Protocol of the Session on August 26, 2020

Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/5270.

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 7/5270 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Henning Foerster.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige werden beim Lesen der Tagesordnung vermutlich gedacht haben, mein Gott, nicht schon wieder das Thema Vergabegesetz, immer dieselben Debatten. Und ja, leider müssen wir oft und immer wieder ähnliche Debatten führen, denn der aktuelle Vergabemindestlohn Mecklenburg-Vorpommern beträgt 10,07 Euro, und diese reichen eben nicht für ein würdevolles Leben oder eine würdevolle Rente. 10,07 Euro bedeuten, nach einem harten Arbeitsleben aufs Amt gehen und Grundsicherung im Alter beantragen zu müssen. Vielen ist das im Übrigen peinlich, und so steht zu befürchten, dass es nicht wenige geben wird, die selbst die ihnen zustehenden Leistungen nicht in Anspruch nehmen, was zwangsläufig zu Altersarmut führt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir eine solche Entwicklung, soweit wir sie als Land direkt beeinflussen können, künftig verhindern. Wir arbeiten weiter an dem Anspruch, tatsächlich ein Land der guten Arbeit zu werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Man kann es aber auch anders versinnbildlichen. Ich persönlich treffe jeden Tag auf Menschen, die eine wichtige und gute Arbeit leisten und trotzdem mit einem viel zu niedrigen Lohn nach Hause gehen, morgens vor Schulbeginn zum Beispiel die Reinigungskraft, die bereits die Räume in Ordnung gebracht hat, wenn das Kind abgegeben ist, auf dem Weg zur Arbeit den Wachmann, der die letzte Runde seiner Nachtschicht dreht, oder die Mitarbeiter einer Spedition, die neue Möbel für das Ministerbüro

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

oder andere Räume ausliefern und aufbauen.

(Torsten Renz, CDU: Abgeordnetenbüros.)

Was will ich damit sagen? Wenn wir über das Vergabegesetz und insbesondere den Vergabemindestlohn reden, dann sind das niemals nur abstrakte Zahlenspiele, mit denen meine Fraktion oder ich persönlich hier irgendjemanden langweilen oder gar ärgern will. Dahinter stehen immer Menschen aus Fleisch und Blut, es sind Menschen, die uns täglich über den Weg laufen und denen wir zumindest einen anständigen, will heißen, armutsfesten Lohn zugestehen sollten. Genau darum geht es mir persönlich und natürlich auch meiner Fraktion. Was wir unter „armutsfest“ verstehen, wissen Sie, wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen haben. Ich sage es aber auch gern

noch einmal in der Debatte: Für uns heißt das 13 Euro die Stunde.

Meine Damen und Herren, es ist statistisch leider kaum herauszubekommen, wie viele Menschen in M-V denn nun genau vom Vergabemindestlohn profitieren. Aber es gibt durchaus interessante Zahlen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte bei uns im Land verdient weniger als 2.000 Euro brutto im Monat. Das sind die Stunde etwa 11,49 Euro. Deutschlandweit ist das der höchste Anteil an Beschäftigten, die mit einem Niedriglohn abgespeist werden, und da müssten doch bei allen hier im Saal eigentlich die Alarmglocken schrillen. Und während die Mindestlohnkommission auf Bundesebene kümmerliche 1,10 Euro Erhöhung auf dann 10,45 Euro bis 2022 empfahl, gab es ja sogar Stimmen aus der CDU,

(Torsten Renz, CDU: Sitzen da die Gewerkschafter nicht mit drin?)

die einer Aussetzung oder gar Abschaffung das Wort geredet haben.

Ich sage es ganz offen hier: Diese Leute sollten sich schämen. Und da hilft auch kein Verweis auf Corona. Gerade die Krisenbewältigung braucht Instrumente, um die Binnennachfrage wieder anzukurbeln, und da von der GroKo im Bund in dieser Wahlperiode in diesem Punkt nichts mehr zu erwarten ist, muss das Land seiner Verantwortung gerecht werden und aufhören, öffentliche Aufträge unter Duldung von Armutslöhnen zu vergeben, denn auch die derzeit geltenden 10,07 Euro sind ein Armutslohn. Und wer das für linke Propaganda hält, der möge sich befleißigen, bei der Bundesregierung nachzulesen. Diese teilt mit, dass ein Bruttostundenlohn von 12,63 Euro notwendig ist, um nach 45 Jahren Arbeit nicht auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Das ist unser Maßstab und nichts anderes.

Ich möchte auch gleich noch mit dem Ammenmärchen aufräumen, dass Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten, die Zahlung von Tariflöhnen verhindern, unzulässig in die Tarifautonomie eingreifen oder die öffentliche Auftragsvergabe erschweren.

(Torsten Renz, CDU: Da wird die Redezeit gar nicht reichen.)

Das ist nicht der Fall und dieses Fazit ist inzwischen hinreichend wissenschaftlich untersucht und belegt. Und bitte machen Sie sich doch einmal Folgendes bewusst: Mit einem höheren Mindestlohn, ob hier oder in Berlin, schützen wir nicht nur die Beschäftigten vor Niedriglöhnen, sondern auch die vorbildlichen Unternehmen, jene, die Tarifverträge haben, die Tariflöhne zahlen oder die Arbeits- und Urlaubszeiten tariflich regeln gegenüber anderen, die aus Tarifverträgen flüchten oder sie meiden, um über Dumpingpreise an öffentliche Aufträge zu kommen.

Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass sich auch SPD und CDU noch einmal mit dem Vergabegesetz befassen wollen. Die Position der CDU bietet allerdings wenig Konstruktives.

(Minister Harry Glawe: Was?!)

Der Kollege Waldmüller ruft mal wieder nach Bürokratieabbau und findet diesen wichtiger, als sich in dieser

Wahlperiode noch mal über die Höhe des Mindestlohns zu unterhalten. Da sage ich, nicht meine und nicht unsere Schwerpunktsetzung, aber diskutieren kann man im Ausschuss auch darüber. Ich erinnere hier daran, dass meine Fraktion bei der letzten Novelle bereits vorschlug, die unzähligen Nachweise bei Vergaben nur von den Bietern einreichen zu lassen, die auch den Zuschlag erhalten. Das würde bereits vielen Unternehmen eine Menge Papierkram ersparen. Aber selbst diesen Vorstoß haben Sie ja abgelehnt, und daher muss ich sagen: dünn, dünner, CDU.

Wenn Sie außer, den Schlachtruf „Bürokratieabbau“ in die Welt hinauszuposaunen, nichts zu bieten haben, dann bleibe ich doch lieber bei unserer Schwerpunktsetzung. Nebenbei bemerkt: Hätten wir eine höhere Tarifbindung und mehr Unternehmen, die Tarifverträge anwenden, würde auch das Vergabeverfahren einfacher, denn zu niedrige Löhne und viele soziale Aspekte fielen dann als Zankapfel schon mal weg. Die sind in aller Regel zwischen den Tarifparteien vereinbart. Dann könnte man sich einiges an Vorgaben auf gesetzlichem Wege schenken.

Wie ich der Presse entnehmen durfte, hat die SPD die CDU ja schon mal öffentlich zu Gesprächen über das Vergabegesetz eingeladen und vorher eigene Gedanken zur stärkeren Ausrichtung auf Tarifverträge präsentiert. Diesen Ansatz halten wir übrigens für diskussionswürdig.

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE)

Das ist jetzt vier Wochen her.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Über Tarifverträge, also über eine stärkere Tarifbindung, eine Tariftreueklausel im Vergabegesetz zu reden, das halten wir für diskussionswürdig. Das ist jetzt vier Wochen her, sodass ich davon ausgehe, heute auch etwas über das Ergebnis dieser sicher sehr konstruktiven Koalitionsrunde zu erfahren.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU – Minister Harry Glawe: Ja, genau.)

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch kurz etwas zum zweiten Ansatz unseres Gesetzentwurfes, ökologische Kriterien endlich fest zu verankern. Dazu zitiere ich einmal aus einem Koalitionsantrag zum Thema Green IT: „Gerade mit Blick auf die Debatte zu Umwelt- und Klimaschutz ist ein nachhaltiges Wirtschaften insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie zwingend in den Fokus von Politik und Gesellschaft zu rücken. Der Ressourcenverbrauch der Menschheit muss reduziert werden, wenn kommende Generationen weiterhin gut auf diesem Planeten leben wollen. Um diesen Überlegungen gerecht zu werden und eine generationsgerechte Politik zu betreiben, setzen wir uns für die Implementierung der Green-IT in die Digitalisierungsaktivitäten des Landes ein.“

Besser hätte ich die Verankerung von ökologischen Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung nicht begründen können. Und erzählen Sie mir bitte nicht, das Wort „ökologisch“ stünde ja bereits im Vergabegesetz. Die jetzige butterweiche Formulierung bringt gar nichts. Die Vergabestellen brauchen endlich klare Kriterien, die sie bei der

Vergabe auch anwenden können. Formulierungen, wie „ökologische Kriterien können Anwendung finden“, sind mutlose Phrasen. Sie müssen stärker gewichtet werden. Erst dann wird auch bei der öffentlichen Vergabe spürbar der Umwelt- und Klimaschutz in den Fokus gerückt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes ist sozusagen ein erneuter Versuch der LINKEN, der Großen Koalition hier neue Ratschläge zu geben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Rückenwind! Rückenwind! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist unsere Aufgabe.)

Ich will Ihnen noch mal sagen, wie die Rechtslage ist seit Ihren Anträgen, die Sie regelmäßig stellen, und zwar seit 2003 bis zu den Entwürfen 2017 und 2018, die sind weitestgehend deckungsgleich mit dem Entwurf, den Sie jetzt wieder präsentieren: Sie haben weiterhin nicht verstanden, dass das europäische Recht zu beachten ist. Das gilt für den Bund, das gilt auch für die Länder und das gilt eigentlich dann auch für die LINKEN, auch wenn sie in der Opposition sind.

Meine Damen und Herren, Herr Gewerkschafter Herr Foerster, das sind immer dieselben Dinge...

(Die Wartungsklappe vom Rednerpult löst sich.)

Werde ich schon bearbeitet hier?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ups, er hat den Tisch kaputt gemacht! – Henning Foerster, DIE LINKE: Bei der Rede erschrickt selbst das Pult. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ja, Herr Foerster, ich glaube, Sie stecken dahinter!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Heiterkeit und Zuruf von Andreas Butzki, SPD – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, es ist ja richtig und wichtig, dass man immer mehr verlangen kann. Das ist auch so, dass die Große Koalition in den letzten Jahren gerade auch den Vergabemindestlohn in MecklenburgVorpommern jedes Jahr dynamisiert. Und wir haben angefangen …

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Hören Sie doch auf mit Brandenburg! Wir sind hier in Mecklenburg-Vorpommern.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja interessant.)