Protocol of the Session on May 22, 2019

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste! Es ist natürlich eine etwas unerfreuliche Aufgabe, am ersten Amtstag gleich ein Gesetz präsentieren und verteidigen zu müssen, das man selbst gar nicht verschuldet hat. Insofern bitte ich persönlich um eine gewisse Nachsicht, wenn ich sagen muss, dieser Entwurf eines Landeshochschulgesetzes ist in wesentlichen Teilen verfehlt. Ihnen selbst kann ich nur sagen, es ist eine schwierige Aufgabe, ein Gesetz zu verteidigen, das man nicht selbst mit fabriziert hat. Anderseits haben Sie auch einen Startvorteil, denn viel schlechter als das, was das Bildungsministerium in den letzten zwei Legislaturperioden gemacht hat, kann man sich ja eigentlich nicht anstellen. Insofern haben Sie auch einen Startbonus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Einzelnen: Wir haben in diesem Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Landeshochschulgesetzes eine ganze Reihe von Einzelregelungen, die überwiegend kritikwürdig sind, was die Änderungen angeht. Deswegen freuen wir uns auf die Diskussion in den Ausschüssen zu diesem Gesetz. Ich möchte mal ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur ein paar Punkte anführen:

Sie benennen hier die gezielte Förderung von Frauen in der Wissenschaft als einen hochschulpolitischen Schwerpunkt. Sicher ist Frauenförderung in den Hochschulen und in der Wissenschaft wichtig, aber wichtiger ist erst mal, dass man die Wissenschaft als solche befördert und fördert. Die von Ihnen vorgesehene Quotenregelung, die Sie jetzt in das Gesetz aufnehmen wollen, ist das Gegenteil von Förderung der Wissenschaft. Quotenregelung und Leistung und Eignung schließen sich aus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Insofern muss ich sagen, Sie setzen auf das falsche Pferd, wenn Sie Frauenförderung mit einer Quotenregelung durchsetzen wollen. Wenn Sie mal die Berufungsverfahren hier in Mecklenburg-Vorpommern – jedenfalls an den Universitäten, nur da habe ich jetzt den internen Einblick – Revue passieren lassen, dann werden Sie feststellen, dass es überwiegend Frauen sind, die auf den Listenplätzen ganz vorne platziert waren – ohne Quotenregelung. Die Quotenregelung ist überflüssig und kontraproduktiv.

Punkt 2: Gleichstellungsbeauftragte. Sie wollen die Gleichstellungsbeauftragten vollständig von ihren

ursprünglichen dienstlichen Tätigkeiten entlasten. Das wollen aber viele Gleichstellungsbeauftragte gar nicht.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Die wollen nicht entlastet werden, also sollte man das denjenigen, die sich für dieses Amt bewerben, freistellen, was sie haben wollen.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Viele wollen gern weiter als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder als Hochschullehrer oder als Förderer anderer Bereiche der Hochschule tätig werden. Insofern ist das kontraproduktiv, was Sie da machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und was wieder fehlt, ist eine Änderung des Gesetzes in einem Punkt, den ich für verfassungswidrig halte, nämlich, dass Männer nicht Gleichstellungsbeauftragte werden können. Gleichstellungsbeauftragte ist nicht nur Frauenförderung. Das ist Inklusion, das sind ganz andere Bereiche, Migration und so weiter, und da sind Männer genauso betroffen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben Sie schon viel gelernt von mir, Herr Professor!)

Der Ausschluss generell von Männern aus diesem Amt ist total verfehlt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Das ist wieder ein Schritt in die falsche Richtung.

