Protocol of the Session on October 6, 2022

Aktuelle Stunde Meinungsfreiheit verteidigen – Bürgerproteste ernst nehmen

Gemäß Paragraf 66 unserer Geschäftsordnung beträgt die Aussprachezeit für die Aktuelle Stunde 75 Minuten. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, so Artikel 5 Satz 1 des Grundgesetzes. Meinungsfreiheit ist ein elementares Grundrecht. Auf dem Papier steht sie in so gut wie jeder Verfassung. Wie sie praktisch gelebt wird, ist eine andere Sache. An dieser Stelle nur so viel: Nicht von ungefähr vertreten nur noch 43 Prozent der Deutschen im Osten und 58 Prozent im Westen die Auffassung, man könne seine Meinung in unserem Land wirklich frei äußern.

Meine Damen und Herren, der Fall Merz mit seiner Äußerung zum Sozialtourismus aus der Ukraine liefert geradezu ein Schulbeispiel dafür, warum das so ist. Merz hat ein auffälliges Reiseverhalten, nämlich ein Hin- und Herreisen ukrainischer Flüchtlinge angesprochen, das zum einen auf einen Leistungsmissbrauch hindeutet, zum anderen die Frage aufwirft, ob weiterhin jeder, der aus der Ukraine einreist, egal, ob seine Region vom Krieg betroffen ist oder nicht, als schutzbedürftig anzusehen ist,

(Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Welche Regionen sind da nicht betroffen?)

angesichts einer Lage, die sich mehr und mehr der von 2015 annähert, und der aktuellen Krise, die unserer Hilfsbereitschaft Grenzen setzt. Eigentlich ein ernsthaftes Problem, das Merz hier anspricht, ein Problem, vor dem niemand die Augen verschließen sollte. Allerdings hat Merz übersehen, dass auch dank seiner eigenen Partei unter Merkel, wenn es um Migration geht, ein freier Diskurs in Deutschland nicht möglich ist.

Hier hat sich ein Konformitätsdruck aufgebaut, der auf ein praktisches Diskussionsverbot hinausläuft. Wer hier migrationskritische Argumente geltend macht, dem blüht die moralische Stigmatisierung. Genau das ist hier geschehen. Merz wurde als schamloser Rechtspopulist ohne soziale Kompetenz und mit dem absoluten Totschlagargument, er vertrete AfD-Positionen, abgewatscht. Zudem wurde er auch aus der eigenen Partei angegriffen. Merz ruderte zurück. Eine ernsthafte Sachdebatte, die dringend nötig gewesen wäre und weiterhin ist, fand nicht statt.

Zur Meinungsfreiheit gehört auch, dass man sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten kann, denn nur, wer sich objektiv informieren kann und über die Medien umfassende sachliche Informationen erhält, kann sich eine eigene begründete Meinung bilden. Und hier liefert die aktuelle Lage ein weiteres erschreckendes Beispiel dafür, wie die öffentliche Meinung manipuliert wird. Ich spreche von den Informationen über den Anschlag auf Nord Stream 1 und 2 und darüber, wer als Verursacher in Betracht kommt. Niemand bezweifelt, dass dieser Sabotageakt nur von einem Staat ausgeführt worden sein kann. Da es keine Beweise gibt und vermutlich auch nie geben wird, steht bei der Frage nach dem Täter das uralte „Cui bono“, wem nützt es, im Vordergrund. Wer hat ein Interesse an der Zerstörung der Leitungen von Nord Stream? Wie nicht anders zu erwarten, präsentieren die Medien unter Berufung auf entsprechende Äußerungen von Politikern und sogenannten Experten nur einen Verdächtigen, und der heißt Russland. So versteigt sich der Sicherheitsexperte Peters dahin, dass man sich in der gegenwärtigen Situation nur Russland als Verursacher vorstellen könne.

Meine Damen und Herren, verdächtig ist vor allem jeder, der Nord Stream unbedingt verhindern wollte. Kann Russland in einer Situation, in der die Mehrheit zwar in Deutschland dahin kippt, dass die Sanktionen uns selbst am meisten schaden, und in der die Forderung nach Nord Stream 2 immer lauter wird, ein Interesse daran haben, Nord Stream als Lock- und Druckmittel aus der Hand zu geben, sozusagen seine beste Waffe in der Energiepolitik gegenüber dem Westen zu zerstören? Die Frage beantwortet sich von selbst. Jeder Kriminalist würde an dieser Stelle den Russen von der Verdachtsliste streichen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Alles Mutmaßungen. – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Es gibt allerdings im Kreis der Nord-Stream-Gegner einen Staat, der unmissverständlich klargemacht hat, Nord Stream 2 unter keinen Umständen zu dulden, und zuletzt befürchten musste, dass Nord Stream doch noch aktiviert würde, und das sind die USA.

