Protocol of the Session on October 18, 2017

Jetzt haben Sie das Wort, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Verehrter Herr Koplin, in der Tat ein spannendes Thema. Und ich bin Ihnen durchaus persönlich verbunden, dass Sie hier vor aller Welt noch einmal die politische Klugheit der SPD-Bürgerschaftsfraktion der Hansestadt Rostock gewürdigt haben. Das finde ich durchaus angemessen.

Dieses Thema ist deshalb ein wichtiges Thema, weil es wie bei vielen Fragen um so etwas wie Gerechtigkeit geht, aber nicht nur das, sondern es geht in der Tat auch um so etwas wie die Frage, ob wir bereit sind, Marktwirt

schaft oder jedenfalls Wettbewerb in bestimmten Bereichen zuzulassen. Deswegen können Sie davon ausgehen, dass ich die Entscheidung oder die sich anbahnenden Entscheidungen in Hamburg mit größtem Interesse zur Kenntnis genommen habe, auch mit größtem fachlichen Interesse, und im Finanzministerium eine Prüfung ausgelöst habe, ob ein solches Modell gegebenenfalls auf Mecklenburg-Vorpommern übertragen werden sollte oder übertragen werden könnte.

Allein, ich glaube, es ist zu früh, eine definitive Entscheidung zu treffen, so, wie es Ihr Antrag nahelegt. Das ist ja im Prinzip die definitive Aufforderung, sich entsprechend zu verhalten, also diese Reform vorzubereiten oder einzuleiten. Und da haben Sie jetzt entweder mehr Kenntnisse als ich oder sind mir voraus. Ich bin dazu noch nicht in der Lage, dies letztendlich zu tun, also in eine solche Richtung zu marschieren, und zwar aus folgenden Gründen.

Die Kolleginnen und Kollegen des Finanzministeriums haben aufgrund meiner Prüfbitte einfach mal ein paar Fragen formuliert, die man klären muss, bevor man sich auf diese Reise begibt. Die erste spannende Frage – ich lese das jetzt mal vor – heißt: Wie verfährt man mit einem Hamburgischen Beamten, der in ein anderes Bundesland wechselt?

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das fragen die Beamten auch.)

Was machen wir, wenn wir unterschiedliche Rechtssysteme haben? Jetzt können Sie sagen, das machen die Hamburger auch, aber es ist in der Tat erst mal ein Problem, über das man nachdenken muss. Das kann gewisse Härten zur Folge haben. Es stellt sich nämlich am Ende die Frage, ob – wenn das eingeführt wird und wir Probleme haben beim Dienstherrenwechsel – sich die gesetzliche Krankenversicherung nicht auch zu einer Art goldenen Fessel für die Kolleginnen und Kollegen entwickeln kann. Da kann man sich auf den Standpunkt stellen, das ist ja wunderbar, genau das wollen wir, dann können die nicht mehr weg, aber ich glaube, so ist nicht unser Verständnis gegenüber unseren Beschäftigten.

Zweitens eine Frage, der man zumindest nachgehen muss: Würde es durch eine solche Wahlfreiheit gegebenenfalls Auswirkungen geben auf die Beitragsentwicklung der privaten Krankenversicherung? Falls das der Fall wäre, müsste man das nämlich auf der anderen Seite als Gegenkosten wieder dagegenrechnen. Dazu gibt es im Moment sehr unterschiedliche Meinungen, aber es ist immerhin eine Frage, die man ganz objektiv und möglichst ohne Risiko beantworten muss.

Die nächste Frage, die sich daran knüpft, ist: Welche Folgen hätte so etwas für das Alimentationsprinzip? Die nächste Frage wäre: Was ist mit der Pflegeversicherung, deren Abschluss auch für die Beamtinnen und Beamten verpflichtend ist? Denn wenn ich recht informiert bin, erstreckt sich die Regelung in Hamburg eben nicht auf die Pflegeversicherung, sondern nur auf die Krankenversicherung, aber systematischerweise müsste man diese Frage dann auch beantworten.

Langer Rede kurzer Sinn, mir ist das, was in Hamburg im Moment diskutiert wird, aus zwei Gründen sehr sympathisch:

Erstens habe ich nichts dagegen, wenn es im Gesundheitssystem auch bei den Kassen einen gesunden Wettbewerb gibt – ich glaube, das macht Sinn –, und der Wettbewerb wird erhöht, wenn die Versicherten Wahlfreiheit haben. Das ist dann übrigens eine Diskussion, die man generell eröffnen muss, auch wenn wir nur für einen gewissen Teil zuständig sind. Wir sind ja nicht zuständig dafür, die Generaldebatte zu führen über die Krankenversicherung oder das Gesundheitssystem. Das ist vielleicht auch gar nicht schlecht. Also das ist der eine Grund, warum ich das sympathisch finde.

