Protocol of the Session on March 15, 2018

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es auch einen Rahmenplan. In dem Rahmenplan ist das als freiwilliges Angebot durchaus vorgesehen, aber freiwillig ist eben nicht verpflichtend. Dieses Argument, was mir auch im Vorfeld schon zugetragen wurde, wir möchten das gern, dass das im Rahmen der gebundenen Ganztagsschule als freiwilliges Angebot weiter mit aufgehoben wird, ist ja nicht zielführend. Dann ist es eben nur freiwillig und das hat einmal den Vorteil, der schon im Wort liegt. Der große Nachteil ist aber der, dass es dem Schulträger obliegt, diese Kurse durchzuführen, zu organisieren und vor allen Dingen auch zu finanzieren, denn ganz ohne Geld kann man das natürlich nicht machen.

Die Schulträger sind die Kommunen und die Landkreise, und einige davon können sich das leisten, andere können sich das nicht leisten. Ich glaube, keiner von uns möchte in eine Notlage kommen, wo der vorbeikommende Passant, der eventuell ein Helfer sein könnte, dann leider sagen muss, ich komme aus einer armen Kommune, ich habe es leider nicht gelernt, wie es geht, ich kann Ihnen nicht helfen. Das möchte keiner von uns, glaube ich, hören. Deswegen bitte ich noch mal ganz dringend, in sich zu gehen und zu überlegen, ob wir da nicht doch zueinander finden können, diesen Antrag in den Ausschuss zu verweisen und dort eine gute Lösung zu finden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Danke, Herr Abgeordneter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, wie leer der Saal ist, aber es ist nicht nur der Saal, sondern auch die Regierungsbank ist nahezu leer. Zwei Minister sind anwesend. Ich unterbreche die Sitzung solange, bis mindestens noch ein weiterer Minister auf der Regierungsbank Platz genommen hat.

Unterbrechung: 12.49 Uhr

__________

Wiederbeginn: 12.54 Uhr

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung. Ein weiterer Minister ist im Saal, also können wir fortfahren.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

In Vertretung der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur erteile ich das Wort der Justizministerin. Frau Hoffmeister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt für die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, für meine Kollegin Birgit Hesse sprechen.

Sehr geehrter Herr Wildt, Sie haben da ein wichtiges Thema aufgegriffen, ein lebenswichtiges Thema, denn ob medizinische Notfälle glimpflich ausgehen, hängt oft daran, ob jemand in der Nähe ist, der weiß, was zu tun ist, und – wichtig! – es dann auch tut. Die Minuten, bis der Rettungswagen eintrifft, können entscheidend sein. Je mehr Menschen sich also mit Erster Hilfe und den entsprechenden Handgriffen auskennen, desto besser. Und schaut man sich um, dann sieht man, dass die meisten Deutschen hier große Unsicherheiten aufweisen. Es ist auch klar, dass wir nicht gerade ein Land der Ersthelfer sind. Das zu ändern und in den Schulen ansetzen zu wollen, ist logisch und nachvollziehbar. Schließlich erwischt man da gleich eine ganze Generation potenzieller Ersthelferinnen und Ersthelfer.

Diesen Gedankengang, sehr geehrter Herr Wildt und Kollegen, muss meine Kollegin Hesse mit einem gepflegten „Ja, aber“ etwas ausbremsen. Lassen Sie mich mit dem „Aber“ anfangen. Mit Blick auf das, was in Schulen in Sachen Erste Hilfe bereits passiert, läuft Ihr Antrag hinaus auf verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse, wie wir sie alle für unsere Führerscheine absolviert haben, die für Schülerinnen und Schüler schlichtweg nicht geeignet sind. Solche Kurse, die nach den Standards der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung konzipiert sind, sprengen das, was Schule leisten kann und darf, und aus Sicht von Bildungsministerin Hesse auch das, was wir unseren Schülerinnen und Schülern zumuten dürfen.

(Bernhard Wildt, BMV: Das ist aber nicht ganz richtig. Altersgerecht!)

