Protocol of the Session on October 6, 2022

und ich bitte, dass wir jetzt mal hier zur Ruhe kommen, damit wir jetzt in der Behandlung der Tagesordnung fortsetzen können. Und ich bitte jetzt um Ruhe, dass die Rednerin wieder ihr Wort ergreifen kann. Danke!

Die meisten EUBürgerinnen und -Bürger sehen große Vorteile im Schengen-Abkommen, denn es bedeutet Freiheit für uns Bürger/-innen, die wir ohne Passkontrollen im SchengenRaum reisen können, die wir unseren Wohnort frei wählen können, und zeitgleich bedeutet der Verzicht auf Kontrollen an den Binnengrenzen eine finanzielle und informationelle Kostenersparnis für alle Mitgliedsstaaten. Und das ist auch gut so.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat vieles an der Migrationspolitik der Landes- und der Bundesregierung in den letzten Jahren kritisiert und wir tun dies auf Bundesebene auch weiterhin. Hier im Land, hier wollen wir die Bedingungen für eine gelingende Migration verbessern, statt Menschen gegeneinander aufzuwiegeln. Mit Teilhabe statt Ausgrenzung und als Chance zur Stärkung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft sind wir genau dabei, dieses genau auch im Integrations- und Teilhabegesetz dementsprechend auch zu untermauern.

Im Gegensatz zu Ihnen stellen wir jedoch auch die Frage nach den Ursachen für die Millionen von Menschen auf der Suche nach Schutz und wir verdrehen dabei nicht Ursache und Wirkung. Wir hängen auch nicht dem menschenverachtenden Wunsch nach, die Grenzen Europas oder gar Deutschlands mit einem hohen Zaun, viel Armee und viel Polizei

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oha!)

vermeintlich unüberwindbar zu machen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Für mich, für uns zählt: Aufstehen gegen Rassismus, ob auf der Straße oder in den Parlamenten, für Vielfalt, Demokratie und Freiheit!

(Nikolaus Kramer, AfD: Und die Asylindustrie!)

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Anne Shepley.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Mal wieder fällt es im Angesicht des vorliegenden Antrages der AfD-Fraktion schwer zu entscheiden, welche Punkte man zuerst richtigstellen soll. Ich bin da dem Minister für die sehr sachliche Einführung in das Thema dankbar. So unsachlich, stümperhaft

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Und das sagen die GRÜNEN!)

und in Teilen schlichtweg falsch werden hier vermeintliche Fakten präsentiert.

Ich möchte Sie gern hier einladen, einen kurzen Exkurs in das Asylrecht Deutschlands mit mir zu unternehmen.

Hier finden wir vier Arten von Asylschutz: Es gibt das politische Asyl, das wird sehr selten vergeben. Es gibt den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Es gibt den sogenannten subsidiären Schutz, was beispielsweise auf Menschen zutrifft, die aus Bürgerkriegsländern zu uns kommen. Und es gibt ein Abschiebeverbot aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Wenn wir nun mal annehmen, wir beschäftigen uns mit einem fiktiven Fall eines syrischen Staatsbürgers, der oder die hier Asyl sucht, die begehen jetzt eine Straftat,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

und das wurde heute auch schon mehrfach gesagt, dann wird ihnen dieser Schutzstatus, der wird ihnen dann weggenommen, und dann hat man nur noch eine Duldung und ist per se ausreisepflichtig in unserem Land. Das ist …

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD – Torsten Koplin, DIE LINKE: Ich möchte die Rednerin hören! – Glocke der Vizepräsidentin)

Würden Sie jetzt mal bitte zur Ruhe kommen?! Ich möchte nicht laufend die Diskussion unterbrechen müssen. Wir wollen die Rednerin bitte hören und ihr die Aufmerksamkeit geben, die ihr gebührt.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Na die kriegt sie doch!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Noch mal zurück zu dem fiktiven, der fiktiven Straftäter/-in: Die Duldung wird dann also ausgesprochen und ich bin ausreisepflichtig in Deutschland. Gleichzeitig wird selbstverständlich die Straftat, die ich begangen habe, von den Gerichten, von den entsprechenden Verfahren geahndet. Es wird ein Strafmaß verhängt, und die Strafe wird selbstverständlich wie üblich auch in Deutschland verbüßt. Danach stellt sich dann die Frage, kann man diese Person in ihr Herkunftsland wieder zurückführen.

