selenskyj im Oktober 2022 zurück. Wie Sie wahrscheinlich wissen, im Zweiten Weltkrieg haben die Nazis, hat die deutsche Wehrmacht beim Marsch auf Moskau und dann auch auf dem Rückzug in Tschernihiw furchtbare Verwüstungen angerichtet, furchtbare Gräueltaten begangen. Und vor diesem Hintergrund, dieser historischen Schuld haben die beiden Staatsmänner damals entschlossen, hier in Tschernihiw dann eine Regionalpartnerschaft zu gründen. Dieses Versprechen lösen wir in Mecklenburg-Vorpommern nun ein.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns bei der Unterzeichnung gegenseitig eine Partnerschaft auf Augenhöhe versprochen. Das ist viel mehr als ein einfaches „Wir helfen euch“. Wir gehen daran, diese Partnerschaft nun mit Leben zu erfüllen, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Kultur und der Wissenschaft, mit Projekten in den verschiedensten Bereichen. Wir haben es gerade gehört, was alles in dieser Regionalpartnerschaft angestrebt wird. Und ich möchte hier betonen, ja, es ist Krieg dort, es sind Kriegszeiten. Eine Regionalpartnerschaft mit Leben zu erfüllen, mit Begegnungen zu erfüllen, ist nicht leicht. Aber auch das ist nicht unmöglich.

Und deswegen hoffen wir auf die Unterstützung auch durch dieses Hohe Haus. Ich danke für den Antrag und die Unterstützung, die auch in einer Partnerschaft mit dem dortigen Parlament in Tschernihiw, mit dem Regionalpartner sozusagen dort vor Ort angestrebt wird. Wir als Landesregierung haben die ersten zwei Projekte auf den Weg gebracht. Wir sind dabei, Ausrüstungen von Schulen mit Schutzräumen dort vor Ort in Gang zu bringen. Es geht darum, fünf Schulen, die von der dortigen Militärverwaltung ausgewählt wurden, sehr nah an der belarussischen und an der russischen Grenze, dort die Schulen mit Schutzräumen gegen Krieg, gegen Bomben auszurüsten, eine furchtbare Vorstellung.

Wir haben außerdem vor, Laptops in die Region für digitalen Unterricht zu schicken. Wir sind dabei, Beratungen durchzuführen in Kooperation mit dem BMG und dem BMZ im Rahmen des dortigen Projektes SOLOMIYA. Da geht es um Krankenhauspartnerschaften. Dort gab es Gespräche, auch bereits mit der ukrainischen Gesundheitsministerin, der Vizegesundheitsministerin. Dort arbeiten wir auch mit Partnern aus der Universität Greifswald zusammen und mit den Kliniken.

Insofern ist vieles am Anlaufen und ich erhoffe mir sehr, dass die mecklenburg-vorpommerschen Bürgerinnen und Bürger mit anpacken. Und ich bin, wie gesagt, sehr froh, dass auch hier heute dieser Antrag vorliegt, dass wir gemeinsam auch zusammen die Regionalpartnerschaft mit Leben erfüllen. Ich danke den GRÜNEN, der SPD

und den LINKEN für diesen Antrag. Wie gesagt, schade, dass es keinen gemeinsamen Antrag gibt! Das wäre ein gutes Signal gewesen, auch an unsere gemeinsamen Freunde in der Ukraine. Ich wünsche uns, dass wir in den nächsten Jahren eine Partnerschaft auf Augenhöhe schaffen, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Die Ministerin hat die angemeldete Redezeit um zwei Minuten überschritten.

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion der AfD Herrn Tadsen.

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Herr Förster! Herr Förster!)

Dann tausche ich Sie. Dann rufe ich jetzt auf Herrn Förster. Bei mir stand es andersrum.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anträge der anderen Fraktionen sind mehr oder weniger deckungsgleich. Der linksgrüne Block fordert „Solidarität mit der Ukraine“. CDU und FDP sagen dasselbe mit den Worten: „Wir stehen an der Seite der Ukraine“. Beide eint der Wille, mit Durchhalteparolen den Krieg bis zum Sieg über Russland fortzusetzen, koste es, was es wolle.