Und der zweite Grund ist, es ist so, dass es ein paar Beamte gibt, die im Moment Schwierigkeiten haben, in der privaten Krankenversicherung unterzukommen, die nicht angenommen werden, mit dem Ergebnis, dass sie 100 Prozent der Krankenversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben. Und mindestens das ist ein Zustand, den ich persönlich nicht für akzeptabel halte. Das ist gegenüber diesen Mitarbeitern oder diesen Beamtinnen und Beamten nicht akzeptabel, dass sie in dieser Lage sind. Damit wird man sich beschäftigen müssen.

Also das sind die beiden Gründe, die mich sehr dazu veranlassen, mit Wohlwollen nach Hamburg zu blicken, aber es bleiben eben auf der anderen Seite die Fragen, die ich formuliert habe, zu klären, bevor man solche Schritte geht. Deswegen wäre meine Bitte – vielleicht geht es ja sogar, dass Sie den Antrag zurückziehen und sozusagen uns noch etwas Zeit geben –, wäre meine Bitte, sich noch etwas Zeit zu gönnen und vielleicht die Prüfung, die wir eingeleitet haben, abzuwarten, um dann auf dieser Basis die Meinungsbildung abzuschließen. Ich jedenfalls werde das Thema intensiv prüfen lassen, mit dem Ziel, hier das eine oder andere vielleicht vorzuschlagen. Ich kann Ihnen heute aber noch keine endgültige Positionierung bieten, weil ich glaube, das ist ein etwas sehr kompliziertes Themenfeld. Das hat einen Grund, warum das über viele Jahrzehnte in Deutschland anders gehandhabt wurde, als es jetzt in Diskussion steht. – Insofern danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche weiter viel Spaß bei der Debatte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Dr. Jess.

(Der Abgeordnete Dr. Gunter Jess spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Oh, Entschuldigung!

Okay, danke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste!

Herr Koplin, ich fand Ihren Antrag auch sehr interessant und, ich muss ehrlich sagen, der Herr Finanzminister – schönen Dank für Ihre Ausführungen – hat das auch noch mal deutlich gemacht, ich glaube, er kommt ein bisschen zu früh. Wir sind nämlich der Meinung, wir müssten eigentlich erst mal abwarten, wie das in Hamburg ausgeht. Sie sagen, Sie haben jetzt selbst schon

Prüfungen eingeleitet, das finde ich gut, aber grundsätzlich finde ich auch, das Thema ist komplexer, als Sie es hier dargestellt haben.

(Torsten Renz, CDU: Ja, das macht er immer so.)

Wir meinen nämlich, dass wir eigentlich vor Ihrem Antrag die Diskussion führen müssten, ob die Sonderstellung von Beamten gegenüber Angestellten durch das Beihilfesystem bei der Krankenversicherung nicht überhaupt infrage zu stellen ist und neu diskutiert werden muss, aber das werden wir sicherlich heute Abend hier nicht machen können, das wäre eine eigene Debatte. Deshalb lassen Sie mich mal zunächst auf das Pauschalhilfesystem mich beschränken.

Ich bin übrigens auch verwundert, Herr Minister, Sie sagen, dass es bei Ihnen Mitarbeiter gibt, die praktisch in der gesetzlichen Versicherung sind und hundert Prozent zahlen müssen. Ich scheine der einzige Abgeordnete zu sein, der noch in der gesetzlichen Versicherung ist.

(Zurufe aus dem Plenum: Nee, nee, nee!)

Okay, also dann wissen Sie aber auch, dass Sie einen entsprechenden Zuschuss bekommen, also das nur dazu.

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Also es ist offensichtlich möglich, eine derartige Regelung zu finden, wie wir die dann auch immer hinbekommen.

Die erste Frage, die sich aber meiner Ansicht nach trotzdem noch stellt, wäre, wenn wir eine solche Änderung anstoßen, welche Vorteile hätten wir dadurch und welche Änderungen wären zu erwarten. Als potenzielle Vorteile könnte man sich sicher vorstellen, gut, die Beihilfestellen könnten eingespart werden, da der Aufwand, die Arztrechnungen zu kontrollieren und zu bearbeiten, nur noch bei der Kasse anfallen würde. Dies hätte eine Senkung der Verwaltungskosten zur Folge.

