Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ausstieg aus der Produktion und Nutzung von blauem Wasserstoff bis zum Jahr 2035 sicherstellen – Planungssicherheit für grünen Wasserstoff schaffen – Entschädigungszahlungen vermeiden, Drucksache 8/2722.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausstieg aus der Produktion und Nutzung von blauem Wasserstoff bis zum Jahr 2035 sicherstellen – Planungssicherheit für grünen Wasserstoff schaffen – Entschädigungszahlungen vermeiden – Drucksache 8/2722 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Bei grünem Wasserstoff geht die Landesregierung bis zum Jahre 2028 von Investitionen über 560 Millionen Euro in Mecklenburg-Vorpommern aus. Allein für eine Anlage zur Produktion von blauem Wasserstoff in Rostock planen die beiden Gaskonzerne VNG Deutschland und Equinor aus Norwegen mit einer Investition von 1 Milliarde Euro. Wir besprechen hier heute also auch die Frage, in welche Technologien Millionen- und Abermillionensummen an Investitionen in unserem Land fließen werden.
Es geht hier um die strategische Frage nach der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und Ausrichtung Mecklenburg-Vorpommerns. Wasserstoff wird seit knapp 100 Jahren im großen Stil per Dampfreformierung hergestellt, hauptsächlich zur Düngemittelproduktion für Raffinerieprodukte. Der Prozess der Dampfreformierung ist also nichts Neues. Neu bei blauem Wasserstoff ist im Gegensatz zu grauem Wasserstoff, dass das entstehende CO2 abgeschieden wird, damit dieses nicht in die Atmosphäre entweicht.
Nach den Plänen von VNG und Equinor soll das abgeschiedene CO2 im Rostocker Hafen in Tanker gepumpt und dann unterirdisch in Lagerstätten, zum Beispiel unter der Nordsee, gepresst werden. Aber handelt es sich bei Wasserstoff, bei blauem Wasserstoff, tatsächlich um eine klimafreundliche Alternative?
Herr Damm, das ist Ihnen nicht gestattet. Ich kann zwar nicht genau sehen, was Sie da machen, aber Sie halten irgendwas hoch. Und das genau, und …
Sie brauchen auch nicht mit mir zu diskutieren. Das ist nicht gestattet. Insofern bitte ich, dass Sie jetzt dieses Pappschild runternehmen.
das Treibhauspotenzial von Erdgas liegt bei etwa 90 Gramm CO2-Äquivalenten pro Megajoule Energie, das von blauem Wasserstoff liegt sogar bei 105, das von grünem Wasserstoff, welcher importiert wird, bei 50, und das von Wasserstoff, welcher hier vor Ort produziert wird, bei etwa 10 Gramm.
Ja, ich war genauso ungläubig wie Sie, als ich die Zahlen der Bundesregierung aus dem Bundesumweltamt gesehen habe. Lassen Sie mich nun erklären, warum die Klimabilanz von blauen Wasserstoff so dramatisch schlecht ist, Sie haben ja gesehen, sogar schlechter als die Klimabilanz von Erdgas. Das sind jetzt also gewesen die Emissionen der unterschiedlichen Gase bei unserem aktuellen Energiesystem, und zwar gerechnet mit CO2Äquivalenten, bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren.
Bei Erdgas kommt etwas über die Hälfte der Emissionen von Treibhausgas, das bei der Verbrennung in die Atmosphäre gelangt. Die andere Hälfte stellen die Emissionen dar, welche aus dem sogenannten Schlupf resultieren, also Leckagen von Methan bei Transport und Förderung. Diese treten bei blauem und auch grünem importierten Wasserstoff dann als Wasserstoffschlupf in etwa gleicher Höhe auf und sind bereits für beinahe die Hälfte der Klimawirkungen von fossilem Erdgas verantwortlich.
Den zweiten großen Emissionsanteil bei blauem Wasserstoff macht vor allem der Prozess der Aufspaltung, das Steam Reforming, von Methan zu Wasserstoff aus, für den wiederum fossiles Erdgas zum Erhitzen auf 800 Grad Celsius genutzt wird. Hier kann nämlich technisch bedingt nur ein gewisser Teil der entstehenden Treibhausgase aufgefangen werden. Hinzu kommen dann bei blauem Wasserstoff noch Emissionen aus Transport und Einlagerung des abgetrennten CO2. Bei grünem Wasserstoff, egal, ob importiert oder vor Ort produziert, kommen nur die unvermeidbaren Emissionen für Infrastrukturbau und Betriebsmittel auf.
Einige von Ihnen wissen sicherlich, dass Methanschlupf ein Problem ist. Durchschnittlich entweichen etwa zwei bis drei Prozent des Erdgases, also Methan, unverbrannt in die Atmosphäre. Da Methan allerdings extrem klimaschädlich ist, reichen diese wenigen Prozent bereits für die hohe Klimawirkung. Zusammengerechnet mit den Emissionen aus dem Herstellungsprozess ergibt sich die festgestellte größere Klimawirkung von blauem Wasserstoff gegenüber Erdgas. Sie sehen also, blauer Wasserstoff ist kein Klimaschutzprojekt.
