Wir befassen uns in der heutigen Landtagssitzung in verbundener Aussprache mit zwei Anträgen zur durch den Bundestag beschlossenen kontrollierten Teillegalisierung, und ich würde sagen, es ist eine Teilentkriminalisierung von Cannabiskonsum.
Beim ersten Antrag handelt sich um einen Antrag der CDU, beim zweiten Antrag um einen solchen der AfD. Diese beiden Anträge der Opposition wollen nicht etwa nur einige Fragen wie die Kontrolle der Anbauvereinigung, Feststellung des THC-Gehaltes oder Grenzwerte im Straßenverkehr klären, ihnen geht es auch nicht darum, Zeit für Amnestieentscheidungen zu verlängern. Mit den Anträgen ist vielmehr gemeint, dass sie das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis im Grundsatz ablehnen. Gestatten Sie mir die Formulierung: Beide sind Totalverweigerer.
Mit dieser Idee können Sie aber keinen Erfolg haben, es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden. Es handelt sich hier um ein nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz und der Bundesrat kann also durch einen Einspruch das zwar verzögern, aber er kann es nicht wirklich ausschließen in dem Zusammenhang, denn mit der entsprechenden Mehrheit kann der Bundestag darauf reagieren.
Ich fordere das nicht. Nein, ich nehme das erst mal so zur Kenntnis. Und ich würde das gerne auch so noch weiter begründen dürfen.
Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht diesem Gesetz nicht entgegen, ich persönlich
würde sogar meinen, sie legt es nahe. Das Bundesverfassungsgericht – das ist schon von der Kollegin Oehlrich da zitiert worden – hat ja im Rahmen seiner früheren Verhältnismäßigkeitsprüfung schon 1994 dargelegt, dass es hier um ein Übermaßverbot geht in diesem Zusammenhang, und es hat ein Absehen von der Strafverfolgung damals schon nahegelegt.
Auch das letzte Urteil legt nahe, dass genau der Gesetzgeber sich damit jetzt auseinandersetzt, wie das denn entsprechend zu formulieren ist. Wir haben auch schon gehört, dass es unterschiedliche Einstellungspraxen gegeben hat, das macht gar keinen Sinn und das muss auch beendet werden.
Das neue Gesetz stößt – übrigens, Herr Kollege, das erinnert mich an Ihre Argumentation – meines Erachtens nicht auf europarechtliche Grenzen. Es gibt zwar diesen berühmten Rahmenbeschluss des Rates, aber dieser handelt vom illegalen Drogenhandel der Mitgliedsstaaten, vom Drogenhandel, vom illegalen, und er hat im Übrigen auch eine Berechtigungsklausel, und der hat im Übrigen auch eine Privatkonsumklausel. Nämlich in Artikel 2 Absatz 2 dieses Rahmenbeschlusses steht drin, dass bestimmte Handlungen bereits vom Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses nicht erfasst sind, nämlich wenn es sich um den persönlichen Konsum handelt. Und darum geht es ja gerade hier in diesem Zusammenhang. Daraus folgt für mich auch, dass die europarechtlichen Vorschriften dem ebenfalls nicht entgegenstehen.
Aber was ich auch interessant fand, als ich mich vorbereitet habe: Es gibt einige empirische Studien. Wir haben jetzt gerade gehört, auch von der von mir sehr geschätzten Kollegin Hoffmeister, dass ja ganz klar dieses oder jenes erfolgen muss, der Schwarzmarkt werde größer. Die empirischen Untersuchungen sagen dies keineswegs so aus. Wir können uns einmal anschauen, was wir dazu wissen:
Es gibt Erfahrungen, zum Beispiel aus Uruguay schon 2013, da wurde das Ganze legalisiert. Eine Studie aus dem Jahr 2022, im Vergleich auch mit der Entwicklung in Chile, hat gezeigt, dass auf dieser Basis eben Cannabis nicht zu einem höheren Konsum in den entsprechenden Altersgruppen geführt hat.
Es gibt auch aus Kanada, wo in Ontario zunächst mal versucht wurde das einzuführen, man das tatsächlich dann auch eingeführt hat in Ontario, dort weitere Untersuchungen, dort mit dem eindeutigen Ergebnis, dass der Schwarzmarkt durch die legalen Beschaffungsmöglichkeiten von Cannabis deutlich eingeschränkt werden konnte.
