Protocol of the Session on October 6, 2022

Einkünfte aus Minijobs von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bedarfsgemeinschaften werden künftig gar nicht mehr angerechnet.

(Beifall René Domke, FDP)

Bisher mussten sie 90 Prozent abgeben. Das haben wir geändert.

Es bleibt beim Prinzip „fördern und fordern“, und das ist auch richtig so, aber es bleibt auch bei einem Teil der bisherigen Sanktionen. Wer wiederholt nicht zu Terminen erscheint, wird auch künftig mit Sanktionen belegt.

Leistungsbeziehern, die gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen, können nach einer anfänglichen vereinbarten Vertrauenszeit auch weiterhin bis zu 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden. Das ist das Maximum an Sanktionierung, das das Bundesverfassungsgericht als legitim ansieht, aber auch aus unserer Sicht, der FDPFraktion, ein Gebot der Fairness gegenüber denjenigen, die mit ihren Steuern Sozialleistungen finanzieren.

Viele unserer Forderungen, der Freien Demokraten, finden sich wieder. Menschen, die durch Schicksalsschläge auf die Unterstützung der Solidargemeinschaft angewiesen sind, sollen sich darauf konzentrieren können, so schnell als möglich wieder auf die Beine zu kommen. Sie sollen nicht in Angst und Sorge verharren. Die Erhöhung des Schonvermögens ist überfällig, genau wie die Beibehaltung der Altersvorsorge und der eigenen Wohnung. Hier greift die zweijährige Schonfrist für die Anrechnung von Vermögen und Wohnraumüberprüfung.

Auch Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV kämpfen mit den gestiegenen Energiepreisen. Wir halten dagegen, indem die Inflationsanpassung künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend berechnet wird. Damit lösen wir das Problem, dass die Höhe des Regelsatzes den Preisentwicklungen hinterherhinkt. Künftig wird die Inflation präzise ausgeglichen. Der Regelsatz steigt dadurch, das haben wir heute mehrfach gehört, zur Einführung des Bürgergeldes auf 502 Euro. Das, empfinden wir, das ist Sozialpolitik der Ampel. – Danke!

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die SPD hat das Wort die Abgeordnete Christine Klingohr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung sieht vor, zum 1. Januar 2023 die Umwandlung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in das Bürgergeld zu beginnen. Basis hierfür ist der aktuelle Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Diese Neuausrichtung der Grundsicherung ist geboten, da es mit dem aktuellen Verfahren nicht weitreichend genug gelungen ist, strukturelle Arbeitslosigkeit entscheidend zu beeinflussen.

Auf den ersten Blick mag das widersprüchlich wirken, aber besonders die mit dem Arbeitslosengeld II verbundenen Sanktionen haben keinen sichtbaren Nutzen gebracht, um Menschen ohne Job wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen. Bis heute konnten keine Nachweise zur Sinnhaftigkeit von Sanktionen erbracht werden. Ganz im Gegenteil, die Sanktionen in ihrer bisherigen Form haben nachweislich ausgrenzend gewirkt und einen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt sogar erschwert.

Und hier liegt eines der wesentlichen Probleme der bisherigen Regelungen zum Arbeitslosengeld II. Die Sanktionen haben einfach nicht ihren Zweck erfüllt und, schlimmer noch, Menschen ausgegrenzt und ihnen die Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsleben erschwert. Weiterhin auf Maximalsanktionen zu beharren,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

ist aus wissenschaftlicher Perspektive nicht vertretbar und aus sozialer Perspektive nicht hinnehmbar, denn wir müssen uns doch stets fragen, was ist das Ziel von Sozialleistungen, was sollen diese Unterstützungen bewirken. Da haben wir eine ganz klare Antwort: Wir müssen Sicherheit bei Verlust des Jobs gewährleisten

(Zuruf aus dem Plenum: Oha!)

und wir müssen den Menschen den Wiedereinstieg in das Berufsleben so leicht wie möglich machen. Dazu gehört, dass jemand, der seinen Arbeitsplatz verliert, nicht um seine Wohnung und seine geringen Ersparnisse fürchten muss.