Dem setzt die AfD-Fraktion entgegen: den Krieg beenden, Diplomatie statt Blutvergießen. Dabei stimmen wir dem Satz, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands durch nichts zu rechtfertigen ist, uneingeschränkt zu. Nur, das Kriegsgeschehen richtet sich nicht danach, wer im Recht oder Unrecht ist. Angesichts einer drohenden militärischen Niederlage der Ukraine ist es höchste Zeit, alle Kraft darauf zu konzentrieren, diesen Krieg zu beenden und weiteres Blutvergießen zu verhindern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und das kann nur im Wege einer diplomatischen Lösung geschehen. Dazu kann die Vorgeschichte dieses Krieges nicht ausgeblendet werden. Eine diplomatische Lösung findet man nur, wenn man alle Aspekte eines Konflikts beleuchtet und die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Ich empfehle, sich die Rede Putins 2001 vor dem Bundestag anzuhören. Er sprach von der Einheit der europäischen Kultur und der Zugehörigkeit Russlands zu Europa. Er beschwor die Vision vom gemeinsamen Haus eines selbstständigen und starken Europas. Die Antwort: stehende Ovationen im Bundestag, später die NATOOsterweiterung.

Um die Sicht Russlands auf die nach 2001 folgende Entwicklung zu verstehen – nicht zu billigen, zu verstehen! –, sollte man sich ferner mit der Rede Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 befassen, wo er den USA das Streben zu monopolarer Weltherrschaft vorwarf und sich über die Einkreisung seines Landes mit Raketenabwehrsystemen beklagte.

Ein Kernproblem des Konflikts ist die Krim. Sie gehörte seit 1783 zu Russland und wurde unter Chruschtschow der ukrainischen Sowjetrepublik angegliedert. Im russi

schen Bewusstsein ist die Krim ein integraler Ort russischer Kultur. Die Annexion war zweifellos ein völkerrechtswidriger Akt, der aber von der überwiegend russischen Bevölkerung begrüßt wurde. Für Russland war es die Rückkehr der Krim ins Mutterland.

(Zuruf von Christian Winter, SPD)

Wer meint, hier die Ukraine in ihren Rückeroberungsfantasien unterstützen zu müssen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es bei der Krim für die Russen ans Eingemachte geht. Niemand kann so naiv sein zu glauben, dass Russland die Krim aufgibt und damit als Atommacht gedemütigt von der Weltbühne abtritt, ohne vorher bis ans Äußerste zu gehen. Wie nahe wir uns diesem Risiko bereits entgegeneskaliert haben, belegt eindrucksvoll das abgehörte Gespräch deutscher Generäle darüber, wie man mit Taurus-Marschflugkörpern die Krimbrücke zerstören kann. Wenn es mithilfe deutscher Waffen auf der Krim eng wird für Russland, dann ist eine der letzten roten Linien überschritten.

Zur Wirklichkeit gehört auch, dass die Probleme im Osten der Ukraine nicht allein von Russland importiert wurden. Es handelt sich um einen Dauerkonflikt zwischen beiden Ländern, der in einen jahrelangen Bürgerkrieg mündete. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung dort sind russische Muttersprachler. Die Mehrheit in den prorussischen Regionen der Ukraine lehnte die Öffnung in Richtung EU und NATO ab. Erstaunlicherweise kommt im Diskurs über die Situation im Donbass das Wort „territoriale Integrität“ ganz oft, das für uns Deutsche so wichtige Wort „Selbstbestimmung“ aber nie vor. Ein Frieden, der das Existenzrecht der Ukraine sichert, aber auch die Sicherheitsinteressen Russlands ernst nimmt, die Realität Krim anerkennt und im Donbass einen auf Volkszugehörigkeit beruhenden Kompromiss findet, sollte in Erinnerung an das Minsker Abkommen möglich sein.

Was ist die Alternative? Ein noch Jahre andauernder Krieg, in dem Russland und die Ukraine ihre Jugend auf dem Schlachtfeld opfern, und bestenfalls ein eingefrorener Stellungskrieg und eine dauerhaft schwelende Wunde inmitten Europas.