Und im Falle von Syrien gibt es hier eine sehr, sehr klare Rechtsprechung. Das ist nämlich der Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, und der sagt ganz klar: Niemand darf abgeschoben werden, wenn im Herkunftsland Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht. Und dieses sogenannte Refoulement-Verbot ist unabdingbar. Kein Staat kann sich darüber hinwegsetzen. Weder ein nationaler Notstand noch kriminelles oder sicherheitsgefährdendes Verhalten der Betroffenen erlauben eine Ausnahme von diesem Grundsatz.

Meine Damen und Herren, es ist völlig klar, dass jede Straftat geahndet werden muss und mit dem entsprechenden gesetzlichen gerechten Strafmaß verurteilt wird. Es ist aber auch klar, dass die Gesetze und Werte unserer Gesellschaft für alle Menschen uneingeschränkt gelten. Das ist natürlich im Falle von Straftäter/-innen, egal, welcher Nationalität sie sind, für uns alle total schwer. Ich lese auch von Fällen von ganz, ganz schwierigen, ganz

schweren Straftaten, wo ich sage, Mensch, das ist doch irgendwie so krass, da kann man doch jetzt nicht mehr. Aber dafür haben wir nun mal ein Gesetz, und vor dem Grundgesetz und der europäischen Rechtsprechung sind alle gleich, egal, ob ich mir was habe zuschulden kommen lassen oder eben nicht. Und deswegen ist es auch richtig so, dass Menschen eben nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden, wenn ihnen dort Folter oder Schlimmeres droht.

Das sind, meine Damen und Herren, unsere europäischen Werte, die müssen wir hochhalten, und wir müssen sehr stolz auf sie sein, denn dass wir das so handhaben, dass unsere Demokratien das aushalten, das ist das Wichtige hier. Und wenn wir die Büchse der Pandora an dieser Stelle öffnen würden und sagen würden, na Mensch, der hat jetzt was Schlimmes gemacht, die hat jetzt was Schlimmes gemacht, dann schicken wir die zurück, egal, was dann dort passiert, das ist ein Fass ohne Boden und das dürfen wir nicht aufmachen, meine Damen und Herren!

Und nun liest sich der Antrag ja so, als gäbe es in Syrien kaum noch einen Bürgerkrieg. Deswegen möchte ich Sie in dem zweiten Teil meines kleinen Faktenchecks mal mit vor Ort nehmen, das hat die Kollegin der LINKEN, finde ich, schon sehr gut ausgeführt, wenn man das so sagen darf. Es gibt seit zehn Jahren Bürgerkrieg in Syrien. 83 Prozent der Menschen dort leben unter der Armutsgrenze. Es herrscht aktuell die größte Hungersnot, die das Land jemals gesehen hat. Kinder werden zu Soldaten rekrutiert. Es gibt massive Menschenrechtsverletzungen in allen Landesteilen. Es gibt mehrere Akteur/-innen in diesem Krieg, nicht nur das Assad-Regime, sondern HTS, NSA, die kurdisch kontrollierten Gebiete, die türkisch besetzten Gebiete. Es ist eine sehr, sehr unübersichtliche Situation. Und schon 2021 gab es einen UN-Bericht, der sagte, dass alle Akteur/-innen in diesem Bürgerkrieg zu willkürlichen Inhaftierungen, zu Verschwindenlassen, zu Folter und sexueller Gewalt in Hafteinrichtungen aktiv beitragen. Das ist kein Land, was sicher ist, und diese verharmlosende Darstellung in Ihrem Antrag, die weise ich aufs Schärfste zurück!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und in diesem Land, in das Sie also jetzt Gefährder abschieben wollen, da machen Sie uns ja auch weis – und auch das hat Herr Minister Pegel vorhin schon ausgeführt –, dass irgendeine Korrelation zwischen syrischen Menschen und einer überdurchschnittlich hohen Quote an Kriminalität und Straftaten besteht.

