Protocol of the Session on March 11, 2020

Herr Minister Glawe, Sie haben mich noch gar nicht radauig erlebt

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

und ich will auch zu so später Stunde heute Abend damit nicht anfangen,

(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD: Bravo!)

sondern versuchen, weiterhin hier sachlich zu agieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Meine Fraktion wollte mit dem vorliegenden Antrag einen eigenen Impuls für die zügige Aufnahme eines

Diskussions- und Werkstattprozesses zur Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren setzen, und dabei stellen wir inhaltliche Fragen in den Mittelpunkt und nicht formale Dinge.

Und wir handeln auch stringent, denn zumindest die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses dürften sich noch gut daran erinnern, dass wir bereits in den Haushaltsberatungen Ende 2019 auch finanzielle Mittel für die Erarbeitung einer Landesindustriestrategie nebst Marketingkampagne beantragt haben. Unsere Initiative ist damals ohne jede inhaltliche Debatte abgelehnt worden. Insofern brauchen wir hier heute Abend auch nicht in Anlehnung an einen Schweizer Kräuterbonbon darüber zu diskutieren, wer das Thema erfunden hat, sondern wir sollten uns inhaltlich dazu verständigen, wie wir die Notwendigkeit einer Landesindustriestrategie bewerten, so, wie es der Kollege Schulte dankenswerterweise getan hat.

Und dass wir als LINKE nicht die Einzigen sind, die sich darüber Gedanken machen, das ist uns selbstverständlich bekannt, genauso übrigens wie die Tatsache, dass die VU ein Thesenpapier erarbeitet hat, welches im März im Zukunftsbündnis beraten wird. Das ist übrigens auch vollkommen in Ordnung. Und wenn man sich in den Ministerien bereits erste Gedanken gemacht hat, umso besser, dann gibt es ja bereits einen qualifizierten Input für den von uns angeregten Prozess.

Das sollte uns als Parlament aber doch nicht daran hindern, diese Fragen auch hier zu diskutieren, und der Kollege Schulte hat es korrekt gesagt, wir sind die gesetzgebende Gewalt und wir können selbstverständlich jederzeit auch einen konkreten Auftrag zur Erarbeitung einer Industriestrategie auslösen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und deshalb beantrage ich auch, unseren Antrag in den zuständigen Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Dort kann ja dann die Landesregierung zu den Ergebnissen der Befassungen im Zukunftsbündnis berichten und wir können anschließend vertiefend darüber sprechen, wie wir mit dem Gehörten weiter umgehen wollen. Und wenn Sie als Koalitionsfraktionen dann konstruktive Vorschläge zu unterbreiten haben, dann kann der Antrag gern auch qualifiziert werden und als gemeinsam getragene Initiative den Weg zurück ins Plenum finden.

Interessant wäre ja beispielsweise, wie das Wirtschaftsministerium zu einer Industriestrategie kommen möchte. Für meine Fraktion habe ich hoffentlich deutlich gemacht, dass wir einen Prozess bevorzugen würden, der die relevanten Institutionen und Verbände im Land weiter einbindet. Man kann alternativ natürlich auch externe Expertise einkaufen und sich ein für viel Geld erarbeitetes Konzept fertig auf den Tisch legen lassen.

Nicht noch mal im Detail aufmachen will ich heute die Diskussion aus der letzten Landtagssitzung. Mir ist bekannt, dass Herr Minister Glawe verlässlich wie eine Diesellok unterwegs ist,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Butzki, SPD: Elektrolok!)

durchaus leistungsstark, aber stets auf eingefahrenen Schienen. Und dass er bemüht ist, jede positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft seinem eige

nen Wirken zuzuschreiben, Entwicklungsfelder und Probleme dagegen anderen Einflüssen, ist für seine Regierung wohl auch ein Stück weit systemimmanent. Deswegen auch hier und heute noch mal zum Mitschreiben für Sie: Ja, in den letzten Jahren hat sich vieles im Land auch zum Positiven entwickelt,

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

und das hat auch DIE LINKE nie bestritten.