Zur Erinnerung für alle nicht mehr so ganz versierten Ersthelfer: Das Auffinden und Ansprechen hilfebedürftiger Personen, die Absicherung der Unfallstelle, die Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen, sachgemäßes Lagern und Schmerzlinderung durch Hilfsmittel, Zuspruch leisten und natürlich den Notarzt rufen, all das gehört zur Erste-Hilfe-Ausbildung dazu.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

Damit ist verbunden, dass riesige Verantwortung zu übernehmen ist und auch entsprechend zu agieren. Die

sen Druck als, sagen wir, 13-jähriger Ersthelfer helfen zu müssen, möchte Kollegin Hesse unseren Schülerinnen und Schülern ersparen.

(Bernhard Wildt, BMV: Davon war auch nicht die Rede. Altersgerecht, immer altersgerecht!)

Hinzu kommt, dass eine solche Aufgabe, die zu den anderen Bildungs- und Erziehungsschwerpunkten hinzukäme, mit der zur Verfügung stehenden Zahl an Unterrichtsstunden nicht zu machen ist.

Meine Damen und Herren, kommen wir aber zum „Ja“. Kollegin Hesse ist völlig einig mit Ihnen, wenn Sie sagen, dass Kenntnisse in Erster Hilfe ihren Platz in der Schule haben müssen. Kinder und Jugendliche gehen ungehemmter an das Thema heran als viele Erwachsene und sie sind natürlich in der Lage,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

einzelne einfache Maßnahmen und Handgriffe zu lernen, mit denen sie im Fall der Fälle retten können.

(Bernhard Wildt, BMV: Sehr richtig!)

Das ist auch ein Schritt hin zu mehr Zivilcourage.

(Bernhard Wildt, BMV: Sehr richtig!)

Es geht also darum, Erste Hilfe angemessen und altersgerecht in Schule und Unterricht zu implementieren. So sind etwa Erste-Hilfe-Komponenten, die sich auf das Herz-Kreislauf-System beziehen, Bestandteil des Rahmenplans für Biologie in der Klasse 7.

(Bernhard Wildt, BMV: Ab Klasse 7, richtig, das habe ich auch gesagt.)

Darüber hinaus lief in den Jahren 2000 bis 2016 das Projekt „Retten macht Schule“, eine Initiative der Björn Steiger Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Rostock und dem Bildungsministerium. Die teilnehmenden Schulen bekamen alle Materialien, wie Übungspuppen, Lehrhandbücher, Hygienemittel, um in Modulen einfache rettende Maßnahmen, vor allem HerzLungen-Wiederbelebung, zu trainieren. Dieses Projekt lief landesweit an knapp 280 Schulen in der Jahrgangsstufe 7. Die Universitätsmedizin Rostock hat dafür 285 Lehrkräfte fortgebildet und im Ergebnis wissen jetzt 54.000 Schülerinnen und Schüler, was im Einzelfall zu tun ist. Zudem haben sie das Vertrauen und die Sicherheit gewonnen, dass sie in der Lage sind, zu handeln.

Das Projekt hier in Mecklenburg-Vorpommern hatte Pioniercharakter, die anderen Bundesländer haben nachgezogen. Unsere Schulen können die Projektmodule eigenverantwortlich einmal pro Jahr wiederholen. Die Materialien und Übungspuppen konnten sie nach Projektende behalten. Weil es gewollt ist, dass Erste Hilfe stattfindet in den Schulen und in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler, hat der Schulausschuss der KMK 2014 empfohlen, Module zur Wiederbelebung mit zwei Stunden pro Jahr für die Jahrgangsstufe 7 einzubauen. Das ist, wohlgemerkt, keine Verpflichtung, passt aber zu dem, was wir mit dem beschriebenen Projekt erreichen wollten. So manche Schule hat inzwischen eine Arbeitsgruppe „Schulsanitätsdienst“, in der sich Schülerinnen und Schü

ler sehr intensiv mit dem Thema Erstversorgung befassen, so zum Beispiel hier in Schwerin das Fridericianum.

Junge Menschen für das Handeln in Notsituationen zu sensibilisieren und zu befähigen, ist eine Aufgabe, die nicht bei einem einzelnen Akteur oder einer einzelnen Institution abgeladen werden sollte. Deshalb greifen hier die Angebote ineinander. Neben dem, was Schule leistet, tragen beispielsweise Freiwillige Feuerwehr, THW und die Paritätischen Verbände Erste-Hilfe-Kenntnisse in ihre Kinder- und Jugendgruppen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der BMV, auch die Lehrerinnen und Lehrer wollen Sie in Erste-HilfeKurse-Pflicht nehmen

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, vollkommen richtig.)

und das haben Sie falsch verortet. Solche Festlegungen gehören nicht in die rechtlichen Regelungen zum Schuldienst, gehören nicht in das Schulgesetz, sondern in die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen, und die sind bei uns in M-V vorbildlich.

