Protocol of the Session on May 11, 2023

Beim Bundeskriminalamt – das wissen Sie wahrscheinlich – hat es ein Bundeslagebild 2021 gegeben, was ausführlich zu dieser Thematik Stellung genommen hat. Und das hat auch auf die weiteren Besonderheiten der Datengrundlage hingewiesen. Es gibt nämlich – und das hat die Vertreterin der GRÜNEN vorhin etwas ausführlicher dargestellt – keine anerkannte kriminologische Definition der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Das ergibt sich dort auf Seite 6 des Lageberichtes. Und der vorliegende Antrag sorgt auch deswegen für etwas Verwirrung, weil Sie ja einerseits hier die Beleidigung und üble Nachrede einbeziehen, andererseits aber schwerere Vorwürfe wie Nötigung, Bedrohung, schwerwiegende Angriffe wie Totschlag oder Ähnliches gar nicht aufführen und sie da auch nicht mit einbeziehen. Da ist, wie ich finde, die Datengrundlage des Bundeskriminalamtes seriöser.

Außerdem ist zu beachten, dass statistische Veränderungen – auch das, glaube ich, wissen Sie – auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sein können. Es gibt in diesem Lagebericht ein gutes Beispiel dafür. Da wird ein großer Anstieg von Landfriedensbruchstraftaten, die in unserem Zusammenhang durchaus wichtig sind, beschrieben, und der ist darauf zurückzuführen, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer körperlichen Auseinandersetzung von Hunderten von Personen beim Fußballspiel in Rostock in einem bestimmten Jahr abgeschlossen wurden und damit dann statistisch erfassbar wurden. Solche statisti

schen Erhebungen muss man herausrechnen, wenn man seriös mit den Daten umgehen will.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Kritisch zu betrachten ist aber insbesondere Ihre Aufforderung, die Landesregierung aufzufordern, bei allen Staatsanwaltschaften nun Sonderdezernate einzurichten. Zunächst einmal, es war so ganz dezent am Anfang zu erkennen, wieso überhaupt die Landesregierung hier im Geschäft ist. Sie haben das so ein bisschen konstruiert über den Finanzminister, aber ich hoffe und wünsche mir eigentlich, dass Sie nicht meinen, dass die Landesregierung hier durchgreifen soll auf die Staatsanwaltschaften, um dort so etwas einzurichten. Das kann ich mir im Augenblick, ehrlich gesagt, nicht so gut vorstellen.

Und selbst von unserer Justizministerin kann ich mir das so nicht vorstellen. Wir haben nämlich in unserem Ausschuss mehrfach auch über den Durchgriff auf die Staatsanwaltschaft geredet. Und mir ist sehr deutlich geworden in dem Zusammenhang, dass sie sehr distanziert, sehr vorsichtig, sehr zurückhaltend ist mit Anweisungen an die Staatsanwaltschaft, und das aus gutem Grund.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und sie hat es ja auch gerade selbst gesagt, sie hat sich natürlich bei der Generalstaatsanwaltschaft erkundigt und bei den anderen Staatsanwaltschaften, und auch ich habe bei meinen informellen Ermittlungen von da aus nicht die Rückmeldung bekommen, dass das jetzt gerade dringend nottun würde. Also insofern, glaube ich, kann man auch aus diesem Grunde erst mal damit entspannt umgehen.

Aber natürlich, jede Straftat, insbesondere auch gegen Strafverfolgungsorgane, ist eine zu viel, das ist völlig unstreitig, und auch die Begründung, die wir manchmal von den Tätern hören, die Gewaltausübung sei ja gegen einen Stellvertreter des Staates und damit soll das gesamte staatliche Handeln dann also irgendwie infrage gestellt werden, das geht natürlich gar nicht. Und Straftaten gegen Polizistinnen und Polizeibeamte damit zu legitimieren, dass dem Täter selbst Unrecht geschehen sei – auch das habe ich schon gehört –, die dürfen keinen Nährboden bekommen. Auch das geht nicht.

Aber der Ansatz der CDU, ich zitiere, „mit der gesamten Härte des Rechtsstaates“ vorzugehen, ist hier einfach nicht zielführend. Ich folge da, ehrlich gesagt, eher einer Analyse des Bundeskriminalamtes. Am Ende seines Lagebildes hat es sich nämlich sehr ausführlich genau damit befasst, was jetzt zu tun wäre.

Und jetzt darf ich zitieren aus diesem Lagebericht, Seite 51 – ich habe das ein bisschen gestrafft hier aus Zeitgründen, aber die wesentlichen Inhalte sind nicht verändert –: „Um den dargestellten Entwicklungen entgegen zu wirken, muss die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber“ Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten „verstärkt werden – insbesondere vor dem Hintergrund“ komplexer Zusammenhänge. Das BKA hat zum Beispiel festgestellt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht, dann gibt es einen tendenziellen Anstieg von Widerständen. Das muss man, glaube ich, auch einfach mal mitnehmen und darüber

nachdenken, wo es solche komplexen Zusammenhänge geben kann.