Zweitens, die Versicherten müssten keine Vorfinanzierung vornehmen und hätten nicht den Aufwand, parallel an Beihilfestelle und PKV alle Rechnungen und Rezepte zu senden.

Und drittens, die Beamten hätten die reale Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Krankenkasse, so, wie Sie es auch schon dargestellt haben, möglicherweise aber auch den ökonomischen Druck, in die GKV zu wechseln.

Dem kann man folgende potenziellen Nachteile aus unserer Sicht gegenüberstellen:

Das wäre erstens der Verlust der herausgehobenen Krankheitsabsicherung durch den Staat für die Beamten, denn sie ist herausgehoben.

Zweitens, der Zugriff auf die realen Gesundheitskosten der Beamten geht dem Staat verloren.

Und drittens, der Staat als Arbeitgeber verliert gegebenenfalls ein Vorzugsmerkmal für eine Beamtenlaufbahn.

Bevor eine Abwägung von Vor- und Nachteilen vorgenommen werden kann, muss aber noch eine zweite Frage gestellt werden, nämlich: Wie hoch könnte und müsste eine solche Pauschalzuführung denn sein? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie es möglicherweise den Anschein haben könnte. Es prallen nämlich hier zwei unterschiedliche Finanzierungssysteme aufeinander, zum einen die Realkostenfinanzierung der jeweiligen Alterskohorte bei den Privaten und zum anderen die einkommensabhängige Solidarfinanzierung aller GKV-Versicherten über den Gesundheitsfonds und bei der gesetzlichen Krankenversicherung.

In den Gesundheitsfonds der GKV fließen die einkommensabhängigen Beiträge aller GKVen und zudem Zuschüsse aus Steuermitteln des Staates ein. Letztere betragen derzeit 14,5 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn man also die Frage nach der Höhe der Pauschalzuführung stellt, muss man auch die Vergleichbarkeit der Staatsfinanzierung bei GKV und PKV im Auge behalten. Das würde bedeuten, dass der Arbeitgeberanteil von 7,4 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens aus dem GKV-System, allerdings gedeckelt bei circa 300 Euro pro Monat aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze, nicht ausreichen dürfte, da dann sonstige in der GKV staatsfinanzierte Leistungen wie Familienversicherung, Beitragsfreiheit der Kinder und so weiter keine Berücksichtigung gefunden hätten.

Bevor wir also die oben beschriebenen potenziellen Vorteile realisieren könnten, wäre von Fachleuten durchzurechnen, welche Höhe und Ausprägung die Pauschalzuweisung haben würde beziehungsweise müsste. Würde man jedoch nur auf eine Pauschalzuweisung in Höhe des oben genannten Arbeitgeberanteils orientieren, dann wäre dies vermutlich das Ende des Beihilfesystems für untere Besoldungsgruppen, denn die dann erforderliche 100-Prozent-Versicherung bei einer PKV wäre für die unteren Besoldungsgruppen der Beamtenschaft wohl nicht mehr finanzierbar. Wir würden also durch nicht hinreichend durchdachte Veränderungen im Beihilfesystem gegebenenfalls Verwerfungen innerhalb der Beamtenschaft verursachen. Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab.

Unabhängig davon fordern wir die Regierung auf – was wir ja jetzt auch schon gehört haben, was passieren wird –, dieses Pilotprojekt in Hamburg zu beobachten und die dort erlangten Ergebnisse für eine gegebenenfalls eigene Nutzung auszuwerten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Der Minister für Finanzen hat noch mal ums Wort gebeten. Herr Brodkorb, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Jess, ich sehe mich veranlasst, kurz etwas richtigzustellen oder für Aufklärung zu sorgen. Es ist in der Tat so, dass Abgeordnete mit ihren Diäten über der Beitragsbemessungsgrenze sind und insofern ein Wahlrecht haben, ob sie in der GKV oder in der PKV sich versichern lassen. Und je nachdem, wie sie sich ent

scheiden, erhalten sie einen entsprechenden Zuschuss vom Land, auch dann, wenn sie sich gesetzlich krankenversichern, freiwillig. Das vergrößert unser Problem vielleicht, weil für alle anderen in der Landesverwaltung ist dies nicht der Fall.

Okay, danke für die Klarstellung.

Jetzt erhält das Wort Herr Abgeordneter Egbert Liskow für die Fraktion der CDU.