Neben dem Klimaschaden bringt blauer Wasserstoff noch weitere Nachhaltigkeitsprobleme wie kleinere Erdbeben oder die Gefahr der Verschmutzung von Trinkwasser durch den Betrieb der CO2-Endlager. Unser Bundeswirtschaftsminister und unsere gesamte Bundesregierung haben sich dennoch für die Nutzung von blauem
Wasserstoff entschieden, um die Industrie dort, wo es keine Möglichkeit zur Elektrifizierung gibt, schnellstmöglich zumeist von Kohleverbrennung auf Wasserstoff umzustellen.
Ich fürchte allerdings nicht, dass Sie, werte Abgeordnete von SPD und LINKEN, nicht die Motivation von Robert Habeck teilen. Unsere Bundesregierung hat die Entscheidung für die Nutzung von blauem Wasserstoff getroffen, weil wir schnellstmöglich die Technologie für die Nutzung von Wasserstoff in der Industrie hochskalieren müssen und weil es dafür leider noch nicht ausreichend erneuerbaren Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff gibt, also eine Entscheidung aus Zeitnot, Zeitnot nämlich, weil die Energiewende ein Wettlauf gegen die Emissionen und ein Wettlauf für die zukünftige Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie ist.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, ob Sie diese Zeitnot auch erkannt haben. Ich habe die Sorge, Sie sehen den Import von blauem Wasserstoff vor allem als eine Möglichkeit, dass unsere Wirtschaft und unser Energiesystem so weiterlaufen können wie bisher, ohne beschleunigten Zubau von Windkraft und Photovoltaik und ohne vereinfachte Genehmigungsverfahren in der Verwaltung. Da scheint ein massiver Import beziehungsweise die Produktion von blauem Wasserstoff über Erdgas aus Norwegen sehr verlockend.
Wir von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entscheiden uns jedenfalls nicht für diesen Weg der Bequemlichkeit, sondern sehen blauen Wasserstoff allerhöchstens als Übergangstechnologie, als Notlösung, weil es noch nicht genug erneuerbaren Strom gibt für die Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff.
Genauso muss auch die Landesregierung ihren absoluten Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen und damit die Voraussetzungen für grünen Wasserstoff schnellstmöglich schaffen. Sollte der Ausbau der erneuerbaren Energien in Mecklenburg-Vorpommern allerdings so langsam vorangehen wie bisher, dann werden auch die erhofften 560 Millionen Euro für grünen Wasserstoff bis zum Jahr 2028 nicht fließen können, denn kein Unternehmen wird in Lubmin Elektrolyseure mit 3.000 Megawatt Leistung bauen, wenn es zu wenig günstigen erneuerbaren Strom gibt.
Ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien könnte für Mecklenburg-Vorpommern der Start für eine Wasserstoffwertschöpfungskette sein mit langfristigen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen, aber nur, wenn wir beim Ausbau schnell sind. Ansonsten suchen sich die Pionierunternehmen andere Standorte. Die Energiewende ist ein Wettlauf, das muss uns allen klar sein.
Wir fordern mit unserem Antrag eine zeitliche Begrenzung der Produktion und Nutzung von blauem Wasserstoff bis zum Jahr 2035. Das erfordert einerseits natürlich den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, bietet andererseits aber auch Planungssicherheit für die zukünftigen Betreiber von Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff, denn jede Anlage zur Produktion von blauem Wasserstoff stellt ein Investitionsrisiko für grünen Wasserstoff dar.
Schließlich besteht auf dem Wasserstoffmarkt Konkurrenz. Um diese Investitionsrisiken für grünen Wasserstoff zu minimieren,
Und dann gibt es noch ein anderes Argument, warum diese zeitliche Begrenzung notwendig ist und warum es auch für diejenigen, die in blauen Wasserstoff investieren wollen, eben eine Richtschnur ist und Investitionssicherheit schafft, denn wir wollen auch dadurch Strafzahlungen vermeiden und die Klimaschutzbemühungen der Landesregierung untermauern,
die durch die gigantischen prozessbedingten Emissionen einer blauen Wasserstoffindustrie in MecklenburgVorpommern zwangsläufig konterkariert werden, wenn wir sie nicht zeitlich limitieren.
Mit Blick auf das geplante Landesklimaschutzgesetz und das Gesetz des Bundes ist es zudem durchaus wahrscheinlich, dass wir schon bald Anlagen zur Produktion von blauem Wasserstoff die Betriebserlaubnis entziehen müssen, und zwar zum Schutz des Klimas und zur Einhaltung der gesetzlichen Klimaziele. Ich habe Ihnen das ja mit den Emissionen bei blauem Wasserstoff erklärt, und die werden nicht verschwinden in Zukunft.
Bei den Kohlekraftwerken konnten wir in der Vergangenheit nämlich genau das beobachten: Eine gesellschaftliche und politische Mehrheit forderte den Kohleausstieg, worauf die Kohlekonzerne Schadensersatzzahlungen einforderten. So zahlt der deutsche Staat oder besser gesagt die Steuerzahler/-innen im Jahr 2020 insgesamt 317 Millionen Euro für die Stilllegung von elf Kraftwerksblöcken.
Da können Sie mal ausrechnen, wie viel Gigawatt hier in M-V auch die Landesregierung plant, und wenn wir dann entsprechend die Strafzahlungen auch leisten müssen, bewegen wir uns in diesen Größenordnungen. Und ich weiß nicht, ob das im Sinne unseres Landes ist. Dann doch lieber vorausschauend auf Planungssicherheit setzen.