Dann wollen Sie die Hochschulen im Rahmen dieser kooperativen Promotionsverfahren mit den Fachhochschulen jetzt verpflichten, dass dort gemeinsam Professoren und Fachhochschulen als Betreuende, Prüfende und Begutachtende aufgenommen werden in die Kommission. Auch das ist erst mal verfehlt, denn es gibt gute Gründe, warum man sagt, in den Fachhochschulen wird praktisch gelehrt und gearbeitet und in den Universitäten wissenschaftlich. Das Promotionsverfahren für Fachhochschulen ist deswegen an sich schon umstritten. Wenn Sie jetzt aber noch die Promotionskommissionen in den Universitäten verpflichten wollen in der Weise, wie Sie es da festgeschrieben haben, dann sehe ich darin auch einen gravierenden Eingriff in die Hochschulautonomie, und auch das erregt erhebliche rechtliche Bedenken.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Dann haben Sie eben selbst gesagt, Sie wollen an dem Akkreditierungsstaatsvertrag festhalten und alle Bachelor- und Masterstudiengänge weiterhin pflichtig akkreditieren. „Sollen“ heißt „müssen“, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen. Damit lähmen Sie die Innovationskraft der Hochschulen. Es muss Studiengänge geben, vor allem solche mit nur wenigen Studierenden, die sich dafür interessieren, bei denen auch ohne Akkreditierung gewisse Studiengänge angeboten werden können. Das auszuschließen in der Form, wie Sie das hier vorsehen, ist ein Innovationshemmnis für die Kreativität einzelner Hochschullehrer. Ich würde beispielsweise eventuell gern einen integrierten Studiengang mit den medizinischen Fakultäten über Arzthaftung und so weiter machen. Das würde an einer Akkreditierung sofort scheitern, weil die Mediziner sich da nicht beteiligen dürfen, weil die mit ihrem Vergabeverfahren gar nicht in der Lage sind, die notwendigen Stunden noch in das Studium einzubringen. Also auch da müsste vieles noch besser durchdacht werden.

Nächster Punkt: wissenschaftliche Nachwuchskräfte. Da sagen Sie, dass diejenigen jedenfalls, die als Qualifikationsziel Promotion anstreben, regelmäßig mit einer Laufzeit von mindestens drei Jahren eingestellt werden müssen. Üblich war bisher, dass man die Leute erst mal für ein Jahr einstellt, um das gegenseitige Wohlbefinden zu testen, ob man miteinander arbeiten und so weiter kann. Das machen Sie mit diesen drei Jahren zunichte. Damit befördern Sie nicht die Einstellung von wissenschaftlichen Mitarbeitern auf Promotionsstellen, sondern Sie hemmen die. Wenn man sich nach einem Jahr gegebenenfalls wieder trennen kann, wenn man merkt, entweder der Fleiß stimmt nicht oder das Können stimmt nicht oder auch das menschliche Miteinander, dann hatte man ein Jahr Zeit, das zu testen. Das machen Sie jetzt zunichte, wenn Sie sagen, regelmäßig drei Jahre. Außerdem sind die drei Jahre ohnehin nur ein verfehlter Zeitpunkt. Wenn, dann hätte man über zwei Jahre nachdenken können. Die bisherige Regelung war vorzugswürdig.

Weiter sagen Sie, Teilzeitbeschäftigte sollen mindestens mit einer halben Stelle ausgestattet werden. Das entspricht auch nicht dem Wunsch vieler Teilzeitbeschäftigter. Die, die promovieren, wollen eine Absicherung an der

Uni. Die wollen eventuell einen AK oder eine studentische Lehreinheit absolvieren, aber den Rest für ihre Promotion verwenden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Viele meiner Mitarbeiter hatten selbst den Wunsch,

(Minister Dr. Till Backhaus: „Unsere“! Die Leibeigenschaft ist abgeschafft.)

nur mit einer Drittelstelle oder mit einer Viertelstelle bedacht zu werden. Insofern muss man …

Das hat mit Leibeigenschaft überhaupt nichts zu tun.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das sind nicht meine, das sind nicht Ihre, das sind unsere.)

