Protocol of the Session on June 29, 2022

Die Landesregierung wiederum wäre nicht die Landesregierung, hätte sie nicht sofort die Flucht nach vorn angetreten. In Wismar und auch in Warnemünde sollten fortan Systeme für Windkraftanlagen gebaut werden. Es folgten in jeder Hinsicht viele optimistische Prognosen. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, am Ende sei das Ende von Genting ein großes Glück. Doch am Ende kam alles anders. Und ob das auch ohne den Krieg Russlands gegen die Ukraine passiert wäre, das wissen wir nicht. Es spielt auch keine Rolle. So erfreulich es nämlich ist, dass vor allem die Standorte Wismar und Warnemünde in gute Hände gehen, für die Zulieferindustrie in Mecklenburg-Vorpommern ist die deutsche Marine als Kunde sehr viel herausfordernder, als es zivile Abnehmer waren.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin schon kurz auf das Bundeswehrsondervermögen eingegangen, aber es lohnt sich natürlich, hier ein wenig genauer hinzuschauen. Die norddeutschen Ministerpräsidenten, Frau Schwesig vorneweg, forderten auf einer Ministerpräsidentenkonferenz in Kiel, dass ein großer Teil des 100-MilliardenSondervermögens an norddeutsche Werften gehen soll, zweifelsohne die richtige Forderung zur richtigen Zeit. Es gibt dazu auch eine schriftliche Erklärung, die keinen Interpretationsspielraum zulässt. Es sind die Punkte 8 und 9 in dem entsprechenden Papier.

Und wir haben uns natürlich auch über die Nachricht gefreut, dass TKMS nach Mecklenburg-Vorpommern zu kommen gedenkt. Aber als es auch um Taten ging und nicht mehr nur um Worte, schlug sich die Landesregierung seitwärts in die Büsche. Ja, TKMS soll nach Wismar kommen. Über den Gläubigerausschuss war das Land daran direkt beteiligt. Ja, die Werften in M-V sollen vom 100-Milliarden-Kuchen ein möglichst großes Stück abbekommen. Nein, dem Sondervermögen selbst, dem kann das Land leider nicht zustimmen. So machen wir uns natürlich lächerlich, so machen wir das Land lächerlich, und das ist Ihnen nicht einmal unangenehm.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Abstimmung im Bundesrat über das Sondervermögen hätten die Interessen des Landes im Mittelpunkt stehen müssen. Frau Schwesig wird nicht müde zu erklären, dass dieses Landesinteresse für sie der einzige Maßstab ist. Ganz offensichtlich ist das nicht ganz die Wahrheit, sonst hätten wir im Bundesrat eine andere Abstimmung erlebt.

(Torsten Renz, CDU: Ringstorff hat es schon mal gemacht.)

Dass es anders geht, daran erinnern sich die Älteren. Harald Ringstorff hat 2001 im Bundesrat mit Ja zur Rentenreform gestimmt.

(Sebastian Ehlers, CDU: Ja, der hat Mumm gehabt.)

Ringstorff erklärte damals sein Ja, Zitat: „Die Entscheidung war notwendig, um nach außen deutlich zu machen, dass sich Mecklenburg-Vorpommern den dringenden Reformen in Deutschland nicht widersetzen kann.“

(Sebastian Ehlers, CDU: Erst das Land, dann die Partei.)

Das fällt wohl unter staatspolitisches Verantwortungsgefühl. Dieses staatspolitische Verantwortungsgefühl hätte ich mir von der Ministerpräsidentin an dieser Stelle auch gewünscht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

gerade aber vor allem wegen dem Ansehen, was in den letzten Monaten passiert ist und wo MecklenburgVorpommern sehr stark gelitten hat. Sie waren dazu offenkundig nicht bereit, und ich glaube, die SPD wird vielleicht nachher auch noch wortreich erklären, dass man sich bei strittigen Fragen nun mal im Bundesrat enthält. Haken dahinter! Herr Timm hat das kürzlich ja bereits gemacht. Herr Barlen hat das auch erklärt.

Aber so einfach kann man sich das bei diesem Thema eben nicht machen. Es geht hier nicht um irgendein Randthema. Hier geht es um die staatliche Integrität der Bundesrepublik Deutschland, um die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes angesichts eines grausamen Krieges am Rande Europas. Die Linkskoalition hat es tatsächlich geschafft, die Frage der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu einer nachrangigen parteipolitischen Sachfrage zu verzwergen. Das muss man sich auch erst mal trauen in dieser Situation!

