Protocol of the Session on May 11, 2023

Noch mal zur Erinnerung, worum es sich bei der Mehrzahl der als Gewalttat gezählten Widerstandshandlungen handelt: Es ist das Herauswinden des Armes aus dem sogenannten polizeiüblichen Festhaltegriff, ein Griff, der als unmittelbarer Zwang in der Regel angedroht werden muss, aber eben oft nicht wird.

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Und es ist das Stemmen gegen die Laufrichtung,

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Ist das die Haltung der Polizei? Ist es das, wovon Sie gerade gesprochen haben?)

es ist das Stemmen gegen die Laufrichtung, wenn man durch die Polizei irgendwo hingebracht werden soll

(Zuruf aus dem Plenum: Sie können es nicht lassen.)

und man eben nicht so schnell will wie die Polizei, oder aktuell auch das Wegtragenlassen bei friedlichen Sitzblockaden.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Allein durch das Anspannen der Muskeln wird das zum strafbaren Widerstand und als Gewalttat gezählt. Das ist irre, meine Damen und Herren!

(Beifall Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist, …

(Sebastian Ehlers, CDU: Sprechen Sie aus Erfahrung, oder was?)

Aus meinen Erfahrungen als Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht, selbstverständlich.

Fakt ist, die meisten Vorfälle sind das unschöne Resultat aus männlicher Sozialisation gepaart mit junger Renitenz und einem übermäßigen Genuss von Alkohol und anderen berauschenden Substanzen. Sie bringen eben nicht vordergründig eine Abneigung gegen den Staat zum Ausdruck oder sind auch kein Angriff auf die Demokratie, wie Sie es noch im Januar verkürzt darstellen wollten.

Worauf ich Sie auch im Januar schon hingewiesen habe – und ich weiß, ich werde es öfter noch tun müssen, auch heute noch mal –: Der Rechtsstaat,

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Mensch, Sie zeigen ja wieder, wie unfassbar stark Sie hinter den Rettungskräften und Polizisten stehen. Wirklich Wahnsinn!)

der Rechtsstaat, den Sie so gerne beschwören, ist nicht dafür da, mit voller Härte zuzuschlagen. Der Rechtsstaat zeichnet sich per Definition – nachzulesen unter anderem auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung – dadurch aus, dass, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin, „Regierung und Verwaltung nur im Rahmen der bestehenden Gesetze handeln dürfen“, die „Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger garantiert sein (müs- sen)“ und die „staatliche(n) Entscheidungen … von unabhängigen Gerichten überprüft werden können“.

Der Rechtsstaat ist also definiert als Gesetzmäßigkeit allen staatlichen Handelns und nicht allen Handelns der Bürgerinnen und Bürger.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Und die Polizei gehört dazu.)

Er ist damit vielmehr Ausdruck von Verhältnismäßigkeit und nicht von der maximalen Durchschlagskraft staatlicher Organe. Hier gilt eben nicht das Recht des Stärkeren,

(Heiterkeit bei Ann Christin von Allwörden, CDU)

wie Sie richtig feststellen, und das soll auch so bleiben.

(Beifall Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was mir völlig in Ihrem Feststellungsteil fehlt, aber Sie haben es immerhin einmal kurz erwähnt, ist die Erwähnung von weiteren Amtsträgerinnen und Amtsträgern, die immer häufiger Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt sind.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Ich habe noch nie so viel Schwachsinn auf einmal gehört.)

Aber, wie gesagt, Sie haben es wenigstens einmal hier in Ihrer Rede erwähnt.

In Hessen,

(Beate Schlupp, CDU: Fragen Sie doch mal in den kommunalen Krankenhäusern nach!)

in Hessen wurden die Sonderdezernate unter anderem unter dem erschütternden Eindruck des rechtsterroristischen Mordes an Dr. Walter Lübcke, dem Regierungspräsidenten des Bezirkes Kassel, eingerichtet. Auch in Mecklenburg-Vorpommern müssen wir in den vergangenen Monaten immer häufiger Anfeindungen gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern erleben. Das sollte auch hier im Parlament jedem bekannt geworden sein, als zum Beispiel sogenannte Querdenker unter eindeutigen Sprechchören vor dem Wohnhaus unserer Ministerpräsidentin aufmarschieren wollten und aus dem gleichen demokratiefeindlichen Klüngel heraus Morddrohungen in einer Telegramgruppe veröffentlicht wurden.

