Gerade vor wenigen Tagen erst haben führende Wirtschaftsinstitute ihre Prognosen noch weiter nach unten korrigiert. Sie gehen für dieses Jahr von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent aus.
Für das nächste Jahr rechnen sie mit einem minimalen Wachstum von lediglich 0,2 Prozent. Das sind keine guten Aussichten für unser Land. Die Unzufriedenheit der Unternehmen ist entsprechend hoch.
Laut dem Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft denkt jeder vierte Betrieb an Abwanderung, und zahlreiche Unternehmen sind sogar schon dabei, ihre Produktion zu verlagern. Miele will die Waschmaschinenmontage nach Polen verlagern. Mit Meyer Burger geht der letzte große Solarmodulhersteller in die USA und der Motorsägenhersteller Stihl geht sogar in die Schweiz. Die wachsende Unzufriedenheit mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland liegt vor allem an den hohen Energiekosten, am Fachkräftemangel und einer stetig wachsenden Bürokratie.
Und es sind ja nicht nur große Konzerne, die sich aus Deutschland zurückziehen wollen, sondern eben auch kleine und mittlere Unternehmen. Hans-Jürgen Völz, der Chefvolkswirt vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft, spricht von einem schleichenden Prozess, der mittelfristig zum Verlust von Arbeitsplätzen, Wachstum und Wohlstand führen wird.
Und für Mecklenburg-Vorpommern als wirtschaftlichem Schlusslicht in Deutschland sind die Aussichten besonders düster. Das Konjunkturklima befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Unternehmensinsolvenzen und Gewerbeabmeldungen nehmen zu. Den Firmen geht schlicht das Geld aus.
Jedes vierte Unternehmen in Westmecklenburg steckt laut einer Umfrage letzten Jahres inzwischen in Liquiditätsnöten. Für immer mehr Unternehmen stellt sich die Existenzfrage.
Um das noch einmal zu verdeutlichen: Aktuell droht bereits fünf Prozent der Firmen die Insolvenz. Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass ein Drittel der Unternehmen seine Pläne für Investitionen aufgegeben hat.
Die bittere Erkenntnis ist, die Wirtschaft im Land pendelt mental zwischen Resignation und völliger Perspektivlosigkeit.
Mir ist nicht klar, ob der Landesregierung die Tragweite dieses Pessimismus bewusst ist. Noch nie waren so viele Arbeitgeber der Norddeutschen Metall- und Elektroindustrie so unzufrieden mit der Politik, der Höhe der Arbeitskosten und dem Ausmaß des Fachkräftemangels. Noch nie haben so viele Unternehmen Produktionsverlagerungen ins Ausland geplant, erklärte Steffen Pohl, Nordmetall-Vize für M-V und Chef des Rostocker Kranbauers Liebherr. Grund sind auch die neuen Gesetze, wie das Vergabegesetz, die von 59 Prozent der befragten Unternehmen als erschwerende Wirtschaftsfaktoren angesehen werden.
Die guten Zeiten sind vorbei, sagte Markus Biercher, der Chef der Landesarbeitsagentur, vor ein paar Wochen. Inzwischen will jedes vierte Unternehmen Personal abbauen und Stellen streichen. Nur jeder zehnte Personalchef will neue Verträge unterschreiben. Zuletzt war die Personalnachfrage in M-V unter das Vorjahresniveau gefallen, hatten die Arbeitsagenturen gemeldet.
Schauen wir auf den für Mecklenburg-Vorpommern so wichtigen Wirtschaftszweig, den Tourismus. Auch hier sieht es alles andere als rosig aus. M-V verpasst den Neustart. Wir befinden uns im Abwärtstrend, so der Kurdirektor von Heringsdorf vor wenigen Tagen. Sechs Millionen Übernachtungen mehr als M-V verzeichnet der Konkurrent Schleswig-Holstein. Irgendwie scheint es da besser zu laufen. Während andere also offenbar eine Strategie oder wenigstens einen Plan haben,
vom groß angekündigten Industriekonzept bislang nichts sichtbar außer bunten Broschüren, Nachfragen dazu, ob im Ausschuss oder in Kleinen Anfragen, keine oder nur unzureichende Antworten.
Auch die Industrie beklagt, es hapert massiv an der Umsetzung. Dabei müsste inzwischen wirklich jedem klar sein, dass es fünf vor zwölf ist. Die Hilferufe der Wirtschaft verhallen offenbar ungehört und die Konkurrenz schläft nicht. Viele Firmen, die sich derzeit mit Abwanderungsgedanken tragen, gehen nach Polen oder nach Rumänien. Grund: das dortige Wirtschaftswachstum, die Infrastruktur, qualifizierte Arbeitskräfte, verfügbare günstige Energie, schlanke Bürokratie.