Es hat etwas damit zu tun, dass die Promotion auch fertig werden muss. Insofern ist das Festschreiben von mindestens einer halben Stelle auch nicht richtig. Es ist ein Schritt in die falsche Richtung und auch wieder ein Eingriff in die Hochschulautonomie, den Sie da vornehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann sehen Sie die Möglichkeit der Verbeamtung bei den unbefristeten Mitarbeitern vor. An meiner Fakultät gibt es so was so gut wie gar nicht. Aber gerade bei den technischen und medizinischen Fakultäten gibt es sehr viele unbefristete Mitarbeiter. Wir haben schon riesige Pensionslasten und es ist kein Grund ersichtlich, warum jetzt an den Hochschulen die unbefristet Beschäftigten verbeamtet werden sollten. Wenn sie aber schon verbeamtet werden sollen, dann sehen Sie da vor, dass diese Zeiträume des Beamtenverhältnisses auf Zeit verlängert werden können bei der Betreuung von Kindern unter 18 Jahren. Das ist dann sehr lobenswert.

Aber warum nur die Verbeamtung? Warum können nicht für die Betreuungszeit generell die Beschäftigungszeiten verlängert werden und warum fehlt die Pflege vollständig? Das ist ein Punkt, der in unserem Land immer wichtiger wird. Warum kann man das Gleiche nicht auch bei denjenigen erreichen, die für die Pflege von nahen Angehörigen ein oder zwei Jahre nur halb oder weniger arbeiten? Auch wieder so ein Punkt mit der halben Stelle und die dann entsprechend eine Verlängerungsoption meines Erachtens verdient hätte. Also auch das ist relativ einseitig.

Dann haben Sie die Einführung einer Seniorprofessur vorgesehen, die es bisher schon potenziell gab, die man aber nicht verpflichtend einführen sollte, denn Hochschule und Wissenschaft leben auch von personellem Wandel. Deswegen sind ja auch die Mitarbeiterstellen bei den meisten Fakultäten auf sechs Jahre maximal begrenzt, bei den Medizinern und ein paar anderen Fakultäten auf zwölf Jahre. Aber personeller Wechsel garantiert wissenschaftlichen Fortschritt. In dem Moment, wo Sie eine Seniorprofessur einführen, das heißt also, das Beharren der Altgewordenen – früher hat man gesagt, Ordinarien, heute dann C4- und jetzt W3-Professuren – auf eine Seniorprofessur ist kontraproduktiv, jedenfalls so, wie Sie es vorgesehen haben. Auch das sollte man den einzelnen Hochschulen überlassen, ob sie überhaupt Seniorprofessuren einführen wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Minister Dr. Till Backhaus: Es kommt immer darauf an, wer das will.)

Ich sage Ihnen mal, was das praktisch bedeutet am Beispiel von der aufgelösten Juristischen Fakultät in Rostock, auch so ein Fehlschritt der früheren Bildungspolitik. Wenn Sie das nämlich einführen – in Rostock hat ein Kollege das beantragt –, dann muss die Fakultät dazu Stellung nehmen. Will man einen altverdienten Professor quasi vor das Schienbein treten und sagen, eigentlich wollen wir das nicht? Das wird kaum eine Fakultät tun. In dem Moment, wo Sie diese Möglichkeiten eröffnen, schaffen Sie Zwangslagen. Sie sollten so was den Fakultäten in Eigenregie überlassen und nicht im Hochschulgesetz reglementierend regeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann wollen Sie ohne Bachelorabschluss die Möglichkeit zum weiterführenden Masterstudium einführen. Was soll das? Das Masterstudium ist eine Qualifikationsstufe, die den Bachelor voraussetzt. Damit konterkarieren Sie diese klassische Struktur von Bachelor- und Masterstudium. Ich wäre ja nicht böse drum, ich hielt die Einführung der Bachelor-Master-Systematik ohnehin für verfehlt. An der Juristerei, meinem Metier, ist es ja Gott sei Dank vorübergegangen. Aber jetzt auf das Bachelorstudium zu verzichten und zu sagen, wir können gleich mit dem Masterstudium beginnen, macht überhaupt keinen Sinn. Und in Ihrem Entwurf fehlt völlig das Diplom, das klassische, althergebrachte. Das beispielsweise bei uns in Greifswald an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät von den Betriebswirten weiterbetriebene Diplom sollten Sie schützen. Das sind besitzstandswahrende Notwendigkeiten,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

