Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Abgeordnete! Wir leben in herausfordernden Zeiten. Die Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins auf die Ukraine, durch den wir die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg erleben, die Corona-Pandemie, die Folgen des Klimawandels und viele weitere Krisen und Konflikte zwingen Millionen von Menschen weltweit dazu, ihre Heimat zu verlassen.
„Geflüchteten Schutz bieten – Kommunen unterstützen“ – mit diesem Antrag haben die regierungstragenden Fraktionen in der Landtagssitzung im März dieses Jahres klar Haltung bezogen und verdeutlicht, dass die Aufnahme Schutz suchender Menschen unsere humanitäre Verpflichtung ist, der wir nur gemeinsam gesellschaftlich und auf allen staatlichen Ebenen verantwortungsvoll begegnen können.
Als Land übernehmen wir diese Verantwortung – das ist mehrmals schon angeklungen – unter anderem dadurch, dass, anders als in den meisten Bundesländern, sowohl die Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vollständig getragen werden als auch die Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die anteiligen Ausgaben für die ukrainischen Kriegsvertriebenen. Und das Land Mecklenburg-Vorpommern steht selbstverständlich auch weiter zu dieser Vereinbarung mit den Kommunen, denn gerade dort erfolgen die Aufnahme und Integration von Menschen auf der Suche nach Schutz. An dieser Stelle – natürlich – möchte ich im Namen meiner Fraktion auch allen Beteiligten, allen Haupt- sowie den vielen Ehrenamtlichen in unserem Land einen riesigen und ehrlichen Dank aussprechen für die Bewältigung dieser Aufgaben in diesen stürmischen Zeiten.
Gestern kamen erneut die Regierungschef/-innen der Länder im Bundeskanzleramt zusammen, um vorrangig darüber zu diskutieren, wie unsere Kommunen, die die Basis guter Integration und gelebter Solidarität sind, weiter deutlich entlastet werden können. Ganz zum Anfang meiner inhaltlichen Bewertung des Ausgangs dieses Treffens möchte ich betonen, dass ich es als ein sehr starkes und wichtiges Signal empfinde, dass sich alle Länder der humanitären Verantwortung und Verpflichtung bei der Aufnahme und der Versorgung von Geflüchteten einig sind und anerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und das Themenfeld der Migration und Integration eine dauerhafte Aufgabe für uns alle ist.
Einigkeit bestand auch in der Tatsache, dass es schnellere Asylverfahren unter anderem auch durch die durch digitalisierte beziehungsweise digitalisiertere Ausländerbehörden braucht, um sowohl den Schutzsuchenden schnellere Klarheit und Bleibeperspektiven zu eröffnen als auch die Behörden zu entlasten und damit zu stärken.
Für die gestiegenen Ausgaben bei der Aufnahme von Geflüchteten stellt der Bund in diesem Jahr einmalig 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung. Das ist natürlich begrüßenswert, aber auch eine logische Forderung der Länder bei steigenden Aufnahmezahlen. Ein striktes Beharren auf einmal gemachte Zusagen bei der sich teilweise dramatisch verändernden Entwicklung zeugen weder von Verantwortungsbewusstsein noch von Realitätssinn.
Dieser Appell ist an Sie gerichtet, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion. Im November soll über weitere Finanzierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten diskutiert werden. Das ist richtig so.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Ich will und ich kann Ihnen aber an dieser Stelle auch nicht unsere Position zu den im Vorfeld des gestrigen Gipfels geführten Debatten und den bekannt gewordenen Plänen zur Abschiebung und Abschottung verheimlichen.
Die Kommunen zu entlasten, indem weitere Asylrechtsverschärfungen auf EU-Ebene angestrebt werden und einem Großteil von Schutzsuchenden der Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Verfahren verwehrt wird, das hat mit europäischen und menschenrechtlichen Verpflichtungen absolut nichts gemein.
Verlagert an die europäischen Außengrenzen sollen hinter Mauern und Stacheldraht sogenannte Grenzverfahren ausgebaut werden. Diese sogenannten Grenzverfahren sind keine fairen Asylverfahren,
denn anders, als der Name es vielleicht vermuten lässt, wird in diesen Verfahren erst einmal geprüft, ob ein Asylantrag überhaupt angeschaut werden muss. In den allermeisten Fällen sagt die EU, dass sie den Asylantrag nicht anschauen muss und die Schutz suchende Person wird einfach zurückgewiesen, obwohl jeder Mensch ein Recht auf ein individuelles Schutzverfahren in der EU hat. Somit stellen diese Grenzverfahren ein Asylverfahren zweiter Klasse dar, denn es ist vor allem auf Beschleunigung und Ablehnung ausgelegt.
Eine individuell wirksame und unabhängigere Beratung der Schutzsuchenden ist unter diesen Umständen kaum möglich, und auch der Rechtsschutz gegen im Grenzverfahren getroffene Entscheidungen wird den Plänen der Kommission zufolge stark eingeschränkt. Zudem fehlen wirksame Vorkehrungen, um besonders schutzbedürftige Asylsuchende zu erkennen und vom Grenzverfahren auszunehmen. Das bestätigen bisherige Erfahrungen auf den griechischen Inseln.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen Abgeordnete! Grundrechte von Menschen auf der Suche nach Schutz zu verletzen, Menschenrechtsverletzungen in Kauf zu nehmen, nur, damit weniger Menschen in der EU ankommen, das kann nicht die gemeinsame Antwort Europas sein und auch nicht die der Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wie sind denn da die Lösungsvorschläge der LINKEN?)
Abschottung, Abschreckung, Abschiebung, weitere Entrechtung und das System von Massenlagern an den europäischen Außengrenzen werden nicht dazu beitragen, die Ursachen von Flucht zu bekämpfen,
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wie sind denn Ihre Lösungsvorschläge für unsere Entlastung hier? Wo sind die hier?)
geforderte Entlastung bei den Asylverfahren sowie den geforderten Spurwechsel unterstützen und in diese Diskussion hier einführen. Hier sollen beispielsweise Menschen, die seit Jahren in diesem Land, ohne auffällig geworden zu sein, hier leben, eine Anerkennung erhalten, und damit soll der Zugang zur tatsächlichen Integration und zum Arbeitsmarkt geöffnet werden. Ich möchte mich zusätzlich, wir möchten uns zusätzlich der Protokollerklärung des Freistaates Thüringen anschließen
und gemeinsam den von der Bundesregierung angekündigten fortschrittlichen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik anstatt einer Reihe von aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen, der Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen und weiterer Abschottungsmaßnahmen einfordern.
neue Herangehensweisen diskutieren, alte Gedankenmuster überwinden! Denn Ausländer sind wir fast alle, fast überall auf der Welt, kein Mensch ist illegal.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Sie sollte circa 3.200 Kilometer lang und bis zu 15 Meter hoch werden, die Mauer, die Donald Trump an der Grenze zu Mexiko plante. Und im Angesicht der derzeitigen migrationspolitischen Abschiebungs- und Abschottungsdebatten hierzulande habe ich mich in den letzten Wochen oft gefragt, wie hoch denn die Zäune um Europa werden sollen, wenn diese Debatte abgeschlossen ist.
Wir hören von komplett überlasteten Kommunen, in denen nichts mehr geht. Also müsste der Druck rausgenommen werden mit mehr, mit schnelleren und konsequenteren Abschiebungen, besser noch, wenn Geflüchtete gar nicht erst zu uns kommen und wir sie gleich an den EU-Außengrenzen stoppen und erst mal schauen, ob auch die richtigen Schutzsuchenden zu uns kommen, bevor wir sie reinlassen. Von konkreten Mauern spricht natürlich niemand, aber von illegaler Migration, kriminel
Fast in der gesamten Asyldebatte wird momentan so getan, als wäre Flucht, als wären Migrationsbewegungen einfach abstellbar, als könnten wir mit verschärftem Asylrecht verhindern, dass Menschen vor Kriegen, vor Verfolgung, vor Folter, vor der Klimakatastrophe fliehen. Flucht, liebe Kolleg/-innen, gab es in unserer Geschichte schon immer und es wird sie auch weiterhin geben, egal, ob wir in unseren Köpfen oder mit Grenzzäunen Mauern dagegen bauen. Und dass das Bauen von Mauern – das nur als Randnotiz – hier in unserer Gesellschaft kein erfolgreiches Konzept ist, das sollte uns doch wohl allen klar sein.
Dennoch sind die meisten von Ihnen gerade in der gesellschaftlichen Debatte über Migrationspolitik in eine Richtung unterwegs, die das fast völlig ausblendet, eine Debatte, die im übertragenen Sinne fragt, wie hoch müssen wir den Zaun denn machen, damit wirklich niemand drüberkommt und wir hier unsere Ruhe haben, anstatt eine Debatte miteinander zu führen, die die wirklich relevanten Fragen stellt: Wie können wir Unterbringungsstrukturen für Schutzsuchende nachhaltig, dezentral vorhalten? Wie können wir Sprache und Bildung zeitnah vermitteln? Wie können wir medizinische Versorgung und psychosoziale Beratung sowie Therapiemöglichkeiten in ausreichender Form zur Verfügung stellen? Wie können wir den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Anerkennung von Qualifikationen erleichtern?
Kurzum: Wie können wir Menschen mit Fluchtgeschichte in unseren Kommunen Türen für ein Leben öffnen, anstatt sie vor einer Mauer an der Außengrenze abprallen zu lassen?
Und es gibt sie, die Kommunen, die schon jetzt die Chancen von Zuwanderung in all ihren Facetten erkannt haben. Vielleicht kennen ja die Kolleg/-innen der CDUFraktion ihren Parteikollegen Götz Ulrich, der im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt seit 2014 Landrat ist. Dort wurde Integration zur Chefsache gemacht, eine Migrationsagentur aufgebaut, eine Art One-Stop-Shop, wo in einem Haus umfassend in allen Bereichen beraten und geholfen wird.