Protocol of the Session on January 23, 2019

Wenn man jetzt zurückgeht zur IHK, was wir da herausgearbeitet haben, da hat auch die IHK selbst gesagt, Fachkräftezuwanderung kann sinnvoll sein. Die IHK hat ja damals im Oktober schon mal ein Schreiben an uns als ganze Fraktion geschickt, hat also zu dem Entwurf die Mängel aufgezeigt und so weiter, und sie klagten eben auch, dass es ein moderneres Gesetz sein soll, mit einem strafferen Zeitplan und, und, und. Eins ist aber klargeworden bei der IHK, selbstverständlich, die Wirtschaft, die Industrie- und Handelskammer, die wollen ein Fachkräftezuwanderungsgesetz.

Was mich aber auch bei der IHK gefreut hat, ist, ich will das mal sagen, und das haben ein paar Redner hier auch schon gesagt, dass das Fachkräftezuwanderungs

gesetz allein nicht die Lösung ist, sondern es kann ein Teil davon sein. Ich würde mal die Gespräche so zusammenfassen: Was wir selbst tun können, das dürfen wir keinem anderen anvertrauen, und deswegen, solange es eigene Potenziale für Fachkräfte gibt, müssen wir diese auch nutzen. Da gebe ich auch Herrn Foerster recht. Wenn es also Arbeitslose gibt, die befähigt werden können, im Fachkräftebereich zu arbeiten, dann gehört das natürlich selbstverständlich mit dazu.

Aber von Ihnen, Herr Kramer, habe ich, wenn Sie sagen, wir müssen eigene Potenziale heben, keinen Ton dazu bislang. Keinen Ton, welche Potenziale wir denn heben können!

Ich denke mal, wir hier im Landtag, wir alle zusammen, haben viele, viele Beschlüsse gemeinsam, also fraktionsübergreifend gefasst, was genau das Thema betrifft, oder haben zumindest darüber gesprochen und haben gesagt, das sind die Potenziale und die müssen wir angehen. Denken Sie nur an die Gleichwertigkeit von akademischer und dualer Ausbildung. Natürlich haben wir einen polemischen Begriff verwendet mit dem „Akademisierungswahn“, aber wenn 50 Prozent der Schulabgänger zum Abitur, zum Studium gehen – Entschuldigung, zum Studium gehen –, 30 Prozent davon aber abbrechen, dann müssen wir uns fragen, was machen wir denn mit diesen Leuten. Deswegen werde ich auch nicht müde zu sagen, eine Ausbildung eröffnet nach wie vor hervorragende Karrierechancen und deswegen ist die Berücksichtigung bei der Berufsorientierung, bei der Gleichwertigkeit von dualer Ausbildung und akademischer Ausbildung ganz, ganz wichtig. Das ist ein Potenzial, was wir selbst noch mit nutzen können.

Bei der Gleichwertigkeit von akademischer Ausbildung und dualer Ausbildung müssen wir natürlich auch noch nachfeilen, weil die akademische Ausbildung, die ist kostenfrei, wenn ich heute Meister werden will, muss trotz der Zuschüsse, die wir im Land leisten, eben immer noch bezahlt werden. Da gibt es auch noch Ansätze. Oder die Berufsfrühorientierung. Wir müssen mehr werben, in der Berufsfrühorientierung mehr werben für die duale Ausbildung. Wir haben hier – und werden uns morgen auch damit befassen –, wir haben uns da, ich weiß nicht, wie oft, x-mal befasst mit der Novellierung, mit der europarechtskonformen Novellierung der Handwerksreform. Wir wollen also zulassungsfreie Gewerke in die Anlage A der Handwerksordnung zurückführen. Auch das ist eine Sache, die wir hier dazu beitragen können.

Außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern haben wir uns natürlich auch gekümmert in diesem Haus. Erinnern Sie sich an die Drucksache 7/2258, da haben wir verbindliche Regularien für eine Art europäischen Meisterbrief eingefordert. Warum haben wir das damals getan? Weil wir gesagt haben, ja, gerade die Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern, die ist extrem hoch. Und warum soll ein duales System, wie es in Deutschland ist, nicht auch dort helfen?

In der IHK kam dann ein Gespräch, das wurde auch angesprochen gerade eben, da ging es natürlich um europäische Auszubildende und die Förderung beruflicher Mobilität ausbildungsinteressierter Jugendlicher und Europäer. Sie kennen alle dieses Programm „MobiPro-EU“, so wird es genannt, und da gab es Schwierigkeiten. Das Programm wurde ohne Vorwarnung abgesetzt und das betraf nicht nur die Fördergrundsätze. Da würde ich mal

von weggehen, was Förderung angeht, sondern es ging eigentlich um die zwischenmenschlichen Dinge, wenn ich das mal so sagen darf, um die emotionalen Dinge, weil es beispielsweise für einen spanischen Jugendlichen im verschneiten, winterlichen Mecklenburg-Vorpommern vielleicht gewöhnungsbedürftig ist. Deswegen hat auch der IHK-Präsident selbst da einige Beispiele gebracht: Einbindung in Familien, in Freundeskreise, Verbundausbildung mit unterschiedlichen Unternehmen. All diese Dinge könnte man wieder angehen, die könnte man ändern und dadurch südeuropäische Auszubildende auch zu uns ins Land holen.