Den ersten Akt kennen Sie. Die USA wollten die Fertigstellung von Nord Stream 2 verhindern und verhängten dazu völkerrechtswidrige Sanktionen gegen das mit ihnen verbündete Deutschland – ein unfreundlicher und demütigender Akt, so die einhellige Meinung damals hier im Landtag. Das wollen heute einige nicht mehr wissen.

Zweiter Akt: Auf einer Pressekonferenz im Februar erklärt Biden, wenn Russland in die Ukraine einmarschiere, sei dies das Ende von Nord Stream 2.

(Zuruf von Enrico Schuldt, AfD)

Auf die Frage, wie das denn bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle geschehen solle, antwortet Biden: „Ich verspreche …, dass wir es schaffen werden.“ Hier gibt es nur zwei Interpretationen: Entweder ist gemeint, wir regeln das alleine, oder wir regeln das, weil Deutschland tut, was wir verlangen.

(Unruhe bei Enrico Schult, AfD, und René Domke, FDP – Glocke der Präsidentin)

Beides ist gleichermaßen demütigend für unser Land.

Dritter Akt: Zeit- und ortsnah zu dem Sabotageakt fand ein amerikanisches Flottenmanöver statt, das es jedenfalls Russland kaum ermöglicht hätte, dort unbemerkt diesen Sabotageakt zu verüben. Dass diese Indizien, die einen Verdacht gegen die USA stützen, bei der Verdächtigung Russlands vollkommen außer Acht gelassen werden und dem Bürger eine Verdachtsmeinung statt Fakten aufgedrängt wird, ist bei der Bedeutung dieses Sabotageakts ein Skandal und steht für alles, nur nicht für objektive Informationen! Die Frage nach dem Verursacher ist nämlich von höchster Brisanz. Denn wenn sich der naheliegendste Verdacht bestätigen würde, müsste Deutschland wohl über einiges ganz neu nachdenken. In Polen wird die Vermutung, dass es die USA waren, übrigens offen und mit Dank an den Verursacher ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, die Unzufriedenheit der Bürger wächst. Wir erleben Demonstrationen, wie wir sie seit der Wiedervereinigung nicht erlebt haben. Es brodelt, vor allen Dingen im Osten. Erst die Corona-Krise, deren Maßnahmen oft nicht nachvollziehbar waren und die von vielen als ausgrenzende Diffamierung empfunden wurden, dann der Ukrainekrieg, in den wir mehr und mehr hineinstürzen, obwohl es eigentlich nicht unser Krieg ist, in der Folge eine Energiekrise mit horrenden Preissteigerungen und allmählich die Erkenntnis, dass Putin eben nicht alles in die Schuhe geschoben werden kann. Es droht einem großen Teil der Bevölkerung ein massiver dauerhafter Wohlstandsverlust, verursacht durch selbstschädigende Sanktionen und eine wahnwitzige Klima- und Energiepolitik. Viele Bürger sind von nackter Existenzangst ergriffen und wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. An den Protesten nehmen auch

Unternehmer und Selbstständige teil, weil sie massenhafte Insolvenzen und irreparable Schäden für den Wirtschaftsstandort Deutschland befürchten.

Diese Proteste sind nicht nur legitim, sie sind in einer Demokratie notwendig, denn der von allen Schichten des Volkes getragene Protest sollte ein Weckruf für die Regierung sein, sich endlich den Ursachen der Krise zuzuwenden und das drohende Elend abzuwenden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Doch wie reagieren die Regierenden? Sie reagieren und moralisieren mit Floskeln und warnen nach dem Motto: „Wird der Bürger unbequem, dann ist er sicher rechtsextrem.“ Die Demonstranten sollen genau darauf achten, wer bei den Protesten mitmacht, und sich von radikalen Gruppierungen distanzieren. So hat sich auch unser Innenminister geäußert.

(Thomas Krüger, SPD: Zu Recht!)

