Protocol of the Session on March 9, 2022

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

die wissen, dass es am 8. März um alles ging, aber wenig um Politik, und gerne zusammensitzen und zusammen feiern, alles in Ordnung, aber politisch war dieser Tag auch damals schon sehr fraglich.

(Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Die UN rufen jedes Jahr ein Thema aus, unter dem der Weltfrauentag stattfindet. Dieses Jahr am 8. März steht das Thema „Stoppt die Voreingenommenheit!“, und das ist ein wichtiges Thema, über das nicht nur an einem Tag im Jahr gesprochen werden sollte.

(Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Und, meine Damen und Herren, der 8. März als Frauentag ist heute als Zeichen einer vielfältigen Frauenbewegung fest im Bewusstsein der Gesellschaft verankert. Chancengleichheit für Frauen im Erwerbsleben, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, der Kampf gegen Gewalt an Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter sind Themen für jeden einzelnen Tag.

Frau Berg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden Herrn Barlen?

Habe ich noch Zeit?

(Rainer Albrecht, SPD: Klar. – Schriftführer Christian Brade: Ja.)

Okay.

Ja, bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Frau Berg! Ist Ihnen bekannt, dass in MecklenburgVorpommern weniger Feiertage begangen werden als in anderen Bundesländern?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Das ist mir bekannt, Herr Barlen, und trotzdem …

Eine Nachfrage?

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden?

Ja.

Bitte schön!

Würden Sie mir zustimmen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes Mecklenburg-Vorpommern sich diesen zusätzlichen Feier

tag, um auf Augenhöhe zu kommen, in der Vergangenheit redlich erarbeitet haben?

(allgemeine Unruhe – Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, und Sebastian Ehlers, CDU)

Ich stimme Ihnen zu, dass es einen zusätzlichen Feiertag geben könnte,

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

aber bitte nicht allein den Frauentag. Es gibt sicherlich Themen, die man in die Diskussion nehmen könnte,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

aber wir reden über den Frauentag. Er soll die Frauen in den Mittelpunkt stellen

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und soll deren Gleichberechtigung, deren Rechte stärken. Das sehe ich durch einen zusätzlichen Feiertag nicht.

Vielen Dank!

Gerne.

Also, okay, dann kann ich ja gleich weitermachen. Den Bedarf für einen zusätzlichen gesetzlichen Feiertag sehe ich nicht, den Bedarf für ernsthafte Bemühungen nach mehr Gleichstellung, den sehe ich schon. Und wir werden deshalb diesen Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Berg!

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Shepley.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Es fiel mir am vergangenen Wochenende sehr schwer, mich auf diese Plenarwoche vorzubereiten. Lange saß ich vor einem weißen Blatt Papier und fragte mich so ein bisschen nach dem Sinn dessen, was wir hier eigentlich tun, denn was für Bedeutung hat es im Angesicht des unendlichen Leids der Ukrainer/-innen, heute hier über Gleichstellung aller Geschlechter ans Redner/-innenpult zu treten. Dann dachte ich an die Abgeordnetenkolleg/-innen, die sich unter Einsatz ihres Lebens im Kriegsgebiet zu geheimen Plenarsitzungen treffen, um die demokratischen Prozesse aufrechtzuerhalten, und ich hatte meinen Kompass wieder.

Meine, unsere Verantwortung in diesen Zeiten liegt unter anderem darin, dass wir uns einmal mehr darüber klarwerden, wie wertvoll unsere Demokratie ist und was für ein Geschenk die freie Debatte im Plenum. Wir könnten meinen, dass es im Moment nichts Wichtigeres gibt und dass wir zum Beispiel feministische Diskussionen in guten Zeiten führen sollten, in Zeiten ohne russischen Krieg. Das glauben wir nicht, denn dieser Feminismus,

diese Menschenrechte, über die wir heute hier sprechen, sind genau die Themen, auf die es jetzt ankommt. Sie sind überlebenswichtig.

Also lassen Sie uns über Gleichstellung und den Internationalen Frauentag reden, der mit dem vorliegenden Antrag ab kommendem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern zum Feiertag werden soll. Ich kann es gleich vorwegnehmen, die bündnisgrüne Fraktion begrüßt diesen Antrag ausdrücklich, denn die immer noch hinterherhinkende Gleichstellung aller Geschlechter braucht Aufmerksamkeit und ein breites gesellschaftliches Bewusstsein, damit sich die Verhältnisse in vielen Bereichen unseres Lebens endlich zum Besseren wenden. Ein jährlicher Feiertag schärft dieses Bewusstsein und wird uns einen Anlass geben, über das zu sprechen, was noch getan werden muss, um die strukturelle Benachteiligung von Frauen Stück für Stück abzubauen.

(Unruhe bei Stephan J. Reuken, AfD, und Jens-Holger Schneider, AfD)

Insofern verstehe ich den zusätzlichen, für alle Bürger/innen wohlverdienten Feiertag nicht primär als Tag zum Feiern, an dem wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen, Blumen überreicht bekommen und uns freuen, wie sehr wir als Frauen wertgeschätzt werden, sondern ich sehe ihn als jährlich wiederkehrenden Tag, an dem wir uns ganz genau anschauen, was schon erreicht wurde, aber uns noch viel mehr das anschauen, was noch getan werden muss.