Wie kann es sein, dass sich die Ministerpräsidentin an dieser Stelle angesichts einer vollkommen veränderten sicherheitspolitischen Lage ihrer Verantwortung nicht bewusst ist, man könnte auch sagen, abermals nicht bewusst ist? Warum schon wieder ein länderspezifischer Sonderweg? Warum machen wir uns an dieser Stelle als Bundesland wieder so eine Tür auf? Warum nach der Nebenaußenpolitik jetzt auch noch eine Nebensicherheitspolitik? Aber kann es anders sein, dass die Nichtzustimmung zum Sondervermögen vielleicht auch gar keine Frage von Koalitionsräson war, sondern eine Entscheidung aus innerer Überzeugung? Dann wäre es aber auch für die Öffentlichkeit interessant zu wissen, ob dies der Fall war.

Beim Sondervermögen, bei TKMS und beim Marinearsenal geht es nicht nur um sicherheitspolitische Fragen und um das Ansehen unseres Bundeslandes. Wir reden hier natürlich auch über eine Frage von wirtschaftspolitisch höchster Wichtigkeit. Nachdem die Landesregierung Anfang 2022 dem Scheitern der Kreuzschifffahrt halb tatenlos, halb zustimmend zuschaute, hat sie mit dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat auch dem grauen Schiffbau recht unmissverständlich klar die kalte Schulter gezeigt. Wie gesagt, andere Bundesländer haben das Sondervermögen im Bundesrat explizit begrüßt. In Berlin wird man jetzt nicht zu Unrecht fragen, warum Milliardenbeträge aus dem Vermögen in Mecklenburg-Vorpommern investiert werden sollen, gegen das sich Teile der hiesigen Landesregierung mit großem Tamtam ausgesprochen haben und das die Landesregierung offenbar als Ganzes nicht wirklich will.

Wirtschaftsminister Meyer und zumindest Teile der SPDFraktion vermitteln den Eindruck, als gäbe es eine große Sympathie für die Übernahme der Werften durch TKMS beziehungsweise die Übernahme des Standortes Warnemünde durch das Marinearsenal. DIE LINKE hat sich da weniger zweideutig positioniert. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher hat TKMS sogar neue Investitionsfelder nahegelegt. So geht Wirtschaftspolitik eben unter Rot-Rot. Ein Industriebetrieb, der sich unter Zustimmung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ansiedeln wird, bekommt präventiv mit auf den Weg, dass er bitte demnächst seine Produktpalette überarbeiten soll. Man wird sich natürlich auch in Kiel gefragt haben, ob wir in M-V noch ganz bei Trost sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Henning Foerster, DIE LINKE: Keine Ahnung! – Vizepräsidentin Elke-Annette Schmidt übernimmt den Vorsitz.)

Und die Ministerpräsidentin schweigt zu diesen ganzen Dissonanzen in ihrer Regierung. Angesichts einer der größten industriepolitischen Vorhaben der letzten Jahre sind das sicher denkbar schlechte Vorzeichen für die weitere Entwicklung in unserem Bundesland. TKMS kommt nach Wismar gegen den Willen der LINKEN bei gleichzeitigem Wohlwollen des Landes im Gläubigerausschuss. Das Sondervermögen kommt, und das wird auch in Mecklenburg-Vorpommern wirken, wenn auch ohne Zustimmung des Bundeslandes im Bundesrat. Bleibt noch die Frage nach dem Marinearsenal in Warnemünde. Der Bund hat ein Angebot abgegeben, Frau Schwesig hat dies umgehend begrüßt, DIE LINKE murrt.

Diese heutige Aussprache könnte deswegen auch eine gute Gelegenheit sein,

(Zuruf von Daniel Seiffert, DIE LINKE)

der öffentlichen Hand reinen Wein einzuschenken, was das Verhalten des Landes im Gläubigerausschuss angeht, denn Herr Minister Meyer hat ja gestern erklärt, dass der Bund den Zuschlag für den Standort erhalten hat. Hat sich das Land über den Gläubigerausschuss gegen diese Entscheidung gewehrt, hat es die Bedenken der LINKEN zur Sprache gebracht oder wurde die Entscheidung heimlich, still und leise durchgewunken, in dem Wissen, dass im Gläubigerausschuss keine Kameras laufen?

Herr Minister Meyer erklärt, dass das Marinearsenal den insolventen Teil der MV WERFTEN in Warnemünde

erhält. Es wird Zeit, Farbe zu bekennen. Ist die veränderte sicherheitspolitische Lage im Bewusstsein der Landesregierung angekommen? Zieht die Ministerpräsidentin daraus die richtigen Schlüsse oder läuft die Landesregierung sicherheitspolitisch den LINKEN hinterher?

