Protocol of the Session on June 29, 2022

Und ich bin jemand, der in Westdeutschland sozialisiert worden ist. Politisch Ende der 70er-Jahre, Anfang der 80er-Jahre, da gab es zwei große Bewegungen, eine Anti-Atomkraft-Bewegung –

(Sebastian Ehlers, CDU: Das ist doch immer noch Ihr Hauptwohnsitz.)

Herr Ehlers, da waren Sie noch gar nicht da –

(Sebastian Ehlers, CDU: Das ist doch noch Ihr Hauptwohnsitz, oder, in Hamburg?)

und zweitens eine Friedensbewegung. Und damals gab es einen Bundeskanzler Helmut Schmidt, der einen NATO-Doppelbeschluss durchgesetzt hat. Ich fand das falsch, habe dagegen protestiert. Deswegen bin ich auch, habe damals jedenfalls nicht den Weg zur SPD gefunden, das kam dann zehn Jahre später in MecklenburgVorpommern. Und ich habe mit den Tagen der Deutschen Einheit,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

mit den Tagen der Deutschen Einheit habe ich für mich festgestellt, dass mein Bekenntnis gegen den NATODoppelbeschluss naiv war, weil er mit dazu beigetragen hat, dass die deutsche Einheit gekommen ist. Jetzt können wir lange über die weltpolitischen Zusammenhänge reden,

(Horst Förster, AfD: Das hätte auch schiefgehen können.)

aber das bedeutet, dass man sich mit jeder Frage und seinem eigenen politischen Gewissen auch auseinander

setzen muss und damit auch seiner Positionierung, wie gehe ich eigentlich damit um, was Wehrindustrie bedeutet, was steht da eigentlich dahinter, wie geht man damit um, zu welchem Zweck wird das gemacht. Und das gestehe ich selbstverständlich auch unserem Koalitionspartner zu, dass man da manchmal auch aus der eigenen Position und Historie andere Positionen hat.

Für meinen Teil war das zu der Kabinettsbefassung – wo es dann eben zu der Koalitionsregel kam, das kennen Sie ja in der CDU, wenn man sich nicht einig ist –, für mich war sonnenklar als Person, dass ich dem Sondervermögen zustimmen kann. Also insofern braucht es auch kein Bekenntnis. Und das tue ich nicht, weil wir jetzt besondere Lösungen bei den insolventen MV WERFTEN haben, sondern aus einer anderen Überzeugung heraus. Aber das muss jeder für sich selber abmachen, und das ist auch vollkommen legitim, meine Damen und Herren. Das will ich an der Stelle so eindeutig sagen.

Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, ganz abstrakt, Sie dürfen ein Unternehmen besuchen, das weltweit führend ist in der Antriebstechnik, Stichwort „Batteriezelle“, das bereits seit 30 Jahren mit dem Thema Wasserstoff unterwegs ist, und es würde neutrale Güter herstellen. Dann würden Sie jubeln und sagen, das brauchen wir unbedingt in Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Unternehmen ist TKMS, das nur U-Boote herstellt, genau mit diesen modernen Technologieformen, von denen ich gerade gesprochen habe.

Und deswegen, Frau von Baal, das erste Gespräch mit TKMS hatten wir Anfang Februar, vor dem Ausbruch des Krieges und dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine. Und deswegen, nach meinen Erfahrungen in Kiel war ich natürlich sehr interessiert, dass wir diese Gespräche führen, die in der Tat forciert worden sind, als klar war, was die weltpolitische Lage ist, und als klar war, ein Sondervermögen kommt.

Und das Besondere an dieser Zeitenwende sind ja jetzt weniger die 100 Milliarden, sondern das Besondere ist mit Blick auf die Ostsee, dass sich vieles verändert. Das ist heute auch schon gesagt worden. Wer hätte von Ihnen gedacht, vor einem Jahr nur, dass Finnland in die NATO möchte? Das sind ja Entwicklungen, die sind so horrend schnell, dass wir es manchmal – so geht es mir jedenfalls – nicht so ganz einfach haben, das alles nachzuvollziehen mit unserem eigenen Kompass, der dann ja am Ende noch stimmen soll.

