Protocol of the Session on September 23, 2020

Meine Damen und Herren, gehen wir mal etwas tiefer auf die einzelnen Themen, die in diesem Titel enthalten sind,

ein. „Grundrechte bewahren“, das meint natürlich die Artikel 1 bis 19 unseres Grundgesetzes, die Grundrechte, die Abwehrrechte eines jeden Menschen gegenüber dem Staat.

Los gehts mit Artikel 1 Absatz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Da könnte man sagen, okay, so langsam versteht man, warum die AfD das hier zum Thema macht. Den Schutz der Würde des Menschen als Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, den kann man in der Tat bedroht sehen, aber ganz bestimmt auf eine andere Art und Weise, als Sie, Herr Förster, das hier vorhin für die AfD vorgetragen haben. Wenn beispielsweise in Chatgruppen von Polizistinnen und Polizisten bekannt wird, dass dort rechtsextreme Inhalte geteilt werden, wenn beispielsweise ein hier anwesender Polizeioberkommissar mal ausrutscht und ein Foto der SSLeibstandarte Adolf Hitlers mit dem Text, Zitat, „Ein schwarzer Block ist nicht grundsätzlich scheiße“, Zitatende – die Unflätigkeit war selbstverständlich im Original enthalten –, in einem Chat postet, ja, wenn das passiert, meine Damen und Herren, dann muss man sich in der Tat fragen, ob die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, ob das eigentlich noch gültig ist. Nicht wahr, Herr Fraktionsvorsitzender Kramer?

(Zuruf von Nikolaus Kramer, AfD)

Nehmen wir den Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Achtung, Ironie! Selbstverständlich, ich kann die Ängste der AfD, dass da jemand in dieses Grundrecht eingreifen möchte, natürlich voll und ganz nachvollziehen,

(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD)

dass jemand das Interesse daran haben könnte, Quotenregelungen zu bekämpfen,

(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD)

die es verstärkt Frauen ermöglichen, beispielsweise politische Ämter wahrzunehmen. Das wäre doch schlimm, wenn es in Parlamenten Fraktionen geben würde, in denen Frauen überhaupt nicht repräsentiert sind.

(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Nicht wahr, meine Herren von der AfD?

(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Womit wir beim nächsten Thema wären. Nehmen wir in Artikel 4 des Grundgesetzes die Absätze 1 und 2: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.... Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Stellen wir uns einfach mal vor, meine Damen und Herren, es würde eine islamfeindliche Partei geben, die am liebsten in eben jene Grundrechte eingreifen möchte, oder noch schlimmer, eine Partei, die Muslime qua ihrer Religion aus Deutschland heraushaben möchte, weil der Islam nicht zu Deutschland gehöre, eine Partei, die auch nicht zwischen dem Islam und Islamisten

unterscheidet, die unterstellt, jeder Moslem wäre automatisch jemand, der die Scharia über das Grundgesetz stellt. Ja, wenn es eine solche Partei gibt, dann muss man sich tatsächlich Sorgen um die Bewahrung dieses Grundrechtes machen. Nicht wahr, Herr Grimm?

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

Und alle anderen von Ihnen, Sie haben diese Position ja in Ihrem Grundsatzbeschluss.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Da kommen wir ganz passend zu Artikel 6 des Grundgesetzes, der sich mit dem Schutz von Ehe und Familie beschäftigt, mit den Rechten und Pflichten von Eltern. Die Ehe als ein Bündnis zweier sich liebender Menschen hat den Schutz der Gemeinschaft verdient. Meine Damen und Herren, wie abscheulich wäre es eigentlich, wenn eine Partei in unserer heutigen, in unserer aufgeklärten Zeit beispielsweise gegen die gleichgeschlechtliche Ehe wettern würde? Oder wenn eine Partei vorschreiben wollen würde, dass eine Familie nur dann besteht, wenn wir Vater, Mutter und ganz viele Eltern haben und eine deutsche Familie nur besteht, wenn vier Großeltern bitte „biodeutsch“ sind, Zitat?! Nicht auszudenken, wenn es im deutschen politischen System eine derartige Partei geben würde! Das wäre eine echte Gefährdung für die Grundrechte an dieser Stelle. Nicht wahr, Herr Professor Dr. Weber?

