Was würden Sie tun, wenn Krankenhäuser zerstört, wenn selbst relativ einfach zu behandelnde Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck aufgrund fehlender medizinischer Versorgung das Todesurteil für Ihre Mutter, für Ihren Vater wären?
Was würden Sie tun, wenn Dürrekatastrophen, wenn Überschwemmungen, wenn Erdbeben Ihre Heimat zerstört haben?
Was wäre Ihr Weg, Ihren Liebsten das Menschenrecht auf ein Leben in Freiheit und Unversehrtheit zu ermöglichen?
Und wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie in der erhofften Sicherheit angekommen sind, Hass, Vorverurteilungen und Kriminalisierung und der Ruf nach Ihrer sofortigen und bestmöglichen schnellen Abschiebung laut ist?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Ich möchte für meine Fraktion und für mich feststellen, dass Flucht kein Verbrechen ist. Im Spannungsfeld von Macht, Ressourcenknappheit und Profiten begeben sich Menschen auf die Flucht, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Ich möchte für meine Fraktion und mich feststellen, dass die Debatte um irreguläre und reguläre Migration – Moment – die Tatsache verwischt, dass die meisten Menschen auf der Suche nach Schutz ohne legalen Aufenthaltsstatus Teil der gesellschaftlichen Realität sind, und zwar überall, auch in den EU-Mitgliedsstaaten. Diesen rechtlichen Status, den haben sich die Migrant/-innen in der Regel nicht selbst ausgesucht oder diesen angestrebt. Das Abdriften in die Illegalität vieler Einwanderungen ist unter anderem ein Resultat der Abschottungspolitik Europas der letzten Jahrzehnte, in denen die EUStaaten reguläre Einreisemöglichkeiten sukzessive abgebaut und gleichzeitig ihre Außengrenzen durch immer schärfere Kontrollen undurchlässiger gemacht haben.
Auch jetzt sind die Stimmen laut, die fordern, Europas Grenzen mit noch mehr Mauern zu schützen, und Abschiebungen als die Lösung des Problems propagieren. Ich finde das alarmierend, weil hier Menschenrechte völlig ausgeblendet werden, völkerrechtswidrige Zurückweisungen, die Gewalt an Europas Grenzen und das
Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! In unserer Gesellschaft wie auch in den Parlamenten ist mitunter die Grenze des Unsagbaren überschritten worden, das Unsagbare ausgesprochen. Ich bin mir sicher und ich möchte daran festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land nach wie vor zu Recht und Gesetz und zu Solidarität und Menschlichkeit stehen.
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wir haben eine Gesetzeslage, die nicht umgesetzt wird, Frau Pulz-Debler. Darum gehts.)
Die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, und das Anerkennen der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland mit einer migrantischen Gesellschaft ist, das sollte selbstverständlich die Grundlage der Diskussion und unseres Handelns sein.
Ich bin weiter überzeugt, die weitere Zerstörung der Natur, die weitere Zerstörung des Zusammenhalts und die Entmenschlichung unserer Gesellschaft sind nicht die Lösung. Vielen Dank, wenn Sie das auch so sehen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche mir, dass wir mit der heutigen Debatte nicht den Blick zerstören auf die im Land, die bei Aufnahme und Integration täglich – und das seit vielen Jahren – Großartiges leisten.
Ich weiß auch, dass ich froh bin, dass wir am heutigen Tag auch noch die Aussprache zum Thema Rassismus haben. Ich nehme mir die Zeit, immer wieder zu erklären, dass Flucht vor Krieg, Gewalt, Unterdrückung, Umweltkatastrophen oder Hunger weltweit dazu führt, dass Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz sind. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit.
Für uns gilt die humanitäre Verpflichtung, Geflüchtete aufzunehmen und dies als gemeinschaftliche Aufgabe der gesamten Gesellschaft auch anzuerkennen. Deutschland und damit Mecklenburg-Vorpommern ist ein Einwanderungsland. Deutschland und das Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern haben Erfahrung damit. Und ich meine nicht nur die Jahre 2015/2016, ich erinnere an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als hier eine Million Flüchtlinge aufgenommen wurden. Erinnern können sich an die Zeit nach 1945 nur wenige. Die Jahre 2015/2016 sind vielen von uns stark in Erinnerung.
Lebensumstände, wirtschaftliche Voraussetzungen, politische, aber auch ganz private Entscheidungen damals und in jüngster Vergangenheit können wir rückblickend einordnen. Ist es gelungen, Lehren daraus zu ziehen? Manch ein Dorf, eine kleine Stadt wäre heute nicht so, wie wir sie kennen, wenn sie nicht durch zugewanderte Menschen geprägt worden wäre. Aus Geflüchteten, die 2015 und 2016 gekommen sind, sind neue Nachbarn geworden, und auch das Chancenaufenthaltsrecht wird es weiteren Menschen ermöglichen, Teil unserer Gesellschaft zu werden.