Aber ich will nicht abschweifen, sondern an der Stelle sagen, zunächst einmal Dank an all diejenigen, die in den letzten Wochen und Monaten – und das ist noch nicht mal ein halbes Jahr her, dass die MV WERFTEN in die Insolvenz gegangen sind – an den Standorten Wismar und Rostock-Warnemünde kluge Lösungen für eine Zukunft gefunden haben, insbesondere der Insolvenzverwalter, aber auch die Betriebsräte, die IG Metall, die Akteure vor Ort. Dafür vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und das hören Sie übrigens auch von den Zulieferern, die sagen, das ist eine gute Lösung. Und ich will mal an der Stelle ganz klar sagen, TKMS in Wismar bedeutet Vereinbarungen mit der IG Metall: Zusage 800 Arbeitsplätze, nebenan bei der ehemaligen Kabinenfertigung

das Unternehmen Eppendorf: 400 bis 500 Arbeitsplätze nur für Wismar, dann in Rostock-Warnemünde das Thema Marinearsenal, da ist drüber gesprochen worden, der Haushaltsausschuss des Bundestages wird abschließend am 6. Juli entscheiden: 500 Dienstposten öffentlicher Dienst.

Und darüber hinaus, das will ich auch noch dazusagen, es gibt nach wie vor Gespräche, weil es die Bereitschaft der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gibt, dass man dann auch darüber reden kann mit Unternehmen – das Unternehmen wurde hier schon genannt –, die im Offshoreplattformbau unterwegs sind, dass man das auch am Standort Warnemünde am Ende des Tages hinbekommt.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns klarmachen, dass wir mit diesen Unternehmen Zukunft schaffen, aber sie sind ja nicht alleine. Wir reden schon seit Längerem über die Peene-Werft in Wolgast, auch da sind gerade im Militärschiffbau verschiedene Aufträge platziert worden. Wir haben ja auch den Vorteil, dass die Lürssen-Gruppe in diesem Bereich unterwegs ist.

Und jetzt ein letztes Bekenntnis. Ich habe viele nationale maritime Konferenzen erlebt in den letzten Jahren, wo immer wieder, von den Gewerkschaften angefangen bis zu den Arbeitgeberverbänden, den Fachverbänden, der Politik gesagt wurde, was uns fehlt in Deutschland im Unterschied zu anderen Staaten in Europa, ist, dass wir einen leistungsfähigen Wehrtechnik-/Wehrindustriebereich haben im Bereich des Schiffbaus. Wir müssen die Kräfte konzentrieren.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das waren ja immer die Schmuddelkinder. Die wollte keiner haben.)

Das sind immer wieder Lippenbekenntnisse gewesen. Jetzt haben wir die Chance, dieses tatsächlich zu vollziehen, vieles davon in Mecklenburg-Vorpommern, vieles im Interesse von Wertschöpfung für dieses Land, aber vor allen Dingen im Interesse der Beschäftigten. Und wir sind auch mit TKMS bereits im Gespräch, wie wir die Brücke bis 2024 in Wismar auflösen können für viele Beschäftigte. Ich glaube, das ist ein gutes Ergebnis nach noch nicht einmal einem halben Jahr Insolvenzprozess, dass die Beschäftigten vor Ort wirklich sehen können, wie es vorangeht. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister!

Die Aussprache ist damit beendet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen mitteilen, dass nach Absprache zwischen den Fraktionen vereinbart wurde, dass wir die Tagesordnung an dieser Stelle beenden

(Nikolaus Kramer, AfD: Unfassbar!)

und den noch ausstehenden Tagesordnungspunkt 23 auf die morgige Sitzung verschieben.

(Nikolaus Kramer, AfD: Unfassbar!)

Wir sind dann damit am Schluss der heutigen Sitzung angekommen und ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Donnerstag, den 30. Juni 2022, 09:00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.