Deswegen möchte ich Sie im dritten Teil eines Versuchs der Fakten mal genauer auf die statistische Lage hinweisen: In Mecklenburg-Vorpommern bilden syrische Menschen die zweitgrößte Gruppe der Zugewanderten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie in der Statistik vergleichsweise hohe absolute Zahlen der Straftaten haben.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn man diese Zahlen bereinigt um Straftaten, die nur Ausländer begehen können, beispielsweise illegale Einreise oder Verstoß gegen die räumlichen Beschränkungen, dann relativiert sich dieses Bild, und die Syrer/-innen sind eben nicht mehr führend in der Statistik. Dazu kommt noch – auch darauf hat der Minister hingewiesen –, dass es demografisch gesehen immer so ist, egal, welche

Nationalität wir uns anschauen, dass junge Männer, ja, eine junge männliche demografische Gruppe eine höhere Anfälligkeit für Straftaten hat.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ich kenne keine messerstechenden deutschen Abiturienten, Frau Shepley! Auch keine Vergewaltiger, ich kenn die nicht!)

Und viele der syrischen Zugewanderten sind jung und männlich, so.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Die illegale Einreise ist mir ein wichtiges Anliegen, noch mal darauf hinzuweisen, dass eigentlich per se in Deutschland keine legale Einreise für Asylsuchende möglich ist. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, weil ich in meinem Herkunftsland kein Asyl beantragen kann. Ich muss illegal einreisen.

(Heiterkeit bei Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Insofern ist eine illegale Einreise unumgänglich, um hier Asylrecht zu bekommen. Das müssen wir uns mal vergegenwärtigen: Wir verhindern eine legale Asylrechtsbeantragung in unserem Land. Das ist ein großes Problem. Das geht so nicht!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Noch mal zur Innenministerkonferenz und zum Bundesinnenministerium: Die haben einen generellen Abschiebestopp durchgängig von 2012 bis 2020 immer wieder verlängert. 2021 gab es dann den Versuch, noch mal eine Prüfung zu unternehmen. Bisher gibt es aus gutem Grund keine Ergebnisse, denn es hat sich nichts verändert an der Lage in Syrien, ganz im Gegenteil, es ist schlimmer geworden. Und deswegen wurde auch keine Neubewertung der Lage vorgenommen, weil sich eben im Land die Veränderungen nicht zum Besseren gezeigt haben.

Verehrte Kolleg/-innen, ich möchte nicht in einem Staat leben, dessen vorrangige Aufgabe es ist, seine Bürger/innen zu verteidigen, wie es dieser Antrag fordert. Ich möchte in einem Staat leben, in dem wir sicher auf dem Boden des Grundgesetzes und völkerrechtlicher Abkommen und Grundsätze stehen. Ich möchte in einem Staat leben, in dem es ein gut funktionierendes Justiz- system gibt, was fair und gerecht handelt, egal, woher die Menschen kommen. Und ich möchte in einem Staat leben, in dem die Wörter „Menschlichkeit“ und „Solidarität“ und „Vielfalt“ einen so hohen Stellenwert haben, dass wir uns irgendwann nicht mehr mit den Anträgen von Rechtsaußen in diesem Parlament befassen müssen.

(Horst Förster, AfD: Jeder, der anklopft, kann reinkommen, jawoll!)

Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete David Wulff.