Neben Feuerwehr- und Rettungskräften gilt es, auch diesen Menschen und an dieser Stelle insbesondere Frau Schwesig unsere volle Solidarität auszusprechen. Im Antrag der CDU-Fraktion lese ich davon leider kein Wort. Stattdessen ergießen Sie sich in verklausulierten gruppenbezogenen Anwürfen und fabulieren von einem exzessiven Deliktstypus, der angefacht werde von einer tief sitzenden Verachtung gegen diesen Staat, die sich

noch mehr in abgeschotteten Gruppen ohne Wertvorstellungen und weit abseits zivilisatorischer Errungenschaften potenziere.

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Ich habe eben schon ausgeführt, dass dieses dystopische Zerrbild, welches Sie hier zeichnen, zumindest mit der bekannten Faktenlage in Mecklenburg-Vorpommern nicht in Einklang zu bringen ist. Aber vielleicht erläutern Sie mal, von welchen in sich geschlossenen Gruppen Sie sprechen und aus wessen Fantasiewelt diese entsprechen! Sind es die Barbershops, in denen Frau von Allwörden eine einzige Großfamilie wittert und in denen nicht nur Scheren und Rasierklingen, sondern auch hoch kriminelle Clanstrukturen am Werk sind?

Meine Damen und Herren, wir stützen Politik lieber auf Fakten als auf bloße Vermutungen und populistische Thesen. Wir nehmen die steigenden Fallzahlen von entsprechenden Straftatbeständen wahr und ernst.

(Zuruf von Christiane Berg, CDU)

Wir bewerten diese aber auch unter dem Eindruck relevanter Umstände, und hier möchte ich nur kurz zwei anreißen:

Erstens. Mit dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen kommen Menschen häufiger und in größeren Gruppen zusammen. Wo Menschen aufeinandertreffen, wird häufig Alkohol konsumiert und es kommt nicht selten zu Streitereien.

(Beate Schlupp, CDU: Wie lange hatten wir denn Corona? 20 Jahre?)

Ja, Sie haben die Steigerung von 2021 – Corona – zu 2022 genannt, ja, kein Corona. Ja, also, ne?!

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Es kam auch zu einem Anstieg von einschlägigen Fallzahlen durch Verschärfungen im Strafrecht und die Aufnahme des sogenannten tätlichen Angriffs ins Strafgesetzbuch. Und hier erlauben Sie mir einen Kommentar: Es ist nicht mehr als eine selbsterfüllende Prophezeiung, wenn die Schwelle eines strafrechtlich relevanten Tatbestandes deutlich abgesenkt und in der Folge ein Anstieg der Fallzahlen festgestellt wird. Wir drehen uns immer weiter in einem sicherheitspolitischen Teufelskreis, wenn diese Zahlen wiederum genutzt werden, um weitere Verschärfungen zu fordern, und diese wie im vorliegenden Antrag argumentativ zur Einrichtung von Sonderdezernaten herhalten müssen. Anders gesagt: Es ist auch Ihre Politik im Bund, die zu der Erhöhung der Fallzahlen führt, nur, damit Sie sich dann kurze Zeit darüber beklagen, dass die Zahlen weiter steigen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Das ist nicht seriös, meine Damen und Herren der CDUFraktion.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Wie gesagt, wir orientieren Politik lieber an tatsächlichen Bedarfen und den sehen wir derzeit in MecklenburgVorpommern nicht. Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Ich wurde gerade darauf hingewiesen, dass Sie wohl aus einem nicht öffentlichen Teil des Innenausschusses hier berichtet und zitiert haben, und das auch fachlich und sachlich nicht ordnungsgemäß. Darauf möchte ich jetzt hier hinweisen und, ja,

(allgemeine Unruhe – Torsten Koplin, DIE LINKE: Das muss erst mal geprüft werden.)

das als Ordnungsruf sozusagen Sie darauf hinweisen.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Ja, das prüfen wir.)