Gerade mit Blick auf die weltweite Pandemie, den russischen Krieg in der Ukraine und die Steigerungen der Energiepreise ist es wichtig, dass wir Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit schaffen, wo wir es nur können. Dazu gehört, dass ein Mensch, der seinen Job verliert, nicht um seine Existenz bangen muss. Stattdessen muss ihm unter die Arme gegriffen werden, damit er wieder selbstständig seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das ist langfristig nicht nur für den Einzelnen besser, sondern auch für uns als Gesellschaft.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Schließlich, schließlich müssen möglichst viele Menschen finanziell auf eigenen Füßen stehen können. Es ist ganz wichtig zu betonen, dass Kürzungen bei Heiz- und Wohnungskosten nicht infrage kommen und auch gar nicht wünschenswert sind. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht 2019 geurteilt – die Ministerin hat es angesprochen –, dass Kürzungen von Unterkunfts- und Heizungskosten von Arbeitslosengeld-II-Empfängern unvereinbar mit dem Grundgesetz sind.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist Ihre Gesetzgebung.)

Mit der heutigen Aussprache wird ein Stück weit nahegelegt, Bezieher von Arbeitslosengeld würden verschwenderisch mit der knappen Ressource Energie umgehen, während alle anderen sparen. Damit wird nicht nur Neid, sondern auch eine Missgunst geschürt, die wir als SPD-Fraktion nicht zuträglich für unser gesellschaftliches Klima erachten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Arbeitslosengeld II und künftig das Bürgergeld sollen die Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Existenzminimums absichern. In Saus und Braus lebt davon niemand. Bürgergeldempfänger beheizen deutlich kleinere Wohnungen und schränken ihre Ausgaben auch inflationsbedingt bereits auf ein notwendiges Minimum ein. Kürzungen an diesem Existenzminimum sind deshalb besonders kritisch zu betrachten. Ich freue mich mit dem neuen Bürgergeld auf eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Leistungsbezieher, Jobcenter und Gesellschaft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor und ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Das EU-Vogelschutzgebiet Lewitz endlich naturschutz- und klimagerecht entwickeln, auf Drucksache 8/1358.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das EU-Vogelschutzgebiet Lewitz endlich naturschutz- und klimagerecht entwickeln – Drucksache 8/1358 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Harald Terpe.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lewitz hat von jeher – die Lewitz ist südöstlich von Schwerin ein großes Gebiet, ich weiß nicht, ob es alle kennen –, aber eben diese Lewitz hat von jeher eine große Bedeutung als Rastgebiet für Zugvögel. Es diente und dient vielen seltenen Vogelarten auch als Brutgebiet. Deshalb kam die Lewitz im vergangenen Jahrhundert auch früh in den Blick von Naturschutzbemühungen und war vor 1990 teilweise als International Bird Area gemeldet worden. 1992 wurde das Gebiet dann von der damaligen Landesregierung auf Grundlage der Europäischen Vogelschutzrichtlinie als EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen.

Gemäß der Vogelschutzrichtlinie hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, im Vogelschutzgebiet Lewitz die Lebensräume der wild lebenden Vogelarten zu erhalten oder wiederherzustellen. Das Land steht in der Pflicht, stellvertretend diese Aufgabe auszuführen, weil wir im föderalen Bereich der Bundesrepublik den Naturschutz als Ländersache ausgewiesen haben.

(Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

Bei zahlreichen wichtigen Arten gibt es aber seit 30 Jahren keine erkennbaren Fortschritte – bei zahlreichen wichtigen, nicht bei allen, aber bei zahlreichen. Damit erfüllt das EU-Vogelschutzgebiet teilweise seine Aufgaben nicht, zum Beispiel bei seltenen Wiesenvögeln, für die das Gebiet Lewitz eine wichtige Zielart ist. Ihre Lebensräume entstehen erst durch eine naturschutzgerechte Grünlandnutzung, die eine sehr hohe Artenvielfalt garantiert und damit erfolgreich dazu beiträgt, dass der Nachwuchs aufgezogen werden kann. Zusätzlich braucht es auch einen besonderen Schutz vor tierischen Räubern, wie zum Beispiel dem Fuchs.

Zu den Vögeln, die in der Lewitz gute Bedingungen vorfinden sollten, gehören der in Mecklenburg-Vorpommern vom Aussterben bedrohte Große Brachvogel, die ebenfalls vom Aussterben bedrohte Uferschnepfe und der gefährdete Wachtelkönig. Aber auch der scheinbar häufige Weißstorch gehört dazu. Auch sein Bestand hat in Südwestmecklenburg abgenommen und zeigt schon längere Zeit keinen positiven Entwicklungstrend.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie sind die Antwort schuldig, wie der Wiesenbrüterschutz in der Lewitz in den letzten Jahren vorangekommen ist, denn schließlich fördern wir mit umfangreichen öffentlichen Geldern jene Agrarbetriebe vor Ort, die das Grünland naturgerecht bewirtschaften sollen. Was passiert also mit dem öffent

lichen Geld? Ehrenamtlich tätige Naturschützer berichten uns, dass Lewitzwiesen vergleichsweise intensiv genutzt werden, dass in der Brutsaison gewalzt wird, dass auch gedüngt wird und relativ häufig gemäht wird.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist ja unglaublich! Echt?!)

