Protocol of the Session on January 24, 2024

(Tilo Gundlack, SPD: Feuer frei!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Die rot-rote Koalition hat es sich zum Ziel gesetzt, noch vor der diesjährigen Kommunalwahl die Kommunalverfassung zu überarbeiten.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

In ihrem Koalitionsvertrag haben die Koalitionspartner die Baustellen benannt, um die es ihnen dabei vor allem geht. Von verbindlichen Beteiligungsmöglichkeiten und -rechten, von Beiräten, von der Unterstützung interessierter Kommunen bei der Einführung eines Bürgerhaushaltes und der Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten ist dort die Rede. Doch ein erster schneller Blick in den Gesetzentwurf zeigt, dass die Koalition gerade in diesen Punkten schon ihren eigenen Ansprüchen nicht wirklich gerecht wird, aber der Reihe nach.

In Paragraf 2 der Kommunalverfassung werden die Aufgaben der Gemeinden im Rahmen des eigenen Wirkungskreises definiert. Zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises sollte nach Auffassung meiner Fraktion – das dürfte Sie nicht überraschen – der Klimaschutz gehören. Würde der Klimaschutz in der Kommunalverfassung als Pflichtaufgabe definiert, wären die Kommunen aufgefordert, ihre Verantwortung für die Begrenzung der Erderwärmung wahrzunehmen.

(Zuruf von Marcel Falk, SPD)

Das kann nur in unser aller Interesse sein, vor allem aber in dem Interesse der uns nachfolgenden Generationen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem Gesetzesentwurf heißt es dazu zwar, den im Rahmen des Landesklimaschutzgesetzes „zu beantwortenden Fragen nach Art und Umfang der Einbeziehung der Kommunen“ sollte nicht „vorgegriffen werden“, ich denke aber, dass zu einem ambitionierten Kommunalverfassungsgesetzentwurf durchaus auch ein erster Aufschlag zu diesem Thema gehört hätte. Den hätte man dann ja im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Landesklimaschutzeinführungsgesetz, hätte man ja auch noch einmal anpassen können.

Immer wieder kommt es vor, dass Bürger/-innenbegehren nach der erfolgreichen Unterschriftensammlung für unzulässig erklärt werden, was für große Frustration bei den Initiator/-innen sorgt. Hier besteht definitiv Regelungsbedarf. Ob aber die in Paragraf 20 Absatz 4 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit, sich mit der Bitte um Beratung an die Rechtsaufsichtsbehörde zu wenden, ausreicht, um Abhilfe zu schaffen, ist aus unserer Sicht zweifelhaft. Die letzte Bündnisgrünen-Landtagsfraktion hatte in der 6. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der nach den Vorbildern von Niedersachsen und Hamburg eine verbindliche Verpflichtung der Vorprüfung, also zur Vorprüfung der Zulässigkeit eines Bürger/innenbegehrens in Kombination mit der Gewährleistung gerichtlichen Rechtsschutzes vorsah. Das erscheint uns an dieser Stelle sachgerechter.

Die Sitzungen der Gemeindevertretungen sind nach Paragraf 29 Absatz 5 der Kommunalverfassung öffentlich. Öffentliche Sitzungen der Gemeindevertretungen sollen künftig nach dem neu einzufügenden Paragrafen 29 Absatz 5a in Bild und Ton über allgemein zugängliche Netze übertragen werden können. Das ist in jedem Fall ein Fortschritt. Richtig modern wird es allerdings dann, wenn aus dieser Kannvorschrift eine Sollvorschrift wird. Die Teilnahme von Mitgliedern der Gemeindevertretungen an Sitzungen mittels Ton- und Bildübertragungen ist

in der neuen Vorschrift des Paragrafen 29a geregelt. Doch die überlässt die Regelung des Ob und Wie der Teilnahme weitestgehend der jeweiligen Hauptsatzung. Hier wäre eine einheitliche Regelung in der Kommunalverfassung vorzuziehen.

Immer mehr Menschen setzen eine digitale Partizipation an kommunalen Prozessen zu Recht als selbstverständlich voraus, auch um familiäre und berufliche Verpflichtungen besser miteinander vereinbaren zu können. Studien zufolge ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt ein wesentlicher Baustein, um mehr Partizipation der Bürger/-innen zu erreichen und die kommunale Demokratie insgesamt attraktiver zu machen. Vor diesem Hintergrund sollten wir in der Kommunalverfassung möglichst niedrigschwellige Regelungen über die digitale Sitzungsteilnahme treffen.