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht alle Grundrechte, die unser wunderbares Grundgesetz bietet, durchdeklinieren. Das wäre gerade mit Blick auf die jeweiligen Verfehlungen der AfD dann etwas voraussehbar und auch etwas ermüdend, aber zum Thema „Grundrechte bewahren“ – so hat die AfD diese Aussprache ja selber genannt – ist mir der Artikel 8 des Grundgesetzes doch noch ein Anliegen, der die Versammlungsfreiheit gewährleistet: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ In Absatz 2 heißt es: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“

Ja, es ist schlimm, dass es ein Virus wie Corona gibt, das überall in Deutschland im Augenblick leider wieder zu stark steigenden Fallzahlen führt. Und auch in der AfDBundestagsfraktion ist dieses Virus ja inzwischen angekommen. Da gibt es einen großen Streit darüber, wie man eigentlich verantwortlich auch damit umgeht, auch mit der Gesundheit der Mitarbeitenden. Da platzt, glaube ich, einigen im Augenblick der Kragen, was man so lesen kann. Und dieses Virus, das breitet sich ohne Schutzmaßnahmen leider sehr schnell unkontrollierbar aus und das kann für gefährdete Bevölkerungsgruppen tödlich enden.

Und das führt dazu, dass wir in Deutschland Versammlungen unter freiem Himmel stattfinden lassen – damit wird selbstverständlich diesem Grundrecht im Absatz 1 Genüge getan –, jedoch wird es mit Auflagen versehen, und das wird dem zweiten Absatz des Artikels 8 wiederum gerecht. Und das hat insgesamt niemand gerne, aber selbst die Beauflagung dieser Versammlungen ist im Grundgesetz auf diese klare Art und Weise verankert.

Und wir müssen an dieser Stelle auch mal festhalten, auch das Grundrecht der Menschen, dass der Staat sie vor solchen Epidemien schützt, indem er beispielsweise egoistische Gruppen nicht einfach unkontrolliert demonstrieren lässt, ist an dieser Stelle nicht in Gefahr.

Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich Sebastian Engelbrecht vom „Deutschlandfunk Kultur“ zitieren: „Die Veranstalter der Demonstrationen schwadronieren vom Grundgesetz, von Grundrechten und Demokratie, von Frieden und Freiheit. Hinter diesen Phrasen verbirgt sich der Zynismus der politischen Rechten. Ihre Maxime ist in Wahrheit das Recht des Stärkeren. Sie verachten eine Politik, die seit einem halben Jahr um der Alten und Schwachen willen den Jungen und Starken Einschränkungen zumutet.“ Zitatende. Dem Zitat kann ich mich anschließen.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Meinungsfreiheit verteidigen“ lautet der zweite Teil des Titels der Aussprache. Artikel 5 des Grundgesetzes enthält die Grundsätze der Meinungsfreiheit. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Die Presse ist in ihrer Berichterstattung frei, und niemand, und ich möchte sagen, wirklich niemand der demokratischen Parteien in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus käme auf die Idee, Journalistinnen und Journalisten zu drohen, wenn man erst mal „an die Macht“ käme, dann werde „aufgeräumt“ in den Redaktionsstuben. Das wäre auch eine völlig ungeheuerliche Androhung, außer – vielleicht ahnen Sie es bereits – beispielsweise ein AfD-Politiker namens Mandic. Zitat: „Mit Merkel zusammen müssen auch etwa 870.000 Kollaborateure aus den Ministerien, Fernsehstudios, Redaktionsstuben, Lehrkörpern, Sozialämtern und Gewerkschaften entsorgt werden.“

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Krasses Menschenbild!)