Das ist aber nicht im Sinne der Schutzziele im Vogelschutzgebiet. Das muss abgestellt werden, finden wir.

(Beifall Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Dr. Till Backhaus: Ein Mensch klatscht.)

Ein Mensch.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das steht im Protokoll so drin, eine Person klatscht. – Zuruf von Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mich bei Ihnen, Herr Minister, mit einer umfangreichen Anfrage erkundigt, wie es um den Brutvogelschutz im EU-Vogelschutzgebiet Lewitz bestellt ist. Die Antworten sind ernüchternd. Offen blieb, auf welchen Flächen geeignete Bedingungen für den Schutz der seltenen Wiesenbrüter herrschen. Sie konnten auch oder haben auch also über keine Erfolge im Vogelschutz der Lewitz berichtet. Ich habe explizit danach gefragt.

Herr Minister, zur Verantwortung für die Lewitz als EUVogelschutzgebiet seit 30 Jahren gehört, sich darum zu kümmern, was vor Ort für den Schutz der Vögel geschieht und was noch mehr getan werden muss. Das alleinige Offenhalten der Landschaft für das Rastgeschehen der Zugvögel ist eben nur eine Komponente des Vogelschutzes. Es braucht aber ebenso Änderungen im Nutzungsregime des Grünlandes. Und um das zu erreichen, ist dringend ein konkreter Managementplan notwendig. Wenn dieser Plan erst 2027 erstellt werden soll, so, wie Sie es mir auf meine Anfrage mitteilten, dann ist das für unsere Begriffe deutlich zu spät. Dieses Thema verträgt eben keinen Aufschub.

Neben dem Naturschutzmanagement erfordert es auch eine Verbesserung beim Thema Moorschutz als höchst wirksamer Klimaschutz. Auf 806 Hektar, also auf einem Viertel der Niedermoorflächen, wurden erste Maßnahmen des Moorschutzprogramms umgesetzt, unter anderem auch moorschonende Grünlandnutzung. Aber auf dem Großteil, nämlich auf 2.495 Hektar, das sind eben drei Viertel dieser Fläche, dieser Niedermoorflächen, geht Kohlendioxid weitgehend ungebremst in die Luft. Das können wir uns nicht weiter leisten, und ich glaube, dass auch für das Land hier eine große Chance besteht, einen deutlich größeren Beitrag für den Klimaschutz im Gebiet Lewitz beizutragen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, um Natur- und Moorschutz in der Lewitz voranzubringen, wären aus unserer Sicht Natura-2000-Stationen eine sinnvolle Entwicklung. Herr Minister, Sie selbst haben solche nach dem Beispiel Thüringens vor einigen Jahren ins Gespräch gebracht. In diesen Einrichtungen würden Expertinnen und Experten arbeiten, die für die Landwirtschaftsbetriebe beratende Funktion hätten und gemeinsam mit ihnen

natur- und klimaschutzgerechte Maßnahmen entwickeln könnten. Außerdem würde diesen Kolleginnen und Kollegen dann auch die Öffentlichkeitsarbeit zufallen, die zurzeit im Wesentlichen von ehrenamtlichen Naturschützer/-innen geleistet wird. Allen voran möchte ich hier die Naturfotografen Burkhard Fellner und Ralf Ottmann nennen, die ein besonders langjähriges Engagement bereits aufweisen. Das verdient unserer Meinung nach auch eine besondere Anerkennung hier im Landtag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP und Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie selbst, Herr Minister Backhaus, haben eine Natura2000-Station nach dem Vorbild Thüringens vor einigen Jahren ins Gespräch gebracht. Ich hatte schon darauf hingewiesen.

Es ist also Ziel unseres Antrages, dass wir wollen, dass eine umweltverträgliche Landnutzung mit Klima- und Naturschutzzielen zusammen, also in Kombination, in der Lewitz erreicht wird, jene Ziele, die zuvor mit dem Moorschutzkonzept des Landes und mit der Natura-2000Landesverordnung festgelegt werden. Erhöhen wir also gemeinsam die Schlagzahl für Natur- und Klimaschutz im EU-Vogelschutzgebiet Lewitz! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)