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Die Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium hat gestern Abend noch erklärt, es bedürfe eines Bekenntnisses der Stadt und auch eines Bekenntnisses des Landes. Ist die Landesregierung bereit, ein solches Bekenntnis abzugeben, ja oder nein? Für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, vor allem aber für die Beschäftigten an den Werften wäre es gut, wenn die Landesregierung heute hier ihren politischen Kurs erklären würde. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Für die Fraktion der AfD hat nunmehr das Wort der Abgeordnete Martin Schmidt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Landsleute! Es freut mich, dass das Thema Schiffbau heute auf der Tagesordnung ist. Bereits im Januar, kurz nach der absehbaren Pleite der MV WERFTEN, haben wir über eine konkrete Zukunft der Werften hier bereits diskutiert. Während fast alle Fraktionen hier im Haus einen interfraktionellen Antrag stellten, um das „Weiter so“ auf den Werften zu manifestieren, hat die AfD-Fraktion in eine andere Richtung gestoßen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich stellte Ihnen unser Konzept vor, Prototypen für Munitionsbergung oder Plastikbeseitigung hier in M-V mithilfe des Staates, also der öffentlichen Hand, zu entwickeln. Und in meiner Rede stellte ich klar, dass die antinationale, proeuropäische Haltung der letzten Jahrzehnte den Schiffbau ins Ausland verlagerte.

Besonders schmerzhaft ist dies bei den Marine- und Behördenschiffen, die unseren nationalen Interessen dienen sollen. „Hier muss Änderung her! Marine- und Polizeischiffe gehören auf deutsche Werften, ganz einfach!“, das waren meine Worte in der Rede damals. Und hätte man zum damaligen Zeitpunkt gewusst, dass die Ampel bereit ist, 100 Milliarden Neuverschuldung in Rüstung zu investieren, hätte man gewusst, dass Wladimir Putins Realitätsdusche die skurrilen Ampelpazifisten in pickelhaubige Flottengesetzgeber verwandelt,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Oh, da haben Sie lange überlegt, ne?!)

ja, hätte man das gewusst, dann hätte die AfD-Fraktion noch energischer darauf gepocht, auch Militär- und Marineschiffbau anzusiedeln.

Aber warum erzähle ich das? Der Titel Ihrer Aussprache, liebe CDU-Fraktion, lautet: „Chancen des Marineschiffbaus für Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Mecklenburg

Vorpommern nutzen – Ansiedlung von Rüstungsbetrieben und Zulieferern konstruktiv und glaubwürdig unterstützen“, und da kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir uns da, wie gesagt, schon in der Vergangenheit engagiert haben. Nur eben bei Ihnen selbst – bei der CDU – habe ich so ein bisschen die konstruktiven Lösungsansätze vermisst.

Wir haben einiges an Mails geschrieben, wir haben an vielen Dialogformaten teilgenommen, wir haben im Wirtschaftsausschuss sehr intensiv die Maritime-ExpertenAnhörung begleitet und ausgewertet, wir haben als Wirtschaftsausschuss zusammen mit dem Kooperationsverbund RIC MAZA einen Unternehmensbesuch bei einem Schiffbauzulieferer abgehalten und ein wirklich erhellendes Gespräch geführt. Und wir als AfD im Landtag und natürlich auch unsere Kollegen im Bundestag werden uns weiter engagieren. Und wir sind natürlich froh, dass alles gut geklappt hat in Wismar und in Rostock.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Lassen Sie mich kurz was zur jetzigen Situation sagen. Wir alle haben es gelesen: thyssenkrupp Marine Systems will nun auch nach Wismar, und es werden U-Boote und unter Umständen auch Munitionsbergungseinheiten entwickelt. Wir hoffen da jetzt auf einen erfolgreichen U-BootBau, aber auch auf unseren Vorschlag zur Munitionsbergung setzen wir und werden das verfolgen.

(Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist Ihr Vorschlag, genau.)

Genau.

Die Munitionsaltlasten – wir hatten es auch eben in der Aussprache davor –

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ich sehe schon die Pickelhaube auf Ihrem Kopf.)

in der Ostsee sind ein Thema, das seit 50 Jahren auf eine Lösung wartet. Es wäre wirklich an der Zeit,

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

endlich die für die Munitionsbergung erforderlichen Plattformen zu bauen, um die Umweltgifte vom Meeresgrund zu bergen, bevor sie freigesetzt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Pläne, die liegen eben bei TKMS in der Schublade. Dies werden wir auch weiterhin fordern. Aber es gilt, jetzt auch noch eine Durststrecke zu überwinden, denn TKMS benötigt frühestens ab 2024 die Fachkräfte. Nur wenigen Ingenieuren wurde jetzt schon eine Zukunft bei TKMS ermöglicht. Das bedeutet aber auch, dass wir Probleme dabei haben werden, die Transfergesellschaft über ein Jahr lang noch am Leben zu erhalten. Da müssten wir ehrlich werden. Die Finanzierung kann nicht alleine durch das Land gestemmt werden. Wir müssen auch sehen, dass die Belegschaft mit Potenzial, die noch in der Transfergesellschaft verharrt, eventuell irgendwo zwischengeparkt werden kann.

Und dazu schlagen wir vor, dass eine große, vom Land organisierte Fachkräftemesse, zu der die Belegschaft und Unternehmer eingeladen werden, bis zum Start von