Protocol of the Session on October 6, 2022

und ich habe Angst, auf die Straße zu gehen, meine Meinung kundzutun,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Das ist kein Einzelfall.)

weil ich Angst habe vor Repressionen.

(Zuruf von Enrico Schult, AfD)

Und das, Herr Koplin, ist kein Einzelfall. Und deswegen ist dieses Thema aktueller denn je, und deswegen hat meine Fraktion genau dieses Thema hier richtig gesetzt. Und die einzigen Personen, die bisher völlig am Thema vorbei gesprochen haben, waren Sie und der Innenminister. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Möchten Sie darauf reagieren, Herr Abgeordneter?

(Julian Barlen, SPD: Das merken Sie selber, oder?)

Ja, nur insofern, Frau Präsidentin, die Reden jeweils stehen für sich und bringen das zum Ausdruck. Und aus meiner Sicht ist diesbezüglich alles gesagt. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nunmehr das Wort die Abgeordnete Constanze Oehlrich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Ich habe hier ein paar Aufzeichnungen dabei, das gebe ich zu. Mir ist es wichtig, in dieser Debatte auf den Punkt zu sprechen und die Fakten parat zu haben.

Laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte hat der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine bis Mitte September 5.916 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter mindestens 379 Kinder. Und die von den UN eingesetzte Untersuchungskommission für die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine hat in den Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy in der Ukraine eindeutige Beweise dafür gefunden, dass russische Soldaten Kriegsverbrechen begangen haben, darunter Hinrichtungen und Vergewaltigungen. Die Kommission hob hervor, dass russische Einheiten entgegen dem Kriegsvölkerrecht die ukrainische Zivilbevölkerung angegriffen haben. Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder seien gefoltert und getötet worden.

In Reaktion auf die fortgesetzten Angriffe der russischen Streitkräfte in der Ukraine hat die EU, abgestimmt mit den Bündnispartnern, abgestimmt mit den USA, Großbritannien, Kanada und weiteren Partnerländern, in mehreren Tranchen harte Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland beschlossen. Der damit verbundene weitgehende Stopp der russischen Gaslieferungen, das war hier ja schon mehrfach Thema, stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Die Energiekosten sind stark gestiegen, und das stellt eine große Belastung – das ist ja überhaupt nicht zu leugnen – dar, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft hier in Deutschland.

Und es ist klar, dass sich dann natürlich auch Protest regt, dass es dann natürlich auch Demonstrationen gibt, auch hier in Mecklenburg-Vorpommern. So kamen am 3. Oktober Medienberichten zufolge bei Demonstrationen in 24 Städten rund 10.000 Menschen zusammen und forderten unter anderem ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Und dass die Kritiker/-innen der Energiepolitik des Bundes und der Länder auf die Straße gehen und Gebrauch machen von ihrer Versammlungsfreiheit, ist völlig legitim. Natürlich können diese Menschen ihre Meinungen offen kundtun und sich aktiv am politischen Willensbildungs- und Meinungsbildungsprozess beteiligen. Das ist nichts Verwerfliches, das ist Ausdruck unserer freiheitlichen Demokratie.

Gleichzeitig ist es unbestritten – hoffe ich zumindest –, dass vielfältige Netzwerke und Einzelpersonen die Demonstrationen für ihre Zwecke nutzen und ihr menschenverachtendes Gedankengut in eine breitere Gesellschaft tragen wollen.

(Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es.)

Ich spreche hier von Anhänger/-innen von Verschwörungsmythen, ich spreche hier von Rechtsextremisten. Ihnen ist es viel zu weitgehend gelungen, den gesellschaftlichen Diskurs mit Hass, Hetze und Desinformationen zu vergiften. Und ich möchte hier ganz klar sagen,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: So bringen Sie doch mal ein paar Fakten mit rein!)

dass es überhaupt nicht mein Anliegen ist,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Das wäre doch mal ganz erfrischend.)

die sogenannten Montagsdemos pauschal zu diffamieren und alle Demonstrierenden als rechtsextrem abzustempeln. Es geht mir allein darum, darauf aufmerksam zu machen, dass verfassungsfeindliche Organisationen und Einzelpersonen dabei sind, diese Demonstrationen zu unterwandern.

(Dr. Eva Maria Schneider-Gärtner, AfD: Die Antifa.)

Um das zu belegen, möchte ich Ihnen einige Beispiele nennen. So war es zum Beispiel so, dass am 3. Oktober in Schwerin bei der Demo zwei Frauen Werbung gemacht haben für den österreichischen Fernsehsender AUF1, dessen Chefredakteur Führungskader der österreichischen Neonaziorganisation Bund freier Jugend war und der den bisherigen TV-Chef des rechtsextremen „COMPACTMagazins“, Martin Müller-Mertens, zum neuen Deutschlandkorrespondenten gemacht hat. In der Woche zuvor versuchte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ den Schweriner Demo-Anmelder Daniel Gurr zu interviewen, auch zu dieser fehlenden Distanz zu rechtsextremen Kräften. Und es war aber dann so, dass, anstatt sich eben kritisch auseinanderzusetzen mit diesem Thema, der Herr Gurr dem „Spiegel“ Framing vorwarf und das Interview vorzeitig abbrach.

In Waren war es so, dass bekennende Neonazis der Partei „Neue Stärke“ von den Demoorganisator/-innen als Ordner eingesetzt waren und in einer dort gehaltenen Rede ein Bogen gespannt wurde von der DDR-Zeit über die Corona-Politik bis hin zur aktuellen Situation. Und dabei wurden dann mal schnell die Corona-Maßnahmen mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglichen. Und wörtlich sagte die Rednerin, ich zitiere: „In Deutschland war es noch nie so schlimm wie seit Mengele.“ Weder wurde die Rede daraufhin abgebrochen, noch war Widerspruch zu hören.

