(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP – Julian Barlen, SPD: Aber Herr Domke! Herr Domke, jetzt mal Butter bei die Fische!)
Viele Menschen haben nicht mehr den Eindruck, dass es genau um ihre Lebenswirklichkeit geht, dass die komplexen und oft schwerfällig und auch durchaus schlecht kommunizierten – wir haben Beispiele genannt heute – Ansätze von Lösungen überhaupt etwas mit ihnen zu tun haben, ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Dieses Gefühl haben viele Menschen gar nicht mehr. Die denken, worüber sprechen die da eigentlich, das ist aber nicht das, was mich gerade betrifft. Wir müssen uns vielleicht auch mal fragen, ob wir die Menschen mit der Informationsflut, mit dieser Detailverliebtheit, in der wir uns hier manchmal ergehen,...
… mit der Detailverliebtheit einfach überfordert haben. Manches Mal beschleicht mich auch der Verdacht, dass Politik – und da nehme ich auch Populisten nicht aus –, dass Politik Antworten auf Fragen gibt, die überhaupt gar keiner gestellt hat.
Und, meine Damen und Herren, Herr Barlen, Sie sagten, Vertrauen, Vertrauen stärken heißt Versprechen halten. Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber was ist, wenn das Problem schon das Versprechen ist, wenn dieses Versprechen nicht darauf abzielt, in die Lebenswirklichkeit der Menschen transportiert zu werden?
vielleicht müssen wir das besser kommunizieren, vielleicht ist weniger manchmal mehr und vielleicht müssen wir Vertrauen darüber aufbauen oder ist das einfach wichtiger, das Vertrauen zu gewinnen, die Menschen mitzunehmen, als die fachlich korrekte kleinteiligste Erläuterung der x-ten Novelle eines beliebigen Gesetzes, so, wie wir das hier manchmal praktizieren.
Was auf jeden Fall nicht hilft, und das möchte ich auch kritisch anmerken – er ist, glaube ich, gar nicht im Raum –, dass der Vorpommern-Staatssekretär in der SVZ neulich äußerte, es fehle in der Gesellschaft an Anstand und Kultiviertheit.
Meine Damen und Herren, das ist in meinen Augen sehr unbedacht gewesen, undifferenziert und es führte ja auch nicht dazu, dass der Dialog entsteht. Also man sollte sich schon davor hüten, eine Unkultiviertheit herbeizureden und den Menschen den Anstand abzusprechen. Was noch schlimmer ist, die mit der Aussage Gemeinten, die erreiche ich damit womöglich gar nicht mehr, weil es ihnen völlig egal ist, ob sie vom Staatssekretär als unanständig oder unkultiviert wahrgenommen werden. Soweit sind wir nämlich schon, dass diese Ansprache möglicherweise zu gar nichts führt.
Wir wollen die Menschen ja eigentlich zurückgewinnen, wir wollen, dass sie sich von den staatlichen Institutionen und den konventionellen Medien nicht weiter abwenden, sondern dass sie wieder bereit sind, Informationen aufzunehmen, dass sie bereit sind, ins Gespräch zu kommen. Wir brauchen keine plumpen Unterstellungen, sondern wir sollten auf die Bürgerinnen und Bürger hören und wir sollten vor allem die Belange ernst nehmen. Wir werden nicht alles lösen können, und das ist eben die
Gefahr, die ich woanders sehe, wir werden nicht alles lösen können. Das ist etwas, was wir, glaube ich, seit Corona verlernt haben, die Menschen auch mit der Lebenswirklichkeit zu konfrontieren und zu sagen, nicht alles kann mit staatlichen Hilfen gelöst werden, nicht alles kann der Staat reparieren. Einen solchen Staat wollen wir auch nicht,
der die Bürgerinnen und Bürger an die Hand nimmt und den Bürgerinnen und Bürgern ihre freie Entscheidung abnimmt, indem er sie nur noch alimentiert.
Und dann höre ich immer dieses „da oben“ – das ist ja auch totaler Quatsch, „die da oben“, wer auch immer damit gemeint ist. Oben ist das Volk, das Volk hat gewählt, das Volk hat bestimmte Politiker legitimiert und damit muss das Volk sich auch mit diesen Politikern auseinandersetzen. Und genau dafür stehen wir, für diese Offenheit. Ich vermisse sie manchmal, ich vermisse sie manchmal.
Und ich muss noch eins anmerken: Wir haben es doch noch im Ohr in der Corona-Situation „Merkel muss weg!“, vielleicht auch schon davor. Nun hören wir „Die Ampel muss weg!“. Angesichts der Herausforderungen, die vor uns liegen und die der Staat – ich habe es ja gerade ausgeführt – ja schlicht und ergreifend gar nicht alle abfedern kann, wird es irgendwann heißen „Merz muss weg!“, womöglich bald „Wagenknecht muss weg!“, „Weidel muss weg!“, wer auch immer muss weg,
weil wir können es den Menschen ja auch nicht ersparen anhand der Herausforderungen, die vor uns liegen, auch mal Zumutungen beschließen zu müssen. Wer den Menschen erklärt, dass es ohne Zumutungen in dieser Zeit geht, der lügt sie an und der wird die Menschen enttäuschen.
Und ich frage mich, ich frage mich: Wer fängt diese Wut nachher am Ende auf, wenn die Menschen begreifen, dass auch von einer AfD keine Lösungen zu erwarten sind, weil die Herausforderungen,
seien Sie doch auch mal ehrlich, in Ihrem Wahlprogramm stehen doch viele Dinge, die Sie draußen auf den Demos ja gar nicht mit bemerken,
Und das müssen wir alle machen. Auch wir haben Dinge im Wahlprogramm, wo wir sagen, natürlich hätten wir sie gerne zu hundert Prozent umgesetzt, und natürlich kriegt die FDP jedes Mal Dresche dafür, weil alle erwarten, na, die Liberalen müssen sich jetzt aber durchsetzen. Ja, wir haben aber keine absolute Mehrheit und wir können unser Programm nicht hundertprozentig durchsetzen.
(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Sie sollten diese Ampel besser verlassen, das rate ich Ihnen. – Zurufe von Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Stephan J. Reuken, AfD)
Das ist uns unter Schwarz-Gelb nicht gelungen, das gelingt uns in der Ampel nicht, das macht aber Demokratie aus.
und am Ende müssen wir Wege finden, miteinander im Gespräch zu bleiben, ins Gespräch zu kommen, wir müssen einander besser zuhören.
(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Wir können ja mal ein Hinter grundgespräch machen, Herr Domke. – Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)
Ich habe auch immer wieder betont, es geht am Ende auch darum, mal innezuhalten und tatsächlich mal einen Augenblick zu nutzen, sich in den anderen hineinzuversetzen. Warum verstehen gerade wir hier oft in der Politik es nicht, wie wertvoll ein Perspektivwechsel ist? Warum versuchen wir, uns nicht mal in den anderen hineinzuversetzen und zu überlegen, kann das Argument des anderen nicht auch überzeugend sein, kann uns das nicht auch abholen? Genau das vermitteln wir eben nicht nach außen. Und das ist ein großer Fehler. Das ist das, was Bürgerinnen und Bürger nicht wollen,