An die Stelle des in Paragraf 32 Absatz 2 geregelten Verfahrens zur Besetzung von Ausschüssen und anderen Gremien nach den Grundsätzen der Verhältniswahl soll nach der neuen Vorschrift des Paragrafen 32a ein Zuteilungs- und Benennungsverfahren treten. Die Zuteilung der Sitze in einem Gremium soll sich fortan nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Zählgemeinschaften zueinander richten. Meine Fraktion begrüßt diese Neuerung, denn nach dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts müssen die Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln. Das bedeutet, dass veränderte Mehrheitsverhältnisse in der jeweiligen Kommunalvertretung auch bei der Besetzung der Ausschüsse nachvollzogen werden müssen. Dem versucht die Neuregelung gerecht zu werden. Inwieweit das gelungen ist, werden wir uns in der nun folgenden Ausschussberatung genauer ansehen müssen.

Nach den für Paragraf 41 Absatz 1 der Kommunalverfassung vorgesehenen Änderungen sollten kommunale Gleichstellungsbeauftragte in Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohner/-innen für diese Arbeit in Vollzeit beschäftigt werden. Für eine Stärkung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ist das aus Sicht meiner Fraktion nicht ambitioniert genug. Die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten hat sich für eine verbindliche Vollzeitbeschäftigung für kommunale Gleichstellungsbeauftragte in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner/-innen ausgesprochen. Der Landesfrauenrat hat sich dieser Forderung angeschlossen. Das werden wir in den nun folgenden Beratungen zu dem Gesetzentwurf aufgreifen.

Die Koalition hatte sich vorgenommen, wie ich das ja schon eingangs sagte, in der Kommunalverfassung verbindliche Beteiligungsmöglichkeiten und Rechte von Beiräten zu regeln. Die neu geschaffene Vorschrift des Paragrafen 41a der Kommunalverfassung ist allerdings so offen formuliert, dass dieser keinerlei Verbindlichkeit zu entnehmen ist. Danach kann die Gemeinde zur Berücksichtigung der besonderen Belange von Bevölkerungsgruppen Beiräte mit besonderer Funktion bilden. Und danach kann in der Hauptsatzung der jeweiligen Gemeinde bestimmt werden, dass die oder der Vorsitzende des Beirates an den Sitzungen der Gemeindevertretung und der Ausschüsse teilnehmen kann und dass sie oder er in den Angelegenheiten ein Rede- und Antragsrecht hat. Eine reale Erweiterung demokratischer Beteiligungsrechte, sehr geehrte Kolleg/-innen, sieht anders aus.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immer mehr Städte und Gemeinden führen Beteiligungsverfahren zu ihren kommunalen Haushalten ein. Im Rahmen der Modernisierung der Kommunalverfassung hatten die Koalitionäre sich vorgenommen zu prüfen, ob interessierte Kommunen bei der Einführung eines Bürgerhaushaltes mit einem Leitfaden des Landes unterstützt werden können. Darüber verliert der aktuelle Kommunalverfassungsentwurf kein Wort – aus Sicht meiner Fraktion eine vertane Chance. Wir werden der Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Kommunalverfassung zustimmen und uns dort für Nachbesserungen einsetzen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete David Wulff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Erste Lesung Kommunalverfassung – das, was eigentlich das Wesen unseres Staates zusammenhält. Die Kommune ist genau der Ort, wo Demokratie erlebbar ist, wo Demokratie anfassbar ist, und wir wissen alle, wenn es in der Kommune nicht läuft, dann läuft es im Staate nicht. Und deswegen steht es uns gut zu Gesicht, auch intensiv über diese Kommunalverfassung zu beraten, uns die Zeit dafür zu nehmen, die sie verdient, und hier ein Regelwerk auf den Weg zu bringen, das auch unsere Kommunen, die kommunale Selbstverwaltung für die Zukunft vernünftig aufstellt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP und Nikolaus Kramer, AfD)