Aber, meine sehr verehrten Herren und Damen, machen wir uns nichts vor, die Demografie wirkt. Die wirtschaftliche Entwicklung im Land ist hervorragend und die nationalen und europäischen Maßnahmen werden definitiv nicht ausreichen. Deswegen, Herr Schulte hat es schon gerade gesagt, er hat gesagt, ich glaube – was haben Sie gesagt? –, 40 Prozent, die nicht besetzt waren. Ich will das mal in Zahlen sagen, zu Beginn vom Ausbildungsjahr 2018 waren 3.800 Lehrstellen nicht besetzt. Da kann man sich ja vorstellen, was das für die Zukunft der Fachkräfteentwicklung im Land Mecklenburg-Vorpommern eben bedeutet.

Ich habe jetzt immer nur von Berufsausbildung, vom Meister gesprochen. Natürlich brauchen wir auch Akademiker, überhaupt keine Frage. Deswegen sind wir hier, die CDU, auch der Auffassung, dass wir durchaus ein modernes Zuwanderungsgesetz benötigen, mit dem gezielt Fachkräfte angeworben werden, die wir wirklich auch benötigen. Ein Gesetzentwurf für Fachkräfteeinwanderung auch aus Drittstaaten ist sinnvoll, wenn der Missbrauch ausgeschlossen ist. Da ist jetzt auch der Bundestag gefragt. Wir werden die Diskussion natürlich weiter mit beobachten, überhaupt keine Frage. Die Dinge, die wir dazu tun können im Land, die sind, glaube ich, auf dem Weg und die betreiben wir, die befolgen wir.

Das heißt, abschließend noch einmal, was ich eingangs gesagt habe, das Fachkräftezuwanderungsgesetz ist nicht die Lösung der Probleme, sondern ist ein Teil der Lösung der Probleme. Insofern ist es zu befürworten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Jess.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Ich habe den Eindruck, das war dringend notwendig, dass wir über dieses Thema mal gesprochen haben, und ich habe auch den Eindruck, dass manches Differenzierte hier gesagt wurde.

Manches, muss ich allerdings sagen, erschien mir äußerst naiv, zum Beispiel das, was Herr Wildt hier geäußert hatte. Herr Wildt, ich sage mal, sicher, das Fachkräftekonzept, was Sie da zitiert haben, von der Bundesregierung, das mag ja schön und gut sein, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich höre es gern, allein, mir fehlt der Glaube, dass die entsprechende Umsetzung passiert.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Und genauso muss ich es auch dem Innenminister sagen, was er hier geäußert hat bezüglich des Missbrauchs. Dieses Gesetz in dieser Form, wie es jetzt vorliegt, lädt geradezu zum Missbrauch ein, zusammen mit dem Anhängsel, das da noch hinten dranhängt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Deshalb muss ich sagen, ja, ich höre Ihre Bemerkungen, aber welche Situation in der Vergangenheit gibt Ihnen Mut und Ihren Optimismus, dass Sie glauben, dass die Regierung in der Zukunft es besser handhaben wird als in der Vergangenheit? In der Vergangenheit hat sie nämlich komplett versagt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Deshalb fehlt mir, ehrlich gesagt, da wirklich der Optimismus.

(Dietmar Eifler, CDU: Das ist aber nur Ihre Einschätzung.)

Herr Foerster, Sie sagen, die AfD hätte etwas gegen Zuwanderung.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Sie sagen, die AfD hätte etwas gegen Zuwanderung. Wie kommen Sie darauf? Wir wollen eine Zuwanderung nach kanadischem oder australischem Vorbild. Da kann man das vernünftig steuern und dann kann man auch vernünftige soziale Situationen erzeugen.

(Marc Reinhardt, CDU: Ich bin mehr für Wegwanderung von Leuten wie Ihnen.)

Was wir jetzt erreichen werden, das ist nichts anderes als Probleme.

Herr Schulte, Sie sagen, der Fachkräftebedarf ist gegeben und wir müssen ihn lösen. Das mag sein, wir müssen ihn lösen, aber Sie wählen den einfachsten Weg. Hier sind über Jahrzehnte massive Fehler gemacht worden, in der Bildungspolitik, in der Familienpolitik und in anderen Bereichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Endlich sagt es mal einer! – Holger Arppe, fraktionslos: Jawoll.)

Und Sie sagen jetzt, okay, die Fehler, die wir gemacht haben, können wir jetzt nicht mehr so schnell beseitigen, also lösen wir das Problem, indem wir uns Leute von außen holen, damit sie unser Fachkräfteproblem lösen können.

(Dietmar Eifler, CDU: Das wollen Sie doch auch.)