Und weiter heißt es dort, ich zitiere weiter: „Eine bestmögliche Ausbildung, die auch“ eine „weitere Sensibilisierung und Bewusstseinsstärkung bzgl. der gesellschaftlichen Vielfalt umfasst, … eine optimale Schutzausstattung … und vielseitige Ausrüstung mit Einsatzmitteln“, das bildet „die Grundlage für eine kompetente und verhältnismäßige Bewältigung der durch Gewalttaten geprägten Einsatzsituationen.“ Ich teile, ehrlich gesagt, diese Analyse, auch diese Schlussfolgerung.

Und wenn ich zusammenfassen darf: Ich bin gerne dabei, wenn wir die Polizei in der beschriebenen Weise und im Bewusstseinsbildungsprozess, aber auch in ihrer Ausrüstung stärken Sonderdezernate sind diesbezüglich der falsche Weg und der Antrag ist daher abzulehnen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

An dieser Stelle begrüße ich Mitglieder des Seniorenbeirates der Hansestadt Wismar. Schön, dass Sie unserer Debatte folgen!

Ich rufe auf für die Fraktion der AfD den Abgeordneten Horst Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass die CDU die wachsende Gewalt gegen Polizei- und Rettungskräfte zum Thema gemacht hat, denn dieses Problem ist nicht neu, sondern ein sich seit Jahren verschlimmernder Zustand mit gelegentlichen spektakulären Gewaltorgien, die schon oft zuvor im Kalender der Chaoten und der Polizei vornotiert sind, zum Beispiel der 1. Mai.

Meine Damen und Herren, warum diese wachsende Gewalt? Die CDU spricht in ihrem Antrag von „Gruppen, deren Wertvorstellungen einem aufgeklärt-rechtsstaatlichem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit zuwiderlaufen …, wo sich eigene Wertvorstellungen herausbilden“ und „der Rechtsstaat abgelehnt wird“.

Meine Damen und Herren, vielleicht fängt das Problem mit dieser Akademisierung von Begrifflichkeiten bei nackter, brutaler und sinnloser Gewalt an, anstatt die besonders auffälligen Tätergruppen ganz einfach beim Namen zu nennen. Wer sind denn die Täter, die in Leipzig, Berlin und anderswo ganze Straßenzüge demolieren und nahezu bürgerkriegsähnliche Zustände herstellen? Welche Gruppierungen haben in der Silvesternacht ihre Gewaltexzesse betrieben und Feuerwehrleute um ihr Leben fürchten lassen? Ich muss hier nicht wiederholen, Sie kennen sie alle.

An der Stelle zur Aufklärungsquote: 95 Prozent – ist natürlich völlig irreführend, Frau Oehlrich, weil gerade diese Delikte aus Massenveranstaltungen heraus dabei nicht erfasst sind und natürlich auch den Schwerpunkt der wirklichen Angriffe und Strafverletzungen bilden.

(Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei uns gab es ja auch keine Massenveranstaltungen.)

Nun zum Vorschlag, Sonderdezernate einzurichten: Das ist ein wohlmeinender, aber realitätsferner Antrag, denn dafür besteht keine Notwendigkeit. Ein Sonderdezernat ist angebracht, wenn es sich um aus dem Rahmen fallende Delikte handelt, die besondere Fachkenntnisse erfordern, oder wenn andere Umstände es als sinnvoll erscheinen lassen, bestimmte Fälle aus dem normalen Betrieb herauszunehmen. Das ist hier mitnichten der Fall, denn es handelt sich bei den in Betracht kommenden Delikten – Widerstand und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung sowie Körperverletzung – um ganz normale Vergehen, sozusagen Fälle aus dem Standardsortiment einer Staatsanwaltschaft.

Eine andere Frage ist, inwieweit es sinnvoll ist, die vielen Einzelfälle, die sich aus einem größeren Geschehen ergeben – Beispiel Silvesternacht – zu bündeln. Aber das ist ohnehin gängige Praxis, das sieht bereits die Aktenordnung vor. Dafür muss man keine Sonderdezernate einrichten. In Schleswig-Holstein und Hessen wurden allerdings solche Dezernate eingerichtet, jedoch mit einer unterschiedlichen Einordnung. Mal geht es nur um Polizisten und Rettungskräfte, mal um alle Amtsträger, mal nur um schwere Fälle. Das schafft Raum für Diskussionen über interne Zuständigkeiten, zum Beispiel darüber, wo der schwere Fall beginnt und ob das nicht der andere Kollege machen soll.

Die hessische Generalstaatsanwaltschaft begründet die Einrichtung der Sonderdezernate so, Zitatanfang: „Wer sich für den Staat und die Gesellschaft einsetzt, verdient besonderen Schutz, insbesondere auch durch eine konsequente Strafverfolgung.“ Meine Damen und Herren, diese Begründung hört sich für die Öffentlichkeit gut an, beinhaltet aber auch das Eingeständnis, dass es bisher nicht gut läuft mit der Strafverfolgung, denn sonst würde man ja nicht über Sonderdezernate nachdenken.