In Rostock, das war hier eben auch schon Thema, ermittelt der Staatsschutz aufgrund eines möglichen Mordaufrufs auf einer Demonstration. Dort fielen am 19. September 2022 nach der Parole „Olaf Scholz ist nicht unser Kanzler“ aus der Menge deutlich hörbar die Worte „Scholz an die Wand!“.

Am 25. September 2022 hat ein Mitglied der Partei „dieBasis“ eine Demonstration in Lubmin organisiert. Der Organisator fiel schon während der Corona-Demos in Greifswald damit auf, das er ein „Nürnberg 2.0“ forderte, womit er ganz klar auf die Nürnberger Prozesse anspielte. Zudem trat in Lubmin der Rechtsextremist Andreas Kalbitz

auf, der aufgrund seiner Verbindung zur Heimattreuen Deutschen Jugend sogar aus der AfD ausgeschlossen wurde. In Lubmin kam es zu Gegenprotesten. So stellten sich vier Frauen mit Ukraineflaggen und Schildern mit der Aufschrift „Russia is a terrorist state“ vor der Bühne auf, woraufhin es ein Handgemenge gab und die Aktivistinnen, begleitet von lautem Schreien und Getrommel, von der Bühne weggedrängt wurden.

(Zuruf von Paul-Joachim Timm, AfD)

Statt sich mit dem Anliegen dieser Frauen auseinanderzusetzen, wurde der Gegenprotest im Nachhinein für illegitim und als von den Medien gesteuert dargestellt.

Ich könnte meine Aufzählung noch eine ganze Weile fortsetzen, aber ich denke, mein Punkt ist klargeworden: Die rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Auffälligkeiten auf den sogenannten Montagsdemos sind keine Einzelfälle. Es ist klar zu erkennen, dass hier systematisch versucht wird, Demonstrationen zu unterwandern und rechtsextreme Narrative zu setzen. Die Ängste der Menschen sollen dazu genutzt werden, Stimmung gegen den demokratischen Rechtsstaat zu machen und eben auch gegen dessen Repräsentant/-innen und um unser demokratisches System zu delegitimieren. Das dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist essenziell für unsere demokratische Grundordnung, dass alle Menschen sich friedlich versammeln können. Aber eine Versammlung wie die in Rostock, aus der heraus Morddrohungen formuliert werden, ist keine friedliche Versammlung mehr. Ich rufe, ich rufe heute, genau wie im Dezember letzten Jahres, dazu auf, genau darauf zu achten, wer die Demonstrationen anmeldet, wer dort mitläuft und was von den Redner/-innen gesagt wird. Und es geht mir hier nicht darum, es geht mir hier nicht darum, dass ich anderer Meinung bin als die Demonstrant/-innen, dass ich komplett dagegen wäre, die Sanktionen gegenüber Russland aufzuheben. Es geht darum, dass genau wie in der Hochphase der Corona-Pandemie auch heute wieder verfassungsfeindliche, rechtsextreme Kräfte die Ängste der Bevölkerung zu instrumentalisieren versuchen.

Und alle Teilnehmer der Demonstrationen gegen die Energiepolitik fordere ich dazu auf, sich deswegen klar und deutlich von Rechtsextremisten und Verschwörungsmythiker/-innen zu distanzieren.

(Thore Stein, AfD: Mystiker/-innen!)

Zeigen wir diesen Menschen, dass wir zwar oft unterschiedlicher Meinung sind, uns aber geschlossen gegen die Feinde unserer Verfassung stellen! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Frau Abgeordnete, es liegt ein Antrag auf Kurzintervention durch den Abgeordneten Martin Schmidt vor.

Bitte schön!

Vielen Dank fürs Wort, Frau Landtagspräsidentin!

Sehr geehrte Frau Oehlrich, also ich finde das schon ein bisschen unzusammenhängend, wie Sie das alles darstellen, bis sogar hin zu wirr.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Überhaupt nicht wirr, das war sehr deutlich!)

Also einerseits sagen Sie, wirklich ein großer Anteil der Leute, die anscheinend aus Ihrer Sicht relevant sind, sind Neonazis, die zu diesen Demos gehen,

(Julian Barlen, SPD: Das hat sie nicht gesagt.)

und auf der anderen Seite ist wirklich erwähnenswert für Sie, dass dort sehr viele Bürger sind, die – na ja, wie soll ich sagen – eine Art „Nürnberg 2.0“ wollen, die sozusagen in der Regierung …

(Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat sie nie gesagt.)

Das hat sie eben gesagt.

… Nazis sehen, „Mengele“ war hier das Thema und solche Geschichten, also die sich sozusagen so fühlen, als ob sie unter einem Naziregime leben würden. Und das klingt ja für mich wiederum auf der anderen Seite so, als ob diese Leute eben keine rechtsextremen Nazis sind, sondern eher den Autoritarismus, den Sie so bewerten, als Gefahr für sich selbst erachten.

Und da wünsche ich mir eigentlich, dass Sie vielleicht noch mal erklären, wie das alles zusammenhängt, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass es da einen Zusammenschluss gibt von, ja, Nazis, von Leuten, die Angst haben vor Nazis und Nazis verurteilen wollen in Nürnberg, oder ob für Sie wirklich der Großteil der Bürger dort einfach nur normale Leute sind, die jetzt ihren Unmut bekunden wollen, die nicht wissen, wie sie ihre Gasrechnung bezahlen sollen aufgrund der GRÜNEN-Politik, die nicht wissen, ob ihre Heizung überhaupt angeht wegen der GRÜNEN-Politik. Und das wäre mir ein Anliegen, dass Sie noch mal erklären,