Ich neige ja stärker dazu als zur Vorfertigung. Aber losgelöst davon, versuche ich jetzt einen Spagat zwischen dem Thema, was auf der Tagesordnung steht, und dem, was Herr Förster dazu beigetragen hat, weil ich den Eindruck habe, dass Sie in der Tat wiederholt Ihr eigenes Thema gestriffen haben, aber mehrheitlich andere Erörterungen geführt haben, die man führen kann, um da kein Missverständnis aufkommen zu lassen, die aber mit dem eigentlichen Thema mir nicht sofort übereinstimmend scheinen, oder aber – und dann sind wir an einem harten Dissens, den ich dann auch gerne austrage –, oder aber wir über diese Frage diskutieren, ob es Wahrheit bei Meinung gibt, ob es Wahrheit bei Meinung gibt.
Dann erinnere ich mich enorm gerne an eine Rede – ich glaube, es war der 25. Geburtstag unserer Landesverfassung – der früheren Bundesministerin und insbesondere der früheren Bundestagspräsidentin Frau, ich glaube, Professorin Dr. Rita Süssmuth, ich bin jetzt nicht sicher, ob ich alle Titel perfekt wiedergegeben habe, die einen sehr schönen Satz ihres Vaters zitierte, der, glaube ich, sehr richtig wiedergibt, was Demokratie als Leitsatz braucht, was Toleranz als Leitsatz braucht und demokratischer Diskurs. Jedenfalls ihr Vater hätte ihr immer gesagt, denk bei jeder Diskussion daran, vergegenwärtige dir regelmäßig, dass vielleicht auch dein Gegenüber recht haben könnte, vielleicht auch dein Gegenüber recht haben könnte.
Und wenn wir das zur Grundlinie der Diskussion machen, ob Meinungsfreiheit verteidigt werden muss, würden alle im Raume sagen, ja, und ob man Bürgerproteste ernst nehmen soll, würden wir ebenfalls sagen, ja, denn es könnte sein, dass der gegenüber recht hat. Es gibt keine Wahrheit in der Meinung.
Jetzt vermischen Sie das allerdings damit und deshalb die Bitte, diesen Satz auch ernsthaft zu reflektieren, dass Sie sagen, und weil ihr an verschiedenen Stellen eine falsche Meinung habt, nehmt ihr Bürgerproteste nicht ernst. Und das ist eine hochriskante und in Wahrheit Ihr Thema ins Gegenteil verkehrende Herangehensweise in Ihrer Rede.
Menschen ernst zu nehmen, ist mir ein hohes Anliegen, und das wird hoffentlich in diesem Saale, ich will mich von einzelnen Entgleisungen nie freimachen, keiner von uns ist perfekt, aber ich glaube auch, keiner in den Oppositionsfraktionen wird mir vorwerfen können, dass ich unentwegt nicht ernst nähme, sondern ich versuche, und das gilt auch für Gespräche mit Menschen draußen, ernst zu nehmen.
Das Ernstnehmen einer gegenüberliegenden Position mit diesem wunderschönen Leitsatz von Frau Dr. Süssmuth, vielleicht könnte der andere recht haben, zumindest muss man das für einen kurzen Augenblick für möglich halten, bedeutet umgekehrt aber nicht, dass ich sage, er
hat immer recht. Meine Auffassung ist deshalb nicht per se falsch und auch nicht die aller anderen Beteiligten. Wir müssen uns davor hüten zu sagen, weil Menschen demonstrieren gehen, ist das offenbar die Wahrheit, und wenn Politik etwas anderes fordert, dann ist sie in der Unwahrheit, sondern wir befinden uns in einem Diskurs. Ihr Ansatz zu sagen, aber natürlich müsst ihr zur Kenntnis nehmen, dass Demonstrationen euch aufmerksam machen darauf, dass Menschen etwas bewegt, das ist völlig unstreitig.
Eine zweite Verabsolutierung, die ich für extrem gefährlich halte, die in Diskussionen im Diskurs immer häufiger auftritt, ist zu sagen „das Volk“. Ich treffe auf Demonstrationen die Demonstranten, die mir sagen „das Volk“. Sie stehen zu zehnt dort und sagen „das Volk“. Du bist der Volksverräter, weil das Volk will es anders. Dann atme ich einmal schwer und sage, ich fürchte, Sie sind der Volksverräter, weil Sie das, was Demokratie, was der freie Diskurs will, diskreditieren, wenn Sie erstens für sich verabsolutiert sagen, „Ich bin das Volk“, und zweitens mir absprechen, dass ich vielleicht auch Teil dieses Volkes sein könnte. Ich weiß, dass wir in der Diskussion manchmal dazu neigen zu sagen, wir wüssten, was die Mehrheit tut. Ich weiß es oft nicht und scheue mich davor, weil die großen Teile der Mehrheit eben auch ein Stück weit schweigend zu Hause bleiben, vielleicht, weil sie unzufrieden sind, aber nicht rausgehen mögen, vielleicht, weil sie zufrieden sind.