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Hier greift Paragraf 10 des Arbeitsschutzgesetzes in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift „Unfallverhütung und Sicherheit in Schulen“ und dem Erlass des Bildungsministeriums zur Aus- und Fortbildung in der „Ersten Hilfe“ für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Danach hat der Arbeitgeber, hier vertreten durch die Schulleiterin und den Schulleiter, entsprechend der Art der Arbeitsstätte und der Tätigkeiten sowie der Anzahl der Beschäftigten alle Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe erforderlich sind.

In Abstimmung mit der Unfallkasse M-V werden alle Beschäftigten an öffentlichen Grund- und Förderschulen regelmäßig aus- und fortgebildet. Gleiches gilt an den weiterbildenden Schulen für diejenigen Lehrkräfte, die Sport, Chemie, Biologie, Physik, Arbeit, Wirtschaft, Technik oder Hauswirtschaft unterrichten, sowie für solche Lehrkräfte, die praktische Unterrichtsfächer an beruflichen Schulen unterrichten.

Wer einmal zum Ersthelfer ausgebildet wurde, absolviert zur Auffrischung spätestens vor Ablauf von drei Jahren eine Ersthelferfortbildung. Damit erreichen wir einen wesentlich höheren Versorgungsgrad mit Ersthelferinnen und Ersthelfern, als ihnen das Gesetz vorschreibt. Das nämlich sieht bei 2 bis 20 anwesenden Beschäftigten einen Ersthelfer vor. Bei mehr als 20 Beschäftigten erfordert die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“, fünf Prozent der Beschäftigten als Ersthelferinnen und Ersthelfer auszubilden. Bei dieser Berechnung werden die Schülerinnen und Schüler übrigens nicht als anwesende Versicherte gezählt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist doch fatal. Ganz schlimm ist das.)

Meine Damen und Herren, Frau Bildungsministerin Hesse geht davon aus, dass zumindest dieser Punkt des Antrages damit erledigt ist. Das Ansinnen eines ErsteHilfe-Pflichtunterrichts ist es aus ihrer Sicht ebenso. Statt ein Muss einzuführen, sollten Sie sich mit ihr um ein attraktives Kann bemühen.

Ein guter Ansatzpunkt ist da die Kooperationsvereinbarung zum ganztägigen Lernen, die das Bildungsministerium im Januar mit vielen außerschulischen Partnern geschlossen hat. Die nämlich kann dafür sorgen, dass solche Projekte, wie „DRK und Schule“, in denen es unter anderem um Erste-Hilfe-Maßnahmen geht, sich weiter ausdehnen. Kurzum, Erste Hilfe fördern – Ja, mit Erster Hilfe überfordern – Nein. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Frau Ministerin.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schneider.

Wertes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Gäste und liebe Landsleute! Der Antrag der Fraktion der BMV fordert obligatorische Erste-Hilfe-Kurse für alle Schüler und Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern und deren Aufnahme in die Lehrpläne der weiterführenden Schulen. Die schriftliche Begründung des Antrages bezieht sich primär auf Kurse zur Reanimation bei Herzstillstand, doch umfasst der Antragstext allgemeine Erste-HilfeKurse. Plötzlicher Herzstillstand ist eine der häufigsten Todesursachen. Rechtzeitige Reanimation, das haben wir gehört, kann Überlebenschancen erheblich erhöhen.

Die Frau Justizministerin hat in Vertretung für Frau Hesse schon die wesentlichen Zahlen gesagt. Deswegen erspare ich mir die Wiederholung, obwohl es natürlich interessant ist, dass zwischen 2010 und 2016 schon etwa 54.000 Schüler an dem Projekt „Retten macht Schule“ teilgenommen haben.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Der Antrag der BMV geht nun in drei Punkten über das Projekt „Retten macht Schule“ hinaus und die Kurse sollen verpflichtend für jeden Schüler sein. Ihr Inhalt soll in die Lehrpläne aufgenommen werden und die Kurse werden als Erste-Hilfe-Ausbildung deklariert. Sie müssten also noch wesentlich mehr Inhalte als Reanimation bei Herzstillstand umfassen.