Dennoch wird das Kirchenasyl geduldet. Es werden darüber sogar Vereinbarungen getroffen und nun bedarf es weiterhin eines Dialogs, um auf die Einhaltung der Vorgaben hinzuwirken. Der Staat als Bettler an die Kirche: Bitte haltet euch doch an die Vereinbarung!
Die Kirchen müssen laut dieser Vereinbarung Dossiers zur Einzelfallprüfung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorlegen, in denen eine, Zitat, „humanitäre Härte“ dargestellt wird. Herr Caffier hat es ja schon gesagt, diese Vereinbarung wird nicht eingehalten. Die Dossiers werden immer wieder gar nicht vorgelegt. Weil hier das Bundesamt entscheidet, befindet die Landesregierung, sie sei nicht