Wir interpretieren das gerne alle wechselseitig. Aber ich warne davor zu sagen, wenn ein Bürgerprotest passiert, muss ein ganzes Land sofort umkehren. Und ich glaube, dass Politik den Diskurs suchen muss, ernst nehmen muss, aber dass das nicht bedeuten kann zu sagen, die anderen haben automatisch recht, also werfe ich alle Meinungen über Bord und wechsele die Seite. Im Übrigen bin ich mir sicher, wir würden dann sofort umgekehrte Bürgerproteste erleben, weil sie mit Sicherheit auch für die andere Position Beteiligte hätten, die die richtig finden.
Und jetzt bezogen auf Ihr konkretes Thema, dass Sie sagen, nehmt vor allem die momentane Situation ernst. Und da verspreche ich Ihnen, das tun wir! Die Sorge vor Energiepreisen nehmen wir hochgradig ernst! Und wie ernst wir die nehmen und wie ernst wir im Übrigen Bürgerprotest nehmen, hat die Ministerpräsidentin in einer Situation, die viele andere vielleicht anders gelöst hätten, bewiesen, als sie in Neubrandenburg vor eine durchaus emotionale Versammlung von Unternehmerinnen und Unternehmern gegangen ist, gesagt hat, genau den Diskurs mit euch führe ich.
Und im Übrigen, auch Herr Dahlemann sucht den regelmäßig. Seien Sie unbesorgt! Und auch die Mitglieder der Landesregierung, im Übrigen auch der vorherigen, haben das regelmäßig in Bürgerforen getan.
Und in der Nähe von Tribsees ein Bürgerforum kurz nach den Schwierigkeiten mit der Autobahn zu führen, ist nicht
vergnügungssteuerpflichtig. Das gilt auch für manche Windkraftdiskussion, das gilt auch für andere Diskussionen. Aber wir haben immer, erstens, ernst genommen und, zweitens, das Gesprächsangebot gemacht.
Drittens. Gestern war angeklungen, dass Sorgen bestehen zu sagen, aber ihr habt nicht so viel Gäste gehabt bei euren Gesprächen als Ministerinnen und Minister. Ja, auch das gehört dazu, dass ich akzeptiere, dass Menschen sagen, ich nehme das Gesprächsangebot an oder nicht. Aber wir müssen auch Acht geben, das war gestern Teil der Diskussion, wenn 20 oder 25 Menschen mit mir als Minister das Thema ihrer Sorgen, vor allen Dingen waren es Unternehmerinnen und Unternehmer in Rostock, es waren knapp 30/35, wenn die mit Ihnen ihre Sorgen diskutieren über die Energiepreise, dann habe ich 35 Menschen ernst genommen und die haben das Recht, ernst genommen zu werden, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht sagen, solche Veranstaltung lohnt sich erst ab 500 in einem dünn besiedelten Flächenbundesland, a) gefährlich und b), wenn wir sagen, wir wollen Bürgermeinung ernst nehmen, wir wollen Menschen ernst nehmen, wir wollen Meinungsdiskurs ernst nehmen, dann gilt das auch für 3, 12 oder 25.
Meine Damen und Herren, wir haben aber insbesondere den Bürgerprotest, die Hinweise, die Sorgen, die Nöte ernst genommen, indem wir mit einem breit aufgestellten Landesenergiegipfel die Diskussion geführt haben, uns gemeinsame Positionen gebildet haben und genau mit diesen Positionen in die Bundespolitik gegangen sind. Und es ist sicher, wenn Sie den aktuellen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, die Diskussion mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung anschauen, dass sich ganz viele dieser Punkte wiederfinden.
Sie finden im Übrigen einen wichtigen Punkt, um mal was sehr Profanes rauszunehmen, aus ihrer Sicht für die Unternehmen total extrem wichtig. Die Frage, ob ich die Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf 7 Prozent nur für Gas oder eben auch für Fernwärmelieferung vornehme, war ein wesentlicher Punkt dieses Landesenergiegipfels. Sie ist heute im Übrigen gesetzt, das ist umgesetzt worden im Deutschen Bundestag, und genau da sieht man, diese Hinweise kommen an und sie werden transportiert über die Ebenen.
Ich glaube, wenn es ein Beispiel dafür gibt, dass wir Bürgerprotest ernst nehmen, damit umgehen, konstruktive Proteste aufgreifen, Hinweise, Sorgen und Nöte natürlich nicht ignorieren, sondern Politik einfließen lassen, dann ist es gerade die Diskussion der vergangenen Monate auch in diesem Hohen Hause wiederholt zum Energiegipfel.
Aber dazu muss es dann auch gehören, dass die Meinungsfreiheit eben allen zusteht. So sieht das Grundgesetz das auch vor. Und es gehört auch dazu, dass Menschen den Hinweis bekommen, dass an ihrer Seite Beteiligte schreiten, die sich vielleicht nicht nur zumindest, vielleicht auch gar nicht um Energiepreise Sorgen machen, sondern die einen anderen Staat wollen, und die Anschlussthemen zu Menschen, die ihnen normaler
weise nicht folgen, suchen, indem sie ihnen vorgeben, sie würden ihr Problem verstehen, und sagen, das Problem können wir aber nur lösen, wenn wir die Demokratie abschaffen.