(Sebastian Ehlers, CDU: Sehr gut!)

Und dennoch liegt M-V zwar am Meer, ist aber keine Insel und schon gar keine der Glückseligkeit. Insofern sollte man die eigene Entwicklung stets auch in einen Gesamtkontext einbetten und sich vergleichen. Und wenn man das tut, dann stellt man fest, dass wir eben doch nicht so dicke dastehen wie oft behauptet. Wesentliche Kennzahlen, die das belegen, habe ich in der Einbringungsrede genannt, und deswegen müssen wir eben auch mal die eine oder andere Weiche neu stellen, damit die glawesche Diesellok den Zug künftig auch in die richtige Richtung zieht.

Eine Industriestrategie ist genau eine solche Weichenstellung, sie ist auch ein Puzzle aus vielen Teilen. Da geht es zum Beispiel um infrastrukturelle Fragen wie die Anbindung von Gewerbegebieten an eine hoch leistungsfähige Breitbandinfrastruktur. Die Landesregierung hat da momentan keinen Überblick über verfügbare Bandbreiten, das haben wir auch zuletzt bei der IHK noch mal aufs Brot geschmiert bekommen. Mit Blick auf eigenwirtschaftliche Aktivitäten der Unternehmen gibt es da natürlich Hürden bei der Förderung von Ausbaumaßnahmen, die auch bundespolitisch gelöst werden müssen. Das will ich an der Stelle nicht verschweigen.

Es geht auch darum, wie es gelingen kann, innovative Start-ups aus den Hochschulen an den Start zu bringen. Während man in Niedersachsen ziemlich genau weiß, welchen unternehmerischen Weg Absolventen einschlagen, fehlt es hierzulande schon an validen Daten. Nach unserer Kenntnis gab es in den letzten fünf Jahren nur eine einzige Ausgründung, die Universität Rostock Service GmbH. Und die einst von der CDU geforderte Taskforce – oder die Taskforces vielmehr –, ansässig in den Verwaltungen und eng an den Gründern dran, die gibt es bis zum heutigen Tag übrigens nicht und die Landesregierung sieht auch keine Notwendigkeit, sie einzuführen.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Weiterhin geht es auch um die Attraktivität der Arbeitsplätze, und da spielen nicht nur Entgeltaspekte eine Rolle, sondern zunehmend auch Fragen von Privat- und Erwerbsleben, neudeutsch Work-Life-Balance. Wir wissen, es gibt ein Landeszentrum für Vereinbarkeit als Projekt des Landesfrauenrates, welches mit ESF-Mitteln gefördert wird. Hier wäre mal zu prüfen, wie die Arbeit verstetigt und die Förderung jenseits europäischer Mittel gegebenenfalls institutionalisiert werden kann – wenn denn alle der Meinung sind, dass das ein wichtiges Thema ist.

Von zentraler Bedeutung ist und bleibt – und das klang in fast allen Reden an – das Thema Fachkräftesicherung. Erfolgreiche Ansiedlungen neuer Industrieunternehmen wird es nur geben können, wenn gut qualifizierte Be

schäftigte in ausreichender Zahl verfügbar sind. Dabei geht es zunächst darum, inländische Potenziale dadurch zu heben, dass gute Arbeits- und Entgeltbedingungen geboten werden. Die Unternehmen stehen zuvorderst in der Verantwortung, in die Ausbildung zu investieren und in Sachen Weiterbildung effektiver als bislang mit der Agentur für Arbeit zusammenzuarbeiten.

Vor allem die digitale Transformation wird dabei die Unternehmen und die Belegschaften in den kommenden Jahren vor enorme Herausforderungen stellen. Und wenn Sie immer sagen, das läuft alles und Sie sind da dran, dann empfehle ich Ihnen mal einen Blick in die aktuelle Betriebsräteumfrage der IG Metall.