Meine Partei hält derlei Belehrungen oder besser Einschüchterungen für völlig unangebracht,

(Julian Barlen, SPD: Oh Wunder!)

und wenn, Herr Krüger, dann sollte man sie in beide Richtungen aussprechen. Besser wäre es, diejenigen zur Räson zu rufen, die mit ihrem Vokabular die Demonstranten pauschal verunglimpfen und die damit das Klima anheizen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Enrico Schult, AfD: Sehr richtig!)

Das ist inzwischen linker Brauch,

(Zuruf von René Domke, FDP)

vom „Pack aus Dunkeldeutschland“ bis zum „rechten Mob“, wie der GRÜNEN-Politiker Trittin die Proteste in ostdeutschen Städten jüngst abqualifizierte.

(Zurufe von Enrico Schult, AfD, und Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An den Bürgerprotesten nehmen Menschen verschiedenster Couleur teil, die sich gerade nicht in eine Schublade einordnen lassen. Sie alle eint der berechtigte Zorn gegenüber einer Politik, die unser Land offensichtlich gegen die Wand fährt. Mit dem Versuch, den Protest mit einer Markierung als verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates zu bekämpfen, wird ein ganz gefährlicher Weg beschritten, denn mit diesem Begriff und seiner schwammigen Begründung befindet man sich ganz nah an der staatsfeindlichen Hetze gemäß Paragraf 106 StGB der DDR.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Danach machte sich strafbar, wer die gesellschaftlichen Verhältnisse, Repräsentanten oder andere Bürger der DDR wegen deren staatlicher oder gesellschaftlichen Tätigkeit diskriminierte. Nunmehr wird zum Staatsfeind erklärt, wer demokratisch gewählte Repräsentanten des Staates verächtlich macht

(René Domke, FDP: Wo das denn?)

oder staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität abspricht.

(René Domke, FDP: Das wissen Sie besser!)

Sie merken hoffentlich, wie sich die Definitionen ähneln. Damit hat der Staatsschutz ein robustes Mittel gegen fundamentale Proteste in der Hand, auch wenn diese gewaltfrei sind. Das hat eine neue Dimension. In beiden Fällen besteht das Grundübel darin, dass der Staat einerseits und die Regierenden andererseits bedenkenlos gleichgesetzt werden. Der Staatsschutz beziehungsweise unser Verfassungsschutz wandelt sich damit zum Regierungsschutz.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Richtig!)

Wenn eine Regierung den Eindruck vermittelt, in Ohnmacht und Hilflosigkeit und mit teils öffentlich zur Schau gestellter Inkompetenz ihrer Aufgabe nicht gewachsen zu sein, dann wird sie nicht durch den Protest der Bürger delegitimiert, dann tut sie das selbst.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Vizepräsidentin Elke-Annette Schmidt übernimmt den Vorsitz.)

Herr Innenminister, ich kann nur davor warnen, friedliche Proteste bereits im Voraus zu delegitimieren, nur, weil dort möglicherweise auch Extremisten mitlaufen. Nehmen Sie die Proteste von Bürgern aus allen Schichten und Lagern ernst! Das ist das Gebot der Stunde! Tragen Sie Ihren Teil dazu bei, dass die angestauten Probleme beim Namen genannt und angefasst werden! Wenn Bürger das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen verloren haben, dann steht das am Ende eines Prozesses, für den nicht die Bürger verantwortlich sind. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir im Ältestenrat uns noch mal dazu verständigt hatten, in solchen Aussprachen keine schriftlichen, ja, Ausarbeitungen zu verlesen, sondern hier möglichst frei zu sprechen. Ich möchte daran jetzt noch mal erinnern. Es ist jetzt passiert.

(Heiterkeit bei Julian Barlen, SPD: Das ist für diese Sitzung dann wohl egal.)

Es ist jetzt passiert, ich weiß, wir können es jetzt nicht mehr zurückholen. Aber dennoch möchte ich an dieser Stelle noch mal darauf hinweisen und vielleicht um Einhaltung bitten, wobei ich jetzt natürlich auch allen anderen die Möglichkeit geben muss, dessen sind wir uns als Präsidium bewusst, aber ich wollte es an der Stelle noch mal angesprochen haben.

Als Nächstes hat ums Wort gebeten der Innenminister Herr Christian Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um zur