(Der Abgeordnete Dr. Harald Terpe demontiert versehentlich das Saalmikrofon. – allgemeine Heiterkeit)
Herr Kollege Ehlers, Sie haben davon gesprochen, von der verfehlten Innenpolitik unter Rot-Rot-Grün in Berlin und als Beispiel die Silvesternacht ins Feld geführt, wo wir ja jetzt auch gehört haben, es handelte sich da um 36 Personen. Zur selben Silvesternacht hat es Auseinandersetzungen auch in Großstädten Nordrhein-Westfalens gegeben. Würden Sie so weit gehen, dass es dort auch eine verfehlte Politik der CDU-geführten Regierung und des Innenministers gegeben hat?
Ich glaube, wenn man sich die Zahlen anschaut, auch was Kriminalitätsstatistik, was Personalaufwuchs auch angeht, ich glaube, dann braucht sich Nordrhein-Westfalen da überhaupt nicht zu verstecken. Ich glaube, ein Grund, warum wir die Wahl dort gewonnen haben, ist der hervorragende Job von Herbert Reul an der Stelle. Und dass wir in allen Großstädten, egal, wo sie jetzt sind, dort Probleme haben, das ist doch völlig klar. Aber auch dort – noch mal – ist es eine Frage: Wie gehe ich damit um? Wird da versucht, irgendwas zu beschwichtigen? Werden da Probleme auch kaschiert?
Und dort in Berlin ist natürlich, aus meiner Sicht zumindest, dort noch mal – das hat sich ja über Jahre entwickelt –, und da ist, glaube ich, auch noch mal wirklich, wenn Sie so wollen, der Hotspot und auch nicht vergleichbar, ehrlicherweise, mit anderen deutschen Großstädten in der Kategorie, weil sich das dort in einer Form entladen hat und sich auch über die Jahre entwickelt hat, die ich aus meiner Sicht schon persönlich für ziemlich einzigartig in Deutschland halte. Und von daher bleibe ich da auch bei meiner Position. Und ich glaube, NRW ist da auf einem besseren Weg, als es Berlin war. Aber Berlin hat jetzt ja mit der neuen Regierung auch eine neue Chance. – Vielen Dank!
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 8/2112. Im Rahmen der Debatte ist seitens der Fraktion der FDP beantragt worden, die Ziffern I und II des Antrages einzeln abzustimmen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Wer der Ziffer I des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 8/2112 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Ziffer I des Antrages auf Drucksache 8/2112 bei Zustimmung der Fraktionen der CDU und FDP und Gegenstimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.
Wer der Ziffer II des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 8/2112 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Vielen Dank! Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen sehe ich keine. Damit ist die Ziffer II des Antrages auf Drucksache 8/2112 bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Gegenstimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.
Vereinbarungsgemäß rufe ich nunmehr den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Weitere LNG-Terminals verhindern – keine fossilen Überkapazitäten schaffen, auf Drucksache 8/2157.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weitere LNG-Terminals verhindern – keine fossilen Überkapazitäten schaffen – Drucksache 8/2157 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Es gibt eine große Debatte darüber, reicht nicht das, was wir schon haben in Deutschland, oder gibt es weitere Bedarfe. Ich glaube, das ist das wichtigste Thema, das zu erklären. Und das, liebe Abgeordnete, ist keine Aussage von mir, das sind die Worte der Ministerpräsidentin. Und hier möchte ich der Präsidentin zunächst einmal zustimmen, der Ministerpräsidentin, denn sie hat recht, wenn sie fordert, dass die Politik sich an realen Fakten orientieren muss.
Fakt ist einerseits der andauernde völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Aufgrund der verfehlten Energiepolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte stehen wir vor enormen Herausforderungen. Andererseits ist auch Fakt, der rasante Klimawandel setzt uns enorm unter Druck, und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, dafür müssen wir so schnell wie möglich den Ausstoß von Treibhausgasen stoppen. Jede vermeidbare Tonne CO2 muss vermieden werden.
Deutschland hat sich aber in den letzten Jahrzehnten abhängig von fossilen Energieträgern gemacht. Mit dem abrupten Wegfall der russischen Erdgaslieferungen galt es, kurzfristige Lösungen zu finden. Und in der Tat ist es der Bundesregierung durch den hervorragenden Einsatz des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck gelungen, in den letzten Monaten die Gasversorgung auf ein sicheres Fundament zu stellen, die Gasspeicher zu füllen und zu verhindern, dass uns im Winter das Gas ausginge – ohne russisches Gas. Daran hat auch damals niemand geglaubt.
Da unsere Energieversorgung auch in der nahen Zukunft weiterhin zu stark von fossilem Erdgas abhängig ist, stellt sich das Problem aber auch über den vergangenen Winter hinaus. Ein Teil der Antwort ist leider der Bau einer gewissen Zahl von LNG-Terminals. Ob jedoch ein fünftes staatliches Terminal in Mukran zu dieser Antwort gehört? Die Bundesregierung will das LNG-Terminal vor Rügen, auch wenn es damit zu gewissen Überkapazitäten kommt.
Und an dieser Stelle komme ich auf das Zitat der Ministerpräsidentin zurück, das ging weiter mit: „weil das kann nur die Bundesregierung“. Und hier möchte ich entschieden widersprechen. Da dieses LNG-Terminal erhebliche Auswirkungen auf unser Land hat, liegt es auch in unserer Verantwortung als Landtag und in Ihrer Verantwortung als Landesregierung, dass wir uns auf Basis von Fakten selbst ein Bild von der Lage machen und uns nicht aus der Verantwortung stehlen.