Das ist nicht die Lösung, sondern Sie schieben die Probleme im Grunde ins Ausland, was wir vorhin auch schon gehört haben. Die Fachkräfte, die Sie jetzt hierherholen, die werden unter Umständen in Polen und in anderen Bereichen genauso gebraucht.

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Ich möchte aber noch mal auf die konkrete Situation in Mecklenburg-Vorpommern eingehen. Wenn ich im Folgenden von „Fachkräften“ spreche, dann im Sinne der Definition des Bundesministeriums, also von jemandem mit abgeschlossener Berufsausbildung. Das ergibt sich schon allein daraus, dass die uns zur Verfügung stehenden statistischen Daten so verstanden werden müssen. Ich habe heute hier schon die verschiedensten Zahlen gehört und ich muss sagen, offensichtlich gibt es da unterschiedliche Quellen. Die Quellen, die Herr Kramer vorhin genannt hat, Herr Wildt, die sind eindeutig belegt vom Bundesministerium oder von der Bertelsmann Stiftung.

(Marc Reinhardt, CDU: Das glaube ich nicht.)

Wollen wir mal...

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Vom Bundesministerium nicht.)

Fragen Sie Herrn Kramer direkt, der sitzt ja neben Ihnen.

Ich will mal zur Situation bei den akademischen Berufen kommen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die Antwort auf meine Kleine Anfrage 7/1721 bezüglich der Situation auf dem akademischen Arbeitsmarkt lässt leider keine hinreichenden Schlüsse zu. Die Landesregierung hat keine Erkenntnisse, ob Hochschulabsolventen der Einstieg in das Berufsleben gelang und ob dies fachspezifisch gelang. Ich weiß von Hochschulabsolventen, die aus verschiedenen Gründen Stellen im Facharbeiterbereich annehmen mussten oder die lange Zeit der Generation Praktikum angehörten.

(Marc Reinhardt, CDU: Sie können all ihre Bewerbungen zu uns schicken, wir besorgen ihnen Jobs.)

Leider wurden auf die Kleine Anfrage auch keine Auskünfte über die Studienabbrecherquote in den einzelnen Studienbereichen der Hochschulen in MecklenburgVorpommern gegeben. Wir wissen, dass die Quote bei circa 30 Prozent liegt, es wurde bereits darauf eingegangen. Circa 30 Prozent der Studienanfänger brechen das Erststudium ab. Es ist nicht bekannt, ob dies gegebenenfalls einen Studienwechsel oder einen kompletten Abbruch zur Folge hatte.

Auch die kürzlich im Bildungsausschuss diskutierte Radisch-Studie zu Studienabbrüchen an den Unis in M-V blieb in wesentlichen Fragen oberflächlich und konnte die Ursachen für die Abbrüche nicht aufzeigen, da die vorliegenden Daten nicht ausreichten und datenschutztechnische Gründe gegen die generelle Erhebung sprechen.

Eine andere Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums gab als Abbruchgründe an: die Nichtbewältigung der Leistungsanforderungen (zu etwa 30 Pro- zent), mangelnde Motivation der Studenten (zu etwa 17 Prozent) und der Wunsch nach mehr Praxis (zu etwa 15 Prozent). Damit muss man festhalten, dass die Ausbildungswege für 30 Prozent unserer Abiturienten nicht gerade besonders effizient sind. Da hilft auch kein Bagatellisieren, indem man den Kompetenzgewinn durch die

Erfahrung des Scheiterns hervorhebt. Ja, es gibt das Phänomen des Kompetenzgewinns durch Scheitern, aber es gibt auch die nachhaltige Demotivation und neurotische Verwahrlosung von gescheiterten Jugendlichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Unsere Kleine Anfrage ergab auch, dass die Landesregierung eine Zuordnung der Studienbereiche zu Stellenangeboten des Arbeitsmarktes in Mecklenburg-Vorpommern nicht vornehmen kann. Dies wird als unmöglich angesehen. Damit ist eine Analyse, ob an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern eine halbwegs bedarfsgerechte Ausbildung der Absolventen erfolgt, nicht möglich. Ich darf versichern, dass wir dieser Frage weiter nachgehen werden. Es ist nämlich unübersehbar, dass die derzeitige Entwicklungstendenz, die Anzahl der Abiturabschlüsse zu erhöhen und Berufe zu akademisieren, auch Negativeffekte zeitigt.

Da wäre zum Beispiel zu nennen: Der Anteil der Schulabgänger, die in handwerkliche, praktische Berufe gehen, hat sich verringert. Dagegen wird der Andrang an die Hochschulen größer. Gleichzeitig gerät die Studienqualität unter Druck, und 30 Prozent der Studierenden brechen das Erststudium ab, wie wir hörten. Zudem führt das Studium in vielen Fällen nicht in einen adäquaten Beruf des studierten Faches. Der Anteil der arbeitslosen Akademiker an der Arbeitslosenzahl stieg in Mecklenburg-Vorpommern von 2009 bis 2017 von 3,8 Prozent auf 5,3 Prozent.

(Torsten Renz, CDU: Wollen Sie den Rest Ihres Lebens mit Meckern verbringen?)