anstatt hier gleich in den Master zu springen und den Bachelor aufzugeben. Das Diplom haben Sie wohl übersehen.

Dann kommen wir zu den Bleibeverhandlungen. Da sagen Sie, Sie wollen jetzt im Rahmen von Bleibeverhandlungen eine Ausnahme vom Gebot öffentlicher Ausschreibungen praktizieren und auch auf die zukünftige mehrjährige Tätigkeit außerhalb der eigenen Hochschule als Berufungsvoraussetzung notwendige Phase verzichten. Das ist dann wieder erst mal wissenschaftliche Inzucht, denn damit wird jede Hochschule eingeladen und aufgefordert, die eigenen Habilitanden gleich in Professorenämter zu übernehmen, was sicher nicht sinnvoll ist, und den inneren Mut aufzubringen, jemandem, der drei oder sechs Jahre an der Fakultät gearbeitet hat, dann zu sagen, na ja, es ist ja schön, du hast die Habilitation vielleicht mit Ach und Krach geschafft, aber jetzt zeig mal an einer anderen Hochschule, dass du auch berufungsfähig außerhalb des Hauses bist, das wollen Sie abschaffen. Auch das ist völlig verfehlt und wiederum eine Fehlentwicklung, die die Fragen der Hochschulautonomie tangiert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich könnte so noch eine halbe Stunde weitermachen,

(Torsten Renz, CDU: Wir sind bereit zum Zuhören!)

aber wir werden das ja in den Ausschüssen beantragen.

Ich kann also nur als Zwischenfazit sagen: Weichenstellungen in die falsche Richtung, nicht zukunftsfördernd, sondern Hochschulautonomie und damit verfassungsrechtlich bedenkliche Teile und ein Schritt in die falsche Richtung, was in vielen Einzelpunkten die Regelungen angeht. Es fehlen gewisse Rahmenregelungen. Beispielsweise sollten Sie mal der Empfehlung des Wissenschaftsrats folgen und Mindestgrößen für Fakultäten festschreiben. Gerade die kleineren Unis unseres Landes haben damit sehr zu kämpfen. Und wenn man dann Mindestgrößen festschreibt, könnte man auch innerhalb der Hochschule mit anderen Ausstattungsrahmen arbeiten. Der Schutz der Buchwissenschaften, also Festschreibungen gewisser Bibliotheksmittel, wäre notwendig. Auch das fehlt völlig. Gerade die Geisteswissenschaften haben im uniinternen Machtkampf immer schlechte Karten, wenn sie sagen, wir brauchen Geld für unsere Bibliothek. Dann heißt es, das könnt ihr doch alles digitalisiert haben, warum braucht ihr Zeitschriften und so weiter. Da wäre mal eine schützende Hand im Hochschulrecht des Landes notwendig gewesen.

Weitere Kritikpunkte, denke ich, werden wir dann im Ausschuss, in den Ausschüssen beraten. Ich weiß nicht, was genau gewollt ist, aber ich bitte um Überweisung nicht nur in den federführenden Bildungsausschuss, sondern ebenso in den Rechtsausschuss, weil hier auch erhebliche Rechtsfragen angesprochen sind. Ich freue mich darauf, im Rahmen der Ausschussarbeit diesen Gesetzentwurf deutlich verbessern zu können. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Faktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Minister Dr. Till Backhaus: Na, da bin ich ja mal gespannt.)