Eine der großen Propagandalügen ist die, dass wir noch nicht Kriegspartei seien. Völkerrechtlich sind wir längst Konfliktpartei. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat bereits 2022 festgestellt, dass der sichere Bereich der Nicht-Kriegsführung spätestens dann verlassen wird, wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise die Ausbildung an solchen Waffen erfolgt. Und das ist seit Langem der Fall. Natürlich macht es noch einen Unterschied, ob deutsche Truppen in die Ukraine geschickt werden. Das ändert aber nichts daran, dass wir uns bereits jetzt völkerrechtlich mit Russland im Kriegszustand befinden. Und das muss jedem klar sein.

Eine weitere Propagandalüge ist die, dass in der Ukraine auch unsere Sicherheit verteidigt wird. Diese These ist so falsch wie die, dass unsere Soldaten Deutschland am Hindukusch verteidigt haben.

(Beifall Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Russland wird kein Land der NATO angreifen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Davor Angst zu schüren, ist unverantwortlich.

(Zuruf von Christian Winter, SPD)

Der Kanzler hat wiederholt ein Nachgeben gegenüber Russland mit der These abgelehnt,

(Thomas Krüger, SPD: Wo haben Sie denn Ihre Glaskugel her?)

Landraub dürfe sich nicht lohnen. Damit bestätigt Scholz seine legendäre Vergesslichkeit, hier hinsichtlich der Historie des eigenen Landes, besonders krass, denn die gesamte Nachkriegsordnung beruht auf Landraub und Vertreibung. Die Flucht und Vertreibung von 12 bis 15 Millionen Deutschen ist die größte Zwangsmigration in der europäischen Geschichte. Wir haben diesen Landraub anerkannt, und mir ist nicht bekannt, dass irgendwer dies infrage stellt,

(Thomas Krüger, SPD: Wir haben Krieg geführt.)

denn die Mehrheit der Deutschen,

(Thomas Krüger, SPD: Wir waren Aggressor! – Zuruf von Christian Winter, SPD)

die der Kriegsrhetorik …

(Thomas Krüger, SPD: Wir haben gemordet.)

Dieses Völkerrecht gilt auch für Besiegte, gerade für die!

..., denn die Mehrheit der Deutschen, die der Kriegsrhetorik noch nicht erlegen sind, sind nach den Erfahrungen zweier Weltkriege von einer tiefen Friedenssehnsucht erfasst und sind nicht bereit, sich innerlich auf einen Krieg einzurichten. Solidarität mit der Ukraine heißt für meine Fraktion, die Ukraine zu einem Verhandlungsfrieden zu ermutigen, und nicht, sie mit immer mehr Waffen zur Fortsetzung dieses fürchterlichen Krieges zu ertüchtigen, an dessen Ende es mit Hunderttausenden Toten nur Verlierer geben kann.

(René Domke, FDP: Was wollen Sie da verhandeln? – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Solidarität, mit wem auch immer, muss stets mit den Interessen des eigenen Landes konform gehen. Und hier sehen wir erhebliche Diskrepanzen.

Die Ukraine hat erhebliche Rekrutierungsprobleme. Ihr gehen die Soldaten aus.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Zugleich befinden sich nach Angaben des Bundesamts für Migration rund 200.000 ukrainische Männer im wehrpflichtigen Alter in Deutschland und beziehen hier Bürgergeld, obwohl Kiew sie zur Rückkehr aufgefordert hat. Ich kann das verstehen, aber passt das zusammen – einerseits die Kriegstrommel gegen Russland rühren und andererseits denen, die ihr Land verteidigen müssten, hier ein gemütliches Zuhause gewähren?

Die Antragsteller zeichnen ein verklärtes Bild von der Ukraine, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Die Ukraine galt vor dem Krieg als eines der korruptesten Länder überhaupt. Wer glaubt ernsthaft, dass sich das durch den Krieg geändert hat? Es entspricht nicht unseren Interessen, oder was ist das für eine Politik, die der Ukraine allein aufgrund des Krieges eine EU-Beitrittsfähigkeit zuspricht, von der sie vor dem Krieg meilenweit entfernt war?