Es geht ganz einfach um Rechte, es geht um Repräsentation, es geht um Ressourcen. Keine Gesellschaft kann ihr Potenzial voll ausschöpfen, wenn die Hälfte der Weltbevölkerung keine Möglichkeit zu gleichberechtigter Teilhabe hat. Denn obwohl der Internationale Frauentag bereits seit 111 Jahren begangen wird, wiederholen sich viele Forderungen einfach jedes Jahr aufs Neue, weil wir in Fragen der Gleichstellung bisher nur im Schneckentempo vorankommen. Auch wenn beispielsweise – das wurde heute schon erwähnt – die geschlechtsbezogene Verdienstlücke, das Gender-Pay-Gap, in den letzten Jahren etwas kleiner geworden ist, verdienen Frauen in Deutschland ungefähr 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, und wir liegen damit auch im Durchschnitt Europas an einer sehr, sehr hinteren Stelle.

Es ist daher gut und wichtig, dass wir Bündnisgrüne zum Beispiel auf Bundesebene uns dafür einsetzen, dass das Entgelttransparenzgesetz entsprechend weiterentwickelt wird, um diese Lücke schneller und dauerhaft zu schließen. Außerdem ist der Anteil von Frauen in den Sozial- und Erziehungsberufen, im Gesundheitswesen, in der Pflege um ein Vielfaches höher als das der Männer. Die so oft als „klassische“ Frauenberufe konnotierten Berufsfelder kämpfen ebenso klassisch um längst überfällige Wertschätzungen, um bessere Arbeitsbedingungen und um höhere Entlohnungen. Hier müssen wir die gesellschaftliche Debatte um Stereotype wie „Männerberufe/Frauenberufe“ aktiv führen und dafür sorgen, dass wir die Schubladen wieder aufmachen, die wir alle – und da schließe ich mich jetzt auch nicht aus – seit Jahrzehnten in unseren Köpfen mit uns herumtragen.

Und, meine Damen und Herren, wir müssen selbstverständlich weiter mit Hochdruck daran arbeiten, dass gerade die sogenannten Care-Berufe ordentlich und ihrer

hohen sozialen Verantwortung gemäß bezahlt werden. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung fand bereits 2012/2013 heraus, ich zitiere: „Erwerbstätige Frauen verbringen mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als... Männer und übernehmen einen größeren Teil der im Haushalt anfallenden Fürsorgearbeit.“ Zitatende. Zudem arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit oder in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen als Männer, was bei vielen eine Armutsrente nach sich zieht. Hier müssen wir uns die Frage stellen, wie können wir der so wichtigen Fürsorgearbeit in der Familie gerecht werden, ohne dass dafür am Ende des Lebens eine Frau mit einer geringen Rente abgestraft wird und ohne dass Frauen der Weg in die Spitzenposten verbaut bleibt.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, mich an die Gleichstellungsministerin zu wenden mit ein paar Grüßen an unsere Gleichstellungsbeauftragte Frau Brüdgam. Ich freue mich sehr, dass es diese Stelle der Gleichstellungsbeauftragten gibt und dass sie so besetzt wurde. Wir haben noch viel zu tun mit der Gleichstellung in MecklenburgVorpommern, zum Beispiel auch die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch.

Es ist mir an dieser Stelle extrem wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine echte Gleichstellung aller Geschlechter nur dann erreicht werden kann, wenn wir nicht nur Frauen und Männer, sondern auch intergeschlechtliche Menschen in unsere Bestrebungen nach gleichwertigen Verhältnissen miteinbeziehen. Leider sind hierfür in Mecklenburg-Vorpommern die Strukturen unzureichend, denn für nicht binäre Menschen ist die Gleichstellungsbeauftragte formal nicht zuständig. Sie müssen sich an die Antidiskriminierungsstelle des Landes wenden, um gehört zu werden. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus 2017 eindeutig verfügt, und ich zitiere: „In der unterschiedlichen Behandlung intergeschlechtlicher Personen gegenüber männlichen oder weiblichen Individuen liege eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts...“, Zitatende.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Unter anderem werden in dem Urteil der Deutsche Ethikrat, die Bundesärztekammer und das Deutsche Institut für Menschenrechte zitiert. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wirkt sich nicht nur auf das Personenstandsrecht aus, sondern hat Folgen für viele weitere Bereiche, zum Beispiel im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und für den Diskriminierungsschutz.

Es ist also unsere Pflicht und Schuldigkeit, den Begriff der „Gleichstellung“ und alles, was sich daraus für unsere Gesellschaft ergibt, endlich breiter zu denken. Wir werden mit erstarrten Strukturen und eingegrenzten Zuständigkeitsdefinitionen momentan denjenigen Menschen nicht gerecht, die sich in unserer Frauen-Männer-Debatte nicht wiederfinden. Und auch wenn wir uns ab kommendem Jahr alle auf den Frauenfeiertag freuen dürfen und auch wenn ich Ihnen zustimme, es muss ein Aktionstag werden, braucht es unsere Akzeptanz für alle Geschlechter, um gleiche, faire und von allen akzeptierte Lebens- und Arbeitsumstände zu schaffen. In diesem Sinne appelliere