(Minister Harry Glawe: Ooh!)

Da sagen nämlich die Betriebsräte, dass viele Unternehmen bislang nur unzureichend oder auch gar nicht auf das Thema „digitale Transformation“ vorbereitet sind.

Mit Blick auf die demografische Entwicklung und die schon heute sichtbaren Fachkräfteengpässe in bestimmten Branchen wird es natürlich zukünftig nicht ohne die Integration ausländischer Fachkräfte gehen. Diese muss dann aber auch vernünftig gestaltet werden. Da gibt es auch viele Stichworte, ich will nur drei nennen: Vereinfachung von Anerkennungsverfahren, Ermöglichung modularer berufsbegleitender Weiterbildung oder auch Entkopplung der Aufenthaltserlaubnis von einem bestimmten Arbeitsplatz bei Nicht-EU-Bürgern. Zudem darf eine erfolgreiche Integration die soziale Komponente nie aus den Augen verlieren, denn zu uns kommen ja Menschen und keine Maschinen.

Eine Industriestrategie muss darüber hinaus auch die Frage beantworten, was zu einem dünn besiedelten Flächenland, das bundesweit vordergründig als Tourismusregion mit intakter Natur wahrgenommen wird, am besten passt. Die Debatten – das klang hier auch verschiedentlich an – „Umweltschutz versus Arbeitsplätze“, die werden in den nächsten Jahren zunehmen, deswegen ist Nachhaltigkeit gefragt, denn die Reduzierung von CO2 spielt auch bei der EFRE-Förderung künftig eine größere Rolle.

(Minister Harry Glawe: Richtig!)

Förderkulissen gehören auch deshalb auf den Prüfstand und es gibt unterschiedliche Fördertöpfe – das wissen Sie, Herr Waldmüller, natürlich auch sehr genau –, auch, weil nach unserem Kenntnisstand bislang bekannte Instrumente wie die Förderung von Betriebsmitteln für kleine und mittelständische Unternehmen im EFRE wegfallen sollen. Förderfähig wird dagegen die schon mehrfach angesprochene digitale Transformation in den Unternehmen, und das dürfte dann wohl bedeuten, dass die digitalen Innovationszentren weiter gefördert werden und auch die Start-up-Beratungen, dass dafür weiterhin Mittel zur Verfügung stehen.

Ich habe im Januar schon angedeutet, und da haben Sie zumindest eines richtig gesagt, Herr Kollege Waldmüller, dass wir uns bei der GRW-Förderung durchaus vorstellen können, die stärker als bislang auch an die Existenz von Tarifverträgen zu binden. Ab welcher Betriebsgröße, das ist eine Diskussion, die haben wir hier noch gar nicht geführt, und insofern bitte ich Sie auch hier, keine Unterstellungen zu tätigen.

Zu guter Letzt gilt es, die neue Strategie dann auch öffentlichkeitswirksam zu begleiten, und ich habe bereits bei der Einbringung deutlich gemacht, wie wir uns das grundsätzlich vorstellen. Wir glauben, dass es auch stärkere Botschaften als das bekannte „M-V tut gut.“ braucht und die Betonung, dass unser schönes Bundesland mehr ausmacht als der Strandkorb, weil es nicht nur ein Land zum Urlaubmachen, sondern auch eines zum Leben und vor allem auch zum Arbeiten ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Minister Harry Glawe: Schade!)

Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4743 zur Beratung in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer für diesen Überweisungsvorschlag stimmt, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktion DIE LINKE und im Übrigen Ablehnung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4743. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4743 bei gleichem Stimmverhalten wie eben abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Donnerstag, den 12. März 2020, 9.00 Uhr ein und wünsche Ihnen allen eine geruhsame und friedvolle Nacht. Die Sitzung ist geschlossen.