Meine Fraktion ist allerdings der Meinung, dass die Strafverfolgung bei jedem Geschädigten, unabhängig davon, ob es sich um einen Amtsträger handelt, konsequent betrieben werden muss. Es darf keine Hierarchie der Opfer geben. Für uns macht es keinen Unterschied, ob die Verkäuferin, die Gerichtsvollzieherin, der Polizist oder der Rettungssanitäter angegriffen wird. Hier darf es keine Priorisierung geben! Und ich bin mir sicher, dass jeder engagierte Polizist das nicht anders sieht.

Zudem haben die meisten keine Vorstellung davon, wie die Ermittlungen tatsächlich laufen. Die Ermittlungsarbeit liegt ganz überwiegend in den Händen der Polizei und die wird in Fällen eigener Betroffenheit hinreichend motiviert sein. Den ermittelnden Staatsanwalt gibt es eigentlich nur im Krimi. Die Staatsanwaltschaft befasst sich regelmäßig erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen näher mit dem Fall und entscheidet dann, ob sie Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt oder eventuell noch weitere Ermittlungen fordert und deshalb dazu die Akten zurück an die Polizei gibt. Danach landen die Akten bei Gericht und da sind sie dann im Lichte der richterlichen Unabhängigkeit einem ungewissen Schicksal ausgeliefert, sowohl was die Verfahrensdauer anbelangt als auch die Höhe der Strafe.

Bei Anwendung derselben Gesetze ist man hier von einer einheitlichen und konsequenten Rechtsprechung weit entfernt, und zwar nicht nur zwischen den einzelnen Ländern, zum Beispiel Bayern und den Nordländern, und Gerichten, sondern auch an demselben Gericht. Genau

hier kommen gelegentlich Zweifel an einer konsequenten Rechtsverfolgung auf, zum Beispiel bei der inkonsequenten Aneinanderreihung von Bewährungsstrafen.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Natürlich wirkt es verstörend, wenn bei völlig vergleichbaren Fällen die Konsequenzen höchst unterschiedlich ausfallen können, von der Einstellung gegen Auflagen bei dem einen Gericht bis zu einer Haftstrafe bei dem anderen Gericht. – Sie staunen? Das ist so.

Und auch hier ist eine nicht immer nachvollziehbare unterschiedliche Praxis bei der Strafaussetzung zur Bewährung zu beobachten. Die Staatsanwaltschaft hat hier zur Bewahrung einer einigermaßen einheitlichen Rechtsprechung eine gewisse Lenkungsmöglichkeit durch die Antragstellung im Verfahren und den Gebrauch von Rechtsmitteln. Und aus meiner Erfahrung sollte sie hier und da etwas mehr Gebrauch davon machen, wenn zum Beispiel – ich habe noch ein bisschen Zeit, ich erwähne das hier – uns gerade ein Fall zugetragen wurde, wie, ohne Einzelheiten zu berichten, eine 15-Jährige auf brutalste Weise mit allem Drum und Dran vergewaltigt wurde und dann in erster Instanz von der Jugendkammer ein Jahr und neun Monate ausgesprochen wurden, und im Berufungsverfahren – man legt ja dann noch eine Berufung ein – das Berufungsgericht, das Urteil liegt mir vor, wörtlich schreibt, dass es drei Jahre für angemessen hält. Daraus entnehmen Sie, dass es nicht nur meine private Würdigung ist, sondern des Berufungsgerichts, aber am Ausspruch der dreijährigen Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, sich gehindert sah, dadurch, dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt hatte. Das ist die Praxis.

Also Ergebnis, Fazit für uns: Eine konsequente Strafverfolgung von Straftaten gegen Amtsträger – Klammer auf, und gegen alle Opfer von Straftaten, Klammer zu –, ja und nochmals ja, aber Sonderdezernate absolut überflüssig. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Es gibt jetzt noch einen Redebeitrag seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Den würde ich vorziehen, ehe wir den abschließenden dann von der CDU hören.

Frau Oehlrich, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil mir dieses Spielen mit Zahlen, das Sich-Bedienen hier von Zahlen ungeheuer gegen den Strich geht.

Die Silvesternacht in Berlin, also das, was wir hier Silvester hatten, ist überhaupt nicht zu vergleichen. Diese beiden Silvesternächste sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Aber schauen wir uns trotzdem die Zahlen der Berliner Polizei an: Da waren ursprünglich 145 Festnahmen gemeldet worden, von den Verdächtigen hätten 45 die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt, ja?! Das war die

ursprüngliche Meldung. Daraufhin meldet sich CDU-Chef Friedrich Merz zu Wort

(Sebastian Ehlers, CDU: Guter Mann!)

mit diesem „Kleine-Paschas“-Zitat, ja,

(Sebastian Ehlers, CDU: Ja, da hat er recht gehabt.)

mit diesem „Kleine-Paschas“-Zitat. Das wird hier noch mal wiederholt.

(Sebastian Ehlers, CDU: Da hat er recht gehabt.)

Ich hatte damals in unserer Debatte gesagt, damit bedient er rassistische Ressentiments.

(Sebastian Ehlers, CDU: Das stimmt nicht!)

Und, Frau von Allwörden, damit machen Sie hier genau dasselbe,