Protocol of the Session on November 10, 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Thema weiß man gar nicht so richtig, wo man anfangen soll. Man könnte den Eindruck gewinnen, und ewig grüßt das Murmeltier.

Es klang ja schon an, dass wir uns schon über Jahrzehnte mit dem Bereich „Kutter- und Küstenfischerei” beschäftigt haben. Wir selbst haben im Januar vergangenen Jahres einen Antrag eingebracht, wo es darum geht, die Fischer zu unterstützen, das Einkommen zu erhalten. Man kann das gerne mal auch im Plenarprotokoll nachlesen. Aussage des Ministers war – ich fasse das mal kurz sinngemäß zusammen –: Die Kutter- und Küstenfischerei haben meine Fraktion und ich ausdrücklich auch immer als einen Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit angesehen.

Seinerzeit, also im Januar 2022, war zumindest mental die Linksfraktion noch nicht angekommen in der Koalition. Darüber hinaus hat sich anschließend auch Herr Seiffert als Vertreter der Linksfraktion geäußert. Ich will das nicht alles vorlesen, das erspare ich Ihnen und uns, aber mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, Zeilen 230 bis 231, wurde gesagt, Ihre Forderungen sind bereits in Bearbeitung, ohne Abstimmung mit dem Berufsstand, wir brauchen den Antrag nicht, um tätig zu werden, Ihr Antrag geht ins Leere, wir Koalitionäre unternehmen selbstverständlich alles Zulässige, um unseren Fischereibetrieben zu helfen, also eine Begründung, die im Grunde genommen übertragbar ist auf jeden Antrag der Opposition:

(Heiterkeit bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Zu spät, zu schlecht, wir machen alles, es ist alles relativ gut, wir brauchen Sie nicht. Anderthalb Jahre später ist davon nichts oder nicht viel mehr wahr im Grunde genommen.

Am Dienstag hat der NDR im „Nordmagazin” über die Kutter- und Küstenfischerei berichtet. Er berichtete über den Aufbau eines Museums in Sassnitz, das für nachfolgende Generationen die Tätigkeit der Kutter- und Küstenfischerei darstellen soll. Das erinnert mich so ein bisschen an das AGRONEUM Alt Schwerin. Da geht es auch historisch betrachtet in der Landwirtschaft in die moderne Zeit hinein. Im Grunde genommen ist das eine Darstellung in dem Museum, wo man sagt, anschließend ist auch nur noch ein wirtschaftlicher Friedhof zu sehen im Rahmen der Kutter- Küstenfischerei.

Nicht alle haben den Sprung in den touristischen Bereich geschafft. Nicht alle werden die wirtschaftliche Tätigkeit an der Küste dort fortsetzen können, auch mit Auswirkungen

auf alle anderen Wertschöpfungsketten. Es geht hier nicht nur um Kultur, aber auch. Aber es geht hier auch um Wirtschaftskraft in einem der wenigen Bundesländer, die auch an der Ostsee liegen. Die Existenz steht angesichts der jüngsten Entscheidungen des EU-Ministerrates zu den Quotenkürzungen im Bereich der Dorschfischerei wirklich auf dem Spiel. Der Verband der Kutter- und Küstenfischer hat schon, glaube ich, 2021 aufgehört zu existieren, weil auch die Anzahl der Mitglieder nicht mehr da war und auch die Mitgliedsbeiträge nicht mehr gekommen sind.

In der gesamten Ostsee, westlichen Ostsee, sollen nur noch 370 Tonnen Fisch aus Mecklenburg-Vorpommern angelandet werden. Fischer, die sich in der Vergangenheit auf Angelfahrten spezialisiert haben, um ein zweites Standbein aufzubauen, stehen ebenfalls vor dem Aus. Vonseiten des Ministerrates wurde entschieden, dass künftig auch keine Angler mehr Dorsche anlanden dürfen. Wer einmal dabei war, hat allerdings auch festgestellt, das gehört auch zur Wahrheit dazu, dass so mancher Angler auch durchaus mal 50 Kilo Dorsch am Tag geangelt hat. Trotzdem ist dieses natürlich seit Jahrhunderten bestehende Handwerk, das unsere Landschaft, unsere Kultur, unser Leben an der Küste prägt, schwierig wirtschaftlich zukünftig darzustellen.

Ich glaube, es gelingt nicht, wie schon vor vielen, vielen Jahrzehnten, dass alle zukünftig Freester Teppiche knüpfen sollen. Das ist keine Einkommensalternative für unsere Fischer.

Zusammengefasst: Die Kutter- und Küstenfischerei befindet sich in der schwersten Krise seit der Wiedervereinigung, und wenn wir ehrlich sind, steht sie fast mit einem Bein im Aus. Die Einschränkung der Fanggebiete, die Nutzungskonkurrenz durch Robben und Kormorane spielen bei der Betrachtung leider nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen werden Diskussionen über Beifänge von Vögeln und Säugetieren der Schleppnetzfischerei geführt. Angesprochen wurde auch zu Recht der Ausbau von Offshorewindkraftanlagen, aber auch in den Jahren davor Managementpläne von FFH-Gebieten, die hier Einschränkungen für die Fischerei gebracht haben.

Angesichts der aktuellen Quotenkürzung stellt sich für zahlreiche Kutter- und Küstenfischer die Existenzfrage. Von den über ehemals 600 Unternehmen, die wir an der Küste hatten, sind weniger als 200 Betriebe übrig geblieben. Dessen niedriges Niveau und dieses Niveau ist keinesfalls stabil, sondern von dort aus geht es also weiter abwärts. Von denen, die noch da sind, wollen viele mit der Familientradition brechen und aufgeben, das heißt, sie müssen letzten Endes aus dem Druck heraus. Der zuständige Minister geht davon aus, dass bis zum Jahr 2035 höchstens 60 Berufsfischer ihrem Beruf weiterhin nachgehen werden. Unterstützung von Bundes- und Landesebene ist hier zu wenig zu erwarten.

Als Lösung des Problems, haben wir eben gehört, schlägt der Minister den Beruf des Sea-Rangers vor, ähnlich dem Förster im Wald. Das muss also auch, das soll Spaß machen, also viel Freude bei der Umsetzung dieser Idee! Ich habe also auch berechtigte Zweifel, denke ich mal, dass dieser Plan aufgeht. Es klang ja auch schon an, dass die Verantwortung hier – zumindest vonseiten der SPD und des zuständigen Fachministers – 25 Jahre anhält. Das ist kein Effekt, der plötzlich eintritt. Insofern ist es natürlich schwierig, diese Forderung auch irgendwann glaubhaft zu vertreten. Ich habe anfangs

schon an die Ausführungen des Januars erinnert. Das könnte eben auch im nächsten Januar sein. Im nächsten Januar im übernächsten Jahr verändert sich nicht viel.

Interessanterweise ist heute eine Aussprache beantragt worden allein von der SPD und nicht von der LINKEN. Offenbar gibt es hier Diskussionen mit dem Koalitionspartner.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Da wissen Sie nichts.)

Allerdings ist die SPD-Fraktion der Auffassung, dass eine Aussprache reicht bei diesem Thema und dass hier ein Transformationsprozess, also der Niedergang im Bereich der Kutter- und Küstenfischerei nur begleitet werden muss. Man kann das bestaunen, man kann das auch letzten Endes beweinen. Aber das, meine Damen und Herren, ist letzten Endes zynisch. Und deshalb wenden sich die Menschen auch von dieser realitätsfernen, abgehobenen Politik ab.

Um das vielleicht noch mal kurz zusammenzufassen: So traurig das ist, im Grunde genommen geht es hier um einen Übergang von der aktiven Sterbebegleitung zur Beerdigung dritter Klasse. Das haben unsere Kutter- und Küstenfischer nicht verdient. – Haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Seiffert.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Jetzt kommen wieder die nächsten Seifenblasen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde die Zwischenrufe jetzt noch mal zum Anlass nehmen, generell den Hinweis zu geben, was wir mehrfach schon hier diskutiert beziehungsweise auch im Ältestenrat beraten haben: Bitte sehen Sie ab von Kommentaren, wenn Rednerinnen und Redner ans Rednerpult treten! Das gilt aber auch, wenn Kurzinterventionen angemeldet werden. Das ist nicht zu kommentieren, insbesondere auch nicht abfällig zu kommentieren!

(Torsten Renz, CDU: Ja, da hat sie vollkommen recht.)

Wir alle hier in diesem Hohen Haus haben uns darauf verständigt, dass die Würde eingehalten werden soll, und dazu gehört auch ein respektabler Umgang miteinander. Das schließt also jegliche abfälligen Kommentare ein. Vielen Dank!

Herr Seiffert, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Redebeiträgen, insbesondere von Herrn Diener und von Herrn Timm, sehe ich mich veranlasst, noch mal eins klarzustellen: Wo kein Dorsch und Hering beziehungsweise nicht genug Dorsch und Hering, da

kann auch nicht gefischt werden. Sie tun ja immer so, als hätte die Politik dafür gesorgt, dass es keinen Fisch mehr gibt. Umgekehrt ist der Fall, die stark eingebrochenen Fischbestände haben dafür gesorgt, dass man versucht hat, dem entgegenzuwirken, denn wenn keine Fangquoten eingeführt worden wären,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

wenn keine Fangquoten eingeführt worden wären, dann wäre die Fischerei schon vor Jahren weg gewesen, weil die Fischart komplett weg gewesen wäre.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das erzählen Sie mal den Kormoranen!)

Und ein weiterer Punkt,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

ein weiterer Punkt: Es ist ja, gerade wenn es um Fischmengen geht, die hier von Tieren gefressen werden, es ist ja nicht so, dass kein Fisch mehr da ist.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ja, aber das haben Sie doch eben gesagt.)

Es geht ja um ausgewählte Fischarten. Der Kormoran würde ja verhungern, wenn es keine Fischarten gäbe, genau. Aber was sind das für Fischarten? Fischarten, die kein Mensch essen will, die kein Fischer verkauft kriegt, deshalb auch nicht fischt, …

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nee.

… zum Beispiel Bleie und Schleie. Warum will die keiner? Weil die so voller Gräten sind, oder Stichlinge oder so was, da ist natürlich nichts dran. Aber für einen Kormoran …

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Der Kormoran frisst Stichlinge.)

Ja, natürlich, natürlich, wenn er die vor den Schnabel kriegt, frisst er die. Der fischt ja nicht, der guckt ja nicht ins Wasser und sagt, oh, da ist Dorsch, den nehm ich! Was, den Blei, den nehm ich nicht, der ist mir zu popelig!

(Horst Förster, AfD: Woher wissen Sie das denn?!)

Der frisst das, was er vor den Schnabel kriegt. Ja, und zum Beispiel, wenn er einen Aal kriegt, genauso. Aber es ist ja nicht so, dass der böse, böse Kormoran oder die böse, böse Seerobbe, Kegelrobbe da ins Wasser springt und sagt, also ich nehme hier den Fisch, den die Menschen wollen, den nehme ich mir gezielt raus. Das ist natürlich Quatsch.

(Der Abgeordnete Paul-Joachim Timm bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Herr Seiffert, gestatten Sie Sie eine Zwischenfrage?

Nee, ich bin jetzt leider schon von meinem Skript sehr weit abgerückt.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ja, war gut.)

Das traue ich mich jetzt nicht mehr, das auch noch auszuweiten. Danke!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Am 24. Oktober, also erst vor zwei Wochen, ist die erwartete Entscheidung der EU-Fischereiminister gefallen. Das Fangverbot für Dorsch und Hering bleibt bestehen. Beide Fischarten dürfen bei uns nur als Beifang in den Netzen landen. Dazu wurde die Freizeitfischerei auf dem Dorf geschlossen. Anglerinnen und Angler dürfen also weder Dorsch fangen, anlanden, noch mitnehmen. Ja, das führt dazu, dass der Niedergang der Fischerei natürlich nicht aufgehalten wird. Deshalb ist es auch weiterhin Aufgabe der Politik, so, wie es seit Jahren betrieben wird, Alternativen für diese alte Tradition zu suchen und zu bieten und eben eine Tradition, so, wie es auch im Titel der Aussprache gilt, eine Tradition, eine Transformation zu ermöglichen, Einkommen und Existenzen zu sichern.