Und es gibt im US-Bundesstaat Colorado, wo das 2014 schon umgesetzt worden ist, auch Untersuchungen, viele Untersuchungen, wonach der Cannabiskonsum dort von 2005 bis 2019 – 2014 wurde es eingeführt – rückläufig ist.
Also es ist keineswegs so, dass es hier Anlass gibt zu, ich würde mal sagen, zu Alarmismus oder zu kollektiver Hysterie. Man muss ja auch nicht auf seit Jahrzehnten verbreitete Cannabisvorurteile zurückgreifen, sondern lassen Sie uns das doch mal mit Gelassenheit betrachten und zur Kenntnis nehmen.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE, FDP, Christian Winter, SPD, und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und es ist schon erwähnt worden, ich bin da vielleicht nicht so ganz sozusagen gefühlsmäßig drauf wie die Kollegin von der FDP, aber es gibt unseren Anspruch auf freie Entfaltung der Persönlichkeit,
und dazu gehört auch das Recht, wie wir alle wissen, zu viel zu essen, zu wenig zu essen, zu rauchen, Alkohol zu trinken, obwohl es viele, viele Anzeichen dafür gibt, dass Bier und Zigaretten deutlich gefährlichere und härtere Konsequenzen haben als Cannabis.
Ich möchte aber natürlich auch nicht, dass wir uns hier missverstehen. Dies ist nicht das Hohelied des Rauschmittelkonsums. Junge Menschen schon bei der Jugendweihe ins Alkoholkoma zu versetzen, ist genauso unverantwortlich, wie Kindern und Jugendlichen Marihuana zu verkaufen.
Und wer am Straßenverkehr teilnimmt, darf nicht bekifft sein und sollte auch nicht betrunken sein. Ich denke, damit, glaube ich, kann man das zunächst einmal hier klarstellen.
Und ich kenne auch die Untersuchungen, wonach 18- bis 25-Jährige vielleicht noch in besonderer Weise gefährdet sind, hier vor allem diejenigen, die ab dem 14. Lebensjahr durchgehend gekifft haben, weil das dann tatsächlich die Nervenbahnen beeinträchtigen kann. Deswegen würde ich immer bei einer Aufklärung auch gerade die 18- bis 25-Jährigen in diesem Sinne aufklären.
Aber wir haben ja auch diesbezüglich Jugendämter, die so was wissen, wir haben eine Landeskoordinierungsstelle, und ich glaube, die Stärkung dieser Stellen haben die entsprechenden Ministerien auch im Blick und deswegen brauchen wir dafür auch nicht einen speziellen Landtagsantrag.
Und ich glaube ehrlich gesagt – das ist auch schon angedeutet worden –, die beschlossene Teilentkriminalisierung des Eigenkonsums wird auch neue Möglichkeiten der Prävention eröffnen, denn der Eigenkonsum kommt aus der halblegalen Ecke heraus und er kann nun offen problematisiert werden. Ich glaube, dass dies auch ein Wert ist in diesem Zusammenhang.
Kommen wir noch schließlich zu den Entkriminalisierungsfaktoren für die Auswirkung oder zu den Auswir
kungen auf die polizeiliche Arbeit. Einerseits wird sie bei Kleinkonsumenten von Arbeit wahrscheinlich entlastet. Die Einstellungspraxis wird hoffentlich dadurch vereinheitlicht. Andererseits – das will ich gerne einräumen – dürfte die Legalisierung von Cannabis auch Aufgaben nach sich ziehen. Angesprochen worden sind zum Beispiel die Konsumverbotszonen an Schulen, die Kontrolle von Anbauvereinigungen.
Aber jetzt gestatten Sie mir ein Gegenargument dazu: Ich kenne den Cannabiskonsum – nicht persönlich, aber sozusagen aus meinem Kontext – seit 50 Jahren,
seit 50 Jahren ist es die Aufgabe der Polizei, in der Nähe von Schulen zu gucken, dass da nicht gekifft wird. Und es ist die Aufgabe der Schulleiter, dafür zu sorgen, dass auf dem Schulhof nicht gekifft wird.