„Endlich wird in Deutschland aufgeräumt!“ Zitatende.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Pfui Teufel!)

Genau dieser AfD-Politiker wird aber – Stand Montag dieser Woche – nicht mal für solche Äußerungen aus der Partei geschmissen. Das trägt man so mit.

Der Satz „Eine Zensur findet nicht statt“ ist allen demokratischen Kräften in diesem Land wichtig. Da spreche ich nicht nur für uns als SPD-Fraktion, das dürfte in gleicher Art und Weise – wir haben es eben auch gehört – für die CDU und DIE LINKEN zutreffen. So sehr man sich auch manchmal über den einen oder anderen Beitrag ärgern mag, eine freie Presse ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie.

Nun stellen wir uns vor, es gäbe eine Partei, die beispielsweise unser öffentliches Rundfunksystem angreifen würde, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv einschränken möchte.

(Zuruf von Elisabeth Aßmann, SPD)

Ich würde mir, ehrlich gesagt, Sorgen um die Meinungsfreiheit machen. Nicht wahr, meine Herren von der AfD?

(Heiterkeit bei Philipp da Cunha, SPD)

Wie Artikel 5 richtigerweise festhält, hat auch Meinungsfreiheit Grenzen, dann nämlich, wenn die Grundrechte und die Würde anderer Personen verletzt werden. Dass die Verherrlichung der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus, das Verwenden verfassungsfeindlicher

Symbole oder gar das Leugnen des Holocaust nicht von Meinungsfreiheit gedeckt sind, müssen wir an dieser Stelle hoffentlich nicht diskutieren. Oder hat die AfD hier Relativierungsbedarf beziehungsweise eine alternative Auffassung? Dann könnten Sie das hier selbstverständlich darlegen, Stichwort „Fliegenschiss“.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten bereits sehr ausführliche Diskussionen hier in diesem Parlament zu eben jener Frage der Meinungsfreiheit und der Grundrechte. Es steht jedem Menschen frei, sich in diesem Land zu äußern. Die Grenzen dieser Meinungsfreiheit liegen zum einen im Strafrecht und zum anderen – das gilt aber nur für moralisch verantwortungsvolle Menschen – im kategorischen Imperativ Kants. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft des Abendlandes, wenn man so will, die hier in diesem Haus in Wirklichkeit immer wieder von nur einer einzigen Fraktion, nämlich von der Fraktion der AfD, infrage gestellt wird.

Die Meinungsfreiheit reicht sogar so weit, dass ein Autor veganer Kochbücher über soziale Medien Warnungen vor Atomschlägen verbreiten kann, die jeglicher Grundlage entbehren – Meinungsfreiheit! –, oder dass ehemalige Popstars ihre Gefolgschaft auffordern, bei einer Fahrt nach Berlin das Mobiltelefon doch bitte unbedingt in Alufolie einzuwickeln. Das ist auch Meinungsfreiheit.

(Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE)

Es ist auch niemand daran gehindert, auch das genau alles zu befolgen, das Telefon schnell in die Silberfolie einzuwickeln. Dann würde ich aber wirklich davor warnen, parallel die Mikrowelle noch zu bedienen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Da gibt es nämlich Brandgefahr.

Meine Damen und Herren, hat es im Zusammenhang mit den Corona-Verordnungen Einschränkung von Grundrechten gegeben?

(Dr. Ralph Weber, AfD: Selbstverständlich!)

Ja, hat es, und die gibt es auch immer noch.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das darf man nicht kritisieren.)

Aber diese Einschränkung der Grundrechte befindet sich aktuell in einem ständigen Abwägungsprozess mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das haben wir ja morgen!)

Und wie bereits festgestellt, kann auch übrigens jede Grundrechtseinschränkung beklagt werden. Solange dieser Klageweg funktioniert, besteht keine echte Gefahr für diese Grundrechte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer mir in meiner ausgesprochen kurzweiligen Ausführung gefolgt ist,