Und dann wundern Sie sich, dass die Ansiedlungen von Intel, TSMC und Rheinmetall nicht zustande gekommen sind, wobei sich bei letzterem die Koalitionäre noch gegenseitig aus ideologischen Gründen ein Bein gestellt haben.
Die Wirtschaft sagt, Deutschland braucht eine Industriepolitik, die die Kräfte des Marktes durch Steuer- und Abgabensenkungen entfesselt. Die Behinderung der nötigen Transformation zur Bewältigung von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischem Wandel durch überflüssige Vorschriften und wachsende Subventionen muss aufhören.
Schauen wir zum Thema Bürokratie einmal kurz auf das für M-V so wichtige Hotel- und Gaststättengewerbe. Durchschnittlich 14 Überstunden pro Woche leisten die Unternehmer, um 100 bis 125 komplexe Vorschriften etwa zur Kassenrichtlinie, Hygieneüberwachung oder Datenschutz-Grundverordnung zu erfüllen. Die jährliche Bürokratiebelastung typischer Unternehmen der Branche beträgt zwischen 12.000 und 60.000 Euro. Ich bin mir sicher, die Unternehmerinnen und Unternehmer würden dieses Geld lieber an ihre Mitarbeiter auszahlen, als das Geld in Papier zu investieren. Ich denke, meine Kollegen werden mir da zustimmen.
Das, was hinter diesen Vorgaben steckt, ist ein Befehls- und Kontrollansatz des Obrigkeitsstaates, der jegliches Vertrauen in die Unternehmerinnen und Unternehmer verloren hat.
Er ist ein wesentlicher Grund, warum hierzulande das Gründungsinteresse auf dem Tiefstand ist. Insbesondere bei Klein- und Kleinstunternehmen ist das fatal, denn Ärzte, Apotheker und Hebammen gehören auch zu den Selbstständigen, die wir händeringend in unserem Land brauchen.
Schauen wir zum Schluss noch einmal auf die groß angekündigte Fachkräftestrategie, die die Probleme in unserem Land lösen soll. Lange haben wir darauf gewartet und jetzt liegt eine Seite mit Handlungsempfehlungen vor. Eine Strategie ist das nicht und die Handlungsempfehlungen sind im Großen und Ganzen Allgemeinplätze. Attraktive Gestaltung übergreifender Rahmenbedingungen will man angehen. Diese nichtssagende Aussage ist kurz: Zukunft ist für alle gut. Weiter will man KI entwickeln und anwenden oder die Weiterbildungskultur etablieren, alles vereinfacht aus der Prognos-Studie abgeschrieben.
Wir hoffen, da kommt noch mehr, und darum haben wir diesen Antrag eingereicht, wobei „hoffen” die falsche Formulierung ist, da muss mehr kommen, denn es ist schon später als fünf vor zwölf. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, und zwar jetzt.
Wie so oft werden Sie uns bestimmt gleich weismachen wollen, dass Sie schon alles machen und diesen Antrag nicht brauchen. Doch wir brauchen diesen Antrag, denn wir wollen wissen, wie Ihre Pläne aussehen, unser Land in dieser extrem angespannten und kritischen Wirtschaftslage zukunftsfest aufzustellen, und zwar konkret und nicht auf einer PowerPoint-Folie. Wir brauchen einen konkreten Plan, konkrete Maßnahmen und vor allem eine Strategie, eine Strategie, wo Sie in den nächsten Jahren Ihre Schwerpunkte setzen wollen. Wollen Sie Tourismusland bleiben oder Industriestandort werden? Beides geht aus meiner Sicht nicht.
Sie müssen Schwerpunkte setzen. Wenn Sie sich für den Industriestandort entscheiden, wie wollen Sie mit der Konkurrenz aus Polen und Rumänien mithalten bei Infrastruktur, Fachkräften, Bürokratie und günstiger Energie? Welche konkreten Maßnahmen planen Sie dazu bis wann? Oder wenn Sie M-V als Tourismusland wieder attraktiv machen wollen, welche konkreten Maßnahmen planen Sie beispielsweise beim Thema Bürokratieabbau oder Fachkräftesicherung?
Mit unserem Antrag fordern wir Sie auf, uns Ihre konkreten Maßnahmen und Planungen bis Ende Juni vorzulegen, und zwar so, dass wir diese in angemessener Zeit evaluieren und gegebenenfalls korrigieren können.
Auf Bundesebene haben wir mit dem Wachstumschancengesetz ein solches Maßnahmenpaket vorgelegt. Also stimmen Sie diesem Antrag zu! Unsere Wirtschaft und die Arbeitnehmer werden es Ihnen danken. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.