Seit 2014 kann ich als fachpolitische Sprecherin für Migration, Integration und Entwicklungspolitik sowie von 2016 bis 2019 als Integrationsbeauftragte der Landesregierung und aktuell wieder als Landtagsabgeordnete ganz nah an dem Thema dran sein. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Arbeit ist es, dass Ankommen, Unterkommen und letztlich ein Willkommen nur gelingen, wenn auf allen politischen, staatlichen, kommunalen und privaten Ebenen gemeinsam gearbeitet wird.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und René Domke, FDP – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)
Das schließt gegenseitige Information, Kommunikation, Verständnis und Respekt voreinander ein. Hier muss jede und jeder Verantwortung auch tragen. Und ich erwarte auch von den Medien eine verantwortungsvolle mediale Berichterstattung und keinen Sensationsjournalismus.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Breite der Themen, die unser gemeinsamer Antrag von SPD und DIE LINKE, aber teilweise auch die Anträge von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP aufgreifen, zeigen deutlich, dass die Regelungen von Zuwanderung und Fragen der Integration in unser Gemeinwesen eng miteinander verbunden sind. Ehrenamtliches Engagement, Unterbringung, Asylverfahren, Beratung, Spracherwerb, Sprachmittlung, Bildung, Gesundheitsversorgung, besonders schutzbedürftige Menschen, gesellschaftliches Zusammenleben, Sport, Arbeit und Fachkräfte sind Bereiche, in denen Landesregierung und Bund aufgefordert werden, Rahmenbedingungen zu verbessern.
Dabei geht es nicht um kurzfristige, sondern um kluge und gemeinsam abgestimmte Entscheidungen. Dabei geht es nicht um die Schaffung neuer parlamentarischer Arbeitsgremien, sondern um das abgestimmte Funktionieren bestehender Strukturen, die finanziell abgesichert
sein müssen. Und ich freue mich schon heute in der Haushaltsdiskussion darüber, dass wir dann alle gemeinsam auch dafür sorgen. Verantwortungsvolles Handeln kann dann gutes Zusammenleben gegenwärtig und in Zukunft möglich machen sowie die Leistungsfähigkeit jeder Ebene berücksichtigen. Nutzen wir die Chance der unter breiter Beteiligung bereits begonnenen Erarbeitung unseres modernen Integrations- und Teilhabegesetzes!
Es geht aber auch darum, bereits im Haupt- und Ehrenamt erbrachte Leistungen besonders im Land und auf kommunaler Ebene auch anzuerkennen und zu würdigen. Verweisen möchte ich nochmals auf die nicht selbstverständliche Übernahme der Kosten für Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden durch das Land. Mit Hochachtung begegne ich an vielen Orten aktivem Ehrenamt. Dank gebührt kommunalen Vertretungen und Verwaltungen, die die Aufgaben, vor denen wir stehen, aktiv begleiten und Ehrenamt unterstützen.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und René Domke, FDP)
Zahlreiche Beispiele belegen gelingende Unterbringung und Integration, über die es lohnt zu berichten.
Sehr geehrte Zuhörende, immer dann, wenn Menschen an einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den hier aufgeworfenen Themen interessiert sind, bin ich und sind sicher viele meiner Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, aber auch vor Ort in den Kommunen bereit zur Diskussion. Zusammenkünfte, bei denen Hass, Hetze, Rassismus und Gewalt Raum haben, sind für mich keine Bühne. Ich wende mich von hier aus an alle Menschen im Land mit der Bitte, sich von demokratiefeindlichem Verhalten nicht Angst machen zu lassen. Nicht immer haben die recht, die am lautesten rufen.
Natürlich sind Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zentrale Grundrechte unserer Demokratie. Wir dürfen es aber nicht zulassen, dass sie von rechtsextremen Gruppen missbraucht werden. Erkennen wir als Politikerinnen und Politiker unsere Verantwortung und unsere Vorbildrolle! Gestalten wir Prozesse...
Frau Kaselitz, jetzt muss ich Sie unterbrechen. Ich habe die rote Lampe gezeigt und Sie hatten noch die Gelegenheit, zwei Sätze zu sagen. Das ist immer das Signal, das ist der letzte Satz.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und René Domke, FDP)
Ich begrüße auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Werkstattschule Rostock. Seien Sie uns herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niemand will dieses Land vor Ausländern abschotten, niemand leugnet, dass Zuwanderung auch Bereicherung bedeuten und Integration gelingen kann.