Ich habe übrigens gestern Morgen, um mal meine Ernstnahme zu demonstrieren, mit einer ganz kleinen Zahl von Demonstrierenden morgens schon um kurz vor acht diskutiert. Da waren ganz spannende Auffassungen dabei. Das gehört zur Ernsthaftigkeit dazu. Es war auch eine Meinung dabei, die sagte, ich kann mit Ihnen gar nicht intensiver diskutieren, weil dafür fehlt uns die Zeit, zweitens, dass es einen Menschenanteil am Klimawandel gibt, ist gelogen, und drittens, Landtag und Bundestag muss man auflösen, das macht alles keinen Sinn, brauchen wir nicht. Und da bin ich an einer Stelle, wo eine kleine Zahl von Demonstrierenden mit jemandem gemeinsam unterwegs ist, der diesen Staat in seinen Grundfesten nicht möchte.
Sie sagen „Ignorieren“. Nein, ich ignoriere auch den nicht. Ich finde, auch das gehört dazu zur Ernstnahme, dass ich nicht ignoriere, erstens.
Zweitens. Das Grundgesetz selbst sieht in seiner Grundstruktur vor, dass wir genau diese Verfassung verteidigen. Und diese Verfassung zu verteidigen, ist Auftrag jedes Mitglieds dieses Hohen Hauses, und nicht das Gegenteil.
Und dass Sie als gestandener Jurist diesen Auftrag des Grundgesetzes als ein Stück DDR diskreditiert haben, finde ich unglücklich bis unverschämt. Dass Sie …
Nein, nein, nicht bewusst! Sie haben bewusst umgedeutet. Sie haben eine aktuelle Situation verglichen mit einem DDR-Straftatbestand, der klar der Unterdrückung von Minderheiten gedient hat, der nicht der Meinungsfreiheit gedient hat.
Wenn Sie die engagierte Arbeit der Kolleginnen und Kollegen der Polizei, die Demonstrationen aller Art schützen – zuweilen gegen ihre Überzeugung, weil das gehört zum Job, die das tun –, wenn Sie den Verfassungsschutz und all diese Sicherheitsorgane in die Nähe bringen, dass sie Regierungsschutz seien und nicht mehr Staatsschutz, kommen wir in eine extrem gefährliche Debatte. Sie gießen Mühlen auf die Verfassungsfeinde. Und dafür sollte die Diskussion nicht sein, denn Sie wollten Verfassungstreue hervorrufen, der wir uns gerne stellen.
Aber noch mal: Ernstnahme von Meinungen heißt, alle Meinungen ernst zu nehmen und, zweitens, Verfassungsfeinde dabei zu unterstützen, davor muss ein Staat warnen dürfen. Und das sollte nicht die Legitimation
Meine Damen und Herren, wir nehmen Meinungsfreiheit ernst. Genau deshalb dürfen sie es sagen, deshalb dürfen die Menschen es draußen auch sagen. Aber das Grundgesetz sagt uns, die Meinungsfreiheit ist zu gewährleisten, aber wir müssen dafür kämpfen als Staat, als staatliche Institution, dass eine Meinung, die den Staat abschaffen will, zwar ausgesprochen werden darf, aber nicht zur Realisierung kommt.
Dieser Staat will sich wehrhaft zeigen und verteidigen. Das ist eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, überzeugt auch aus späteren Regimen. Und das halte ich für eine Stärke dieses Staates und keine Schwäche. Und genau deshalb dürfen wir eine Diskussion wie heute führen, halten die miteinander aus, aber dann lassen Sie uns bitte auch über Meinungsfreiheit diskutieren, und nicht darüber, dass es angeblich unwahre oder wahre Meinungen gibt! – Herzlichen Dank!
Herr Minister, bleiben Sie bitte noch einen Moment am Rednerpult! Es liegt ein Antrag auf Kurzintervention vor.
Ja, vielen Dank, Herr Minister! Also glauben Sie mal, mich muss niemand hinsichtlich Verfassungstreue überzeugen! Ich will zwei Punkte herausgreifen, wo ich meine, Sie haben da zumindest fahrlässig mich falsch interpretiert.
Ich habe nicht den jetzigen Verfassungsschutz mit der Staatssicherheit oder sonst wem verglichen. Ich habe nur gegenübergestellt den Paragrafen 106 DDR-StGB und die von Verfassung uns vorgegebene abzulesen zitierte Definition des Verfassungsfeinds oder Staatsfeinds. Und diese beiden Definitionen sind relativ dicht beisammen. Und es wäre ein Kolleg wert, das mal zu vergleichen. Was man damit machen kann, sind ja sehr weite Begriffe. Dass die Anwendung, darauf vertraue ich, nicht identisch verläuft, ja, aber die Nähe der Definition, da können Sie nicht sagen, ich würde damit das gleichsetzen.