Wir haben immer gesagt, Demokratie lebt vom Mitmachen, Demokratie lebt davon, Verantwortung zu übernehmen, aber genau das muss den Leuten auch ermöglicht werden. Es muss den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden, in ihren Lebenswelten, in ihren Realitäten auch zu sagen, ja, nach Feierabend, nachdem die Kinder im Bett sind, vielleicht auch von einer Dienstreise aus oder wo auch immer ich mich bewege, muss es den Leuten doch weiterhin möglich sein, an kommunalen Gremiensitzungen teilzunehmen. Und das haben wir hier in der Vergangenheit, hier in diesem Hause auch schon lang und breit diskutiert. Wir als FDP haben doch den Antrag eingebracht, dass wir hybride Sitzungen, digitale Sitzungen endlich möglich machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

So, jetzt haben wir lange genug gewartet, hätten wir alles schon erledigt haben können, zumindest mit einer vorübergehenden Verlängerung der damaligen Ausnahmegenehmigung bei Corona. Jetzt haben wir hier zumindest drin, dass wir auch hybride Sitzungen, Onlinesitzungen im kommunalen Bereich möglich machen. Ein bisschen mehr Verbindlichkeit wäre tatsächlich schön gewesen, auch da gibt es aber immer unterschiedliche Möglichkeiten, Ausrichtungen und vor allen Dingen Vorlieben in den

Kommunen. Und ich hoffe, dass sich auch in Zukunft in der kommunalen Selbstverwaltung viele finden werden, die davon Gebrauch machen, damit die Demokratie, die Partizipation im Ehrenamt weiter gestärkt werden.

Wir hätten uns aber durchaus gewünscht, auch in der Kommunalverfassung weitere Möglichkeiten mit drin zu haben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Ehrenamt möglich machen. Da werden wir aber sicherlich in den Ausschüssen noch einmal ein bisschen drüber diskutieren. Worüber wir auch auf jeden Fall diskutieren müssen, ist das Thema Mindestfraktionsgrößen. In der letzten Kommunalverfassung, der Novelle, wurde das ja schon mal angepasst. Im Ergebnis bedeutet das aber, dass in größeren Städten, die vielleicht aber keine ganz so große Gemeindevertretung haben, teilweise bis zu zehn Prozent Wahlergebnisse eingefahren werden müssen, um überhaupt eine Fraktionsstärke zu erreichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP – Zuruf von René Domke, FDP)

Ob das den Realitäten momentan tatsächlich Rechnung trägt, halte ich mal für dahingestellt. Ich glaube nämlich nicht, dass das gut ist, wenn wir sagen müssen, ja, also schafft mal eure zehn Prozent, da dürft ihr auch Fraktionsstärke machen. Das ist irgendwie nicht Sinn und Zweck der ganzen Geschichte. Wir haben eine 5-Prozent-Regelung auf Landes- und auf Bundesebene. Das ist auch in Ordnung, und daran sollte sich nachher auch zumindest grob orientiert werden, dass wir Fraktionsstärken in den Gemeinden ermöglichen. Auch da gab es auch schon mal eine Klage von den GRÜNEN in der Vergangenheit, die wurde leider nicht ganz bis zu Ende geführt. Sollten wir das in dieser Kommunalverfassung nicht ändern, dann werden wir auch da Gefahr laufen, wenn das nicht angepasst wird, dass es auch in Zukunft Klagen geben wird.

Was wir ja durchaus begrüßen, ist die Anhebung des Höchstalters von Wahlbeamten. Ja, irgendwann, kann man auch sagen, ist es auch mal gut, da darf man sich auf den Ruhestand freuen, aber auch hier in der Realität müssen wir doch anerkennen, manchmal finden sich keine Bewerber auf den Posten, manchmal fühlt man sich doch einfach noch fit genug, zu sagen, ja, ich mach noch eine Wahlperiode. Dass wir jetzt sagen, okay, wir machen diese starre Altersbegrenzung raus und wir machen das zeitgemäßer, das begrüßen wir durchaus, weil auch gerade Menschen mit mehr Lebenserfahrung sich gerne weiter in der Verantwortung sehen, kommunal verankert sind und sich häufig auch gut um ihre Gemeinde kümmern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Was wir dabei aber nicht mit vergessen dürfen, es gibt ja da so einen Passus, der sagt, wenn ich als Wahlbeamter hauptamtlich Bürgermeister werden will, dann muss ich natürlich irgendwie auch noch mindestens ein zweites Mal antreten. Wenn ich jetzt diese Altersgrenze aber aufhebe, dann muss man natürlich darauf achten, dass dann auch niemand gezwungen wird, über das Renteneintrittsalter im Zweifel da tätig zu sein. Es gibt aber durchaus immer die Gefahr, dass natürlich Amtsinhaber ihren Bonus immer ausspielen und dann den Schritt zurück vielleicht nicht wagen. Da könnte man, dann muss man vor Ort noch mal entsprechend gucken.

Wir haben jetzt hier schon viel gehört zum Thema Beiräte, was jetzt hier noch möglich ist, was gemacht werden soll, Soll- und Kannbestimmungen, und was wir nicht alles einrichten. Genau das diskutieren wir jetzt ja im Wesentlichen bei dem Beteiligungsgesetz, was ja die Ministerin Drese vorgelegt hat, da sind ja viele Ausführungen drin. Auch das halten wir für völlig unausgegoren. Das werden wir an anderer Stelle hier noch mal weiterdiskutieren müssen

(Beifall René Domke, FDP)

Und, wenn das so bleibt, auch ablehnen müssen. Die Begründung folgt dann später.

Wenn wir uns aber schon diese Mühe machen und sagen, was machen wir noch an Beteiligungsmöglichkeiten, und wir lassen Leute, die etwas älter sind, auch länger im Amt bleiben, warum gucken wir nicht noch mal in die andere Richtung? Und wir haben extra eine EnqueteKommission in diesem Landtag eingesetzt, die Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche stärken möchte. In dem Beteiligungsgesetz, was das irgendwie im Wesentlichen anreißt, wird das nicht hinreichend dargelegt. Und woran hängt das dann im Wesentlichen? Es hängt doch im Wesentlichen immer an der Finanzierung, ob ich jetzt einen Kinder- und Jugendbeirat haben möchte, ob ich meinen Jugendklub finanzieren möchte. Und gucken wir uns doch die Zeiten an, in denen in Kommunen das Geld knapp war und zuerst immer gesagt, wurde, wir müssen bei den freiwilligen Leistungen sparen. Und die freiwilligen Leistungen war immer die Jugendarbeit an der Stelle. Und hier wünsche ich mir Verbindlichkeit, in der Kommunalverfassung wünsche ich mir Verbindlichkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Wir müssen das ja gar nicht der Höhe nach ausgestalten, aber wenn eine Kommune sagt, sie möchte den Jugendklub finanzieren, wenn eine Kommune sagt, sie möchte Jugendarbeit finanzieren, und das aus einer angespannten Haushaltssituation, dann müssen wir auch sagen können, ja, ihr dürft das, das gehört nicht zu den freiwilligen Leistungen, das wird euch auch nicht rausgestrichen,

(René Domke, FDP: Ja.)

sondern eher, ihr müsst das sogar machen, weil genau das die Investition ist für Familien hier im Land, die sagen, für unsere Kinder und Jugendlichen wird was getan,

(René Domke, FDP: Dafür gibt es eine Konnexität.)

damit sich Kinder und Jugendliche hier so wohlfühlen, dass sie auch eine Ausbildung hier machen und weiter hier bleiben, damit die sich hier verankert fühlen. Und das muss den Kommunen in der Kommunalverfassung ermöglicht werden und nicht über irgendein Begleitgesetz, was nähere Ausführungsbestimmungen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Wir können jetzt schon ankündigen, Änderungsanträge zu diesem Gesetz werden von der FDP hier kommen.

(Horst Förster, AfD: Ah, Sie wollen drohen!)

Und dieser Spruch, ein Gesetz geht nie so raus aus dem Parlament, wie es reingekommen ist, gilt für diesen Landtag leider nicht. Dieser Landtag,

(Philipp da Cunha, SPD: Wenn es gute Gesetze sind.)

dieser Landtag ist im Wesentlichen ein Abnickverein für die rot-rote Landesregierung, weil Rot-Rot alles durchwinkt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Und das ist jetzt ein dringlicher Appell an die rot-rote Koalition hier im Land: Wenn Sie die kommunale Selbstverwaltung wirklich ernst nehmen,