Und die dazugehörigen nötigen Daten und Fakten, die liegen vor. Im März hat die Bundesregierung ihr Gasgesamtkonzept vorgelegt. Dieses stellt die Grundlage für die Planung von LNG-Importkapazitäten dar. Dieses Gasgesamtkonzept rechnerisch nachzuvollziehen, das traue ich Ihnen allen hier zu, insbesondere den Fachpolitiker/-innen. Wer das dann ernsthaft betreibt, stellt fest, erst durch das Hinzufügen enormer Sicherheitspuffer lässt sich ein fünftes staatliches Terminal in Mukran begründen.
Dem Gasgesamtkonzept ist weiterhin zu entnehmen, dass sich die Gasversorgung in Deutschland in den nächsten Jahren zunehmend entspannen wird. Dazu tragen zwei Effekte bei:
Erstens. Die Nachfrage geht zurück, weil wir unser Energiesystem zunehmend auf erneuerbare Energien umstellen müssen und werden, zum Beispiel mit dem Gebäudeenergiegesetz und damit, dass keine neuen, ineffizienten Gasheizungen mehr eingebaut werden, solange es nicht absolut notwendig ist.
Zweitens. Das Angebot steigt, denn der Bund treibt parallel in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade den Bau zahlreicher LNG-Projekte voran, und auch die europäischen Nachbarstaaten bauen massive Kapazitäten auf. Während es im letzten Jahr noch keine Importkapazitäten für LNG in Deutschland gab, entsprechen sie in diesem Jahr schon mehr als 15 Prozent des deutschen Gesamtbedarfs und werden sich bis zum nächsten Jahr noch einmal fast verdreifachen.
Wie gut sind wir damit für die nächsten Jahre gerüstet? Wie kritisch bleibt die Gasversorgung? Reichen die Kapazitäten oder stehen uns Engpässe bevor? Das, werte Abgeordnete, sind doch die zentralen Fragen. Die Antwort lautet, schon ab nächstem Jahr führen die bestehenden LNG-Importkapazitäten zu einem deutlichen Überschuss. 2024 bleiben bei dem geplanten Import nach Abzug des Bedarfes über 12 Milliarden Kubikmeter Erdgas übrig, und da ist bereits die Versorgung unserer osteuropäischen Nachbarn mit einberechnet. 2026 können wir schon weit mehr als ein Drittel über das hinaus importieren, was in Deutschland überhaupt nachgefragt wird.
Warum zusätzlich zu alldem dann noch ein weiteres Projekt mit Importkapazitäten für LNG in Mukran vorangetrieben werden soll, das, werte Abgeordnete, ist für mich anhand der Daten nicht nachvollziehbar. Um dem entgegenzutreten, wird argumentiert, dass es eines Puffers bedarf, um für unvorhersehbare Ereignisse gewappnet zu sein. Um diese Befürchtung zu berücksichtigen, rechnet die Bundesregierung jedes Jahr mit einem zusätzlichen pauschalen Aufschlag auf den deutschen Bedarf und dem unserer Nachbarländer von zehn Prozent. Und jetzt – Überraschung! –: Selbst das schaffen wir 2024 ohne ein weiteres LNG-Terminal.
Und was ist jetzt mit diesem Jahr? Vertraut man auf das Gaskonzept, ist das Jahr 2023 auf Kante genäht, das stimmt. Ob diese Aussage mit Blick heute noch so stimmt, dazu komme ich gleich noch. Doch wäre, wenn das stimmt, so ein LNG-Terminal vor Rügen überhaupt noch die Lösung? Das, werte Abgeordnete, kann man gar nicht oft genug sagen: Nein, ist es nicht, denn wir importieren ja nicht plötzlich über Nacht LNG morgen auf Rügen, sondern das muss erst mal gebaut werden. Das LNG-Terminal wird überhaupt nicht rechtzeitig bereitstehen, um noch für 2023 zur Versorgungssicherheit beizutragen.
Herr Minister Meyer – und wir haben uns ja bereits in der letzten Sitzung über dieses Thema kontrovers auseinandergesetzt – hat mir heute versichert, und dafür bin ich ihm ausdrücklich dankbar, ohne Gesetzesgrundlage wird auf Rügen nichts genehmigt und erst recht nichts gebaut. Ein Start vor 2024 ist daher nicht realistisch. Ich weiß jedenfalls nicht, wie es geht. Und auch der Bundeswirtschaftsminister wird seit Ende April mit Aussagen in diese Richtung zitiert.
Noch klarer wird die Lage, wenn man einen Blick auf die aktuellen Import- und Verbrauchszahlen für die ersten Monate aus 2023 wirft. Wenn man das Gasgesamtkonzept auf die bereits vergangenen Monate des Jahres runterrechnet und mit dem tatsächlichen Import, den man ja jetzt schon kennt, in diesem Zeitraum vergleicht, erkennt man, wir liegen mehrere Milliarden Kubikmeter über den Erwartungen. Das zusammen mit unseren Gasspeichern, die zu mehr als Zwei Dritteln gefüllt sind, das bedeutet, wir sind selbst heute schon mit irgendwelchen wie auch immer spontan aufgekommenen höheren Bedarfen bereits hervorragend gerüstet. Bis zum Ende des Jahres wird dieser Gesamtpuffer unter den Voraussetzungen dann voraussichtlich auf 26,6 Milliarden Kubikmeter anwachsen. 26,6 Milliarden! Das sind 30 Prozent unseres Gesamtbedarfes von 90 Milliarden Kubikmetern.
Es ist Zeit, dass auch wir uns diesen Fakten stellen. Ein LNG-Terminal vor Rügen wird nicht zwingend gebraucht,
steigert nur ohnehin fossile bestehende Importüberschüsse, zementiert die Nutzung fossiler Energieträger und ist in Anbetracht der nötigen Transformation unseres Energiesystems aus meiner Sicht eine enorme Fehlinvestition.