Protocol of the Session on November 10, 2023

Bitte schön, Frau Abgeordnete!

Also noch einmal, ich weiß, dass das Thema Migrationspolitik kein schönes ist, vor allen Dingen dann nicht, wenn es nicht läuft. Aber es geht hier erst einmal um Menschen, um Menschen, die nach Deutschland kommen, weil sie sich hier ein besseres Leben erhoffen. Und das kann man erst einmal niemandem verübeln. Gleichzeitig gibt es in Deutschland viele Menschen, die den riesigen Reichtum in Deutschland sehen, auch den eigenen Reichtum, und die fragen sich, ob es denn wirklich so ein Problem ist, diesen Reichtum mit Menschen zu teilen, denen es weniger gut geht. Auch das kann man eigentlich niemandem vorwerfen.

Trotzdem ist die Migrationspolitik das Thema dieser Tage, und das nicht erst seit gestern. Das Thema steht inzwi

schen seit fast zehn Jahren ganz oben auf der Agenda. Mitunter wird es abgelöst von Themen wie Corona-Politik oder Energiepolitik, aber im Prinzip steht es unverändert oben auf der Agenda. Und ich bin überzeugt davon, das wird nicht von allein verschwinden. Ich kenne die These, dass das Thema Migration im Prinzip ein sozialpolitisches Problem ist. Würde man mehr Unterkünfte haben, hätte man mehr Lehrer, mehr Kitabetreuer, mehr Ärzte, dann würde sich niemand an der Zuwanderung stören. Und ich glaube aber, das ist ein fataler Irrglaube.

(Horst Förster, AfD: Das glaubt ja auch niemand. – Jan-Phillip Tadsen, AfD: GRÜNE und LINKE glauben das.)

Der Wunsch nach Begrenzung von Zuwanderung hat ganz andere Gründe. Ich glaube, da ist zunächst das Gefühl, von verantwortlicher Stelle nicht korrekt informiert zu werden. Es gibt selbstverständlich Zuwanderer, die am Gymnasium das 1er-Abitur schaffen, die Medizin studieren, Steuern zahlen und in jeder Hinsicht in diesem Land ankommen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Wenige, ganz wenige.)

Diese Menschen, meine Damen und Herren, sind aber die Ausnahme, sie sind nicht die Regel. Und man fühlt sich schlicht veralbert, wenn politisch so getan wird, als sei es genau umgekehrt, als sei die Ausnahme die Regel.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und das, sehr geehrte Fraktion DIE LINKE, hat nichts mit Rassismus zu tun, sondern mit der Realität.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU, Jens-Holger Schneider, AfD, und Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Der Landrat von Ludwigslust-Parchim etwa hat kürzlich erklärt, er könne die Aufregung um Flüchtlinge in Nordwestmecklenburg gar nicht verstehen, in seinem Landkreis seien das händeringend gesuchte Fachkräfte.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Blödsinn!)

Es sind Äußerungen wie diese, die viele Menschen einfach ratlos zurücklassen.

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Das ist diese Illusionsbildung von ihnen.)

Und da ist zweitens das Gefühl, dass mit der Migration auch die Kriminalität steigt. Und ich möchte mit Ihnen jetzt nicht die PKS durchgehen, aber natürlich gibt es unter Migranten, speziell unter männlichen jungen Migranten, gewisse Häufungen, was Delikte angeht. Das ist eigentlich auch ziemlich unumstritten.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Aha!)

Und trotzdem wird gern so getan, als sei das nicht so oder als würde man die Statistik auch ganz anders lesen können.

(Zurufe von Julian Barlen, SPD, und Jens-Holger Schneider, AfD)

Inzwischen führt es dazu, dass man das Wort „Einzelfall“ in der politischen Debatte nicht mehr verwenden kann, ohne dass die Menschen den Eindruck haben, dass sie gerade angelogen werden. So weit ist es gekommen! Die AfD erklärt, dass es keine Einzelfälle gibt,

(Horst Förster, AfD: Das ist ja zum Kaputtlachen.)

jeder Moslem sei ein Triebtäter,

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Das haben wir nie gesagt.)

und die meisten sind sogar Mörder.

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Das haben wir nie gesagt. Das stimmt nicht.)

Die SPD und DIE LINKE erklären, dass muslimische junge Männer grundsätzlich alle unauffällig sind, und wenn es sich dann mal gar nicht mehr leugnen lässt, ja, dann sind es halt Einzelfälle.

(Horst Förster, AfD: Das haben wir selbst von Ihnen gehört.)

So weit ist es schon gekommen, so weit ist es gekommen, dass Begriffe, die bis vor ein paar Jahren als ganz normal galten, derart toxisch sind,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Antisemitismus in der DNA.)

dass man sie nicht mehr verwenden kann, auch wenn sie wahr sind.

(Julian Barlen, SPD: Machen Sie mal ein paar Beispiele!)

Und da ist drittens der Eindruck, dass man Unbehagen nicht mehr äußern darf,

(Julian Barlen, SPD: Könnten Sie ein paar Beispiele nennen?)

ohne verspottet zu werden. Sie erinnern sich vielleicht an die Sendung „hart aber fair“,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Nee, das guck ich nicht.)

in der eine junge Frau berichtet, dass sie regelmäßig belästigt wird von jungen Männern, deren Sprache sie nicht spricht.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sprechen sie denn kein Englisch?)

Und der Moderator fragt sie süffisant – ich kann hören, einige haben es gesehen –: „Wieso sprechen sie kein Englisch?“

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das war erbärmlich, ja.)

Es geht jetzt nicht darum, ob es ein guter oder ein schlechter Witz war, entscheidend ist hier das Mindset. Eine junge Frau, gebildet, weiß, privilegiert, äußert Un

behagen, Unbehagen in einem Kontext, der mit Migration zu tun hat. Das alleine reicht heute, um medial verspottet zu werden, um als politisch fragwürdig und gestrig zu gelten.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Und ich bin mir ganz sicher,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Finde den Fehler!)

und ich bin mir ganz sicher – wenn ich hier mal kurz mit meinen Worten durchdringen könnte, ohne dass die ganze Zeit von rechts dazwischengebölkt wird –, ich bin mir ganz sicher, dass genau diese Meinung gerade auch über meine Person von links gelten wird, das merkte ich eben schon an den Zwischenrufen.

(Julian Barlen, SPD: Wie bitte? – Jeannine Rösler, DIE LINKE: Was meinen Sie damit?)

Viele Menschen wissen das inzwischen.

(Julian Barlen, SPD: Worauf wollen Sie überhaupt hinaus?)

Ich habe das gerade deutlich gesagt. Wenn Sie mir nicht folgen können, ist das nicht schlimm, aber Sie können es ja noch mal nachhören.

Ich hatte gesagt, dass allein dieses Unbehagen, was diese Frau äußert, allein dieses Unbehagen reicht heute aus, um medial verspottet zu werden, um sie als politisch fragwürdig und gestrig zu halten. Und das halten Sie gerade von mir auch, weil ich diese Rede so halte, wie ich sie halte.

(Julian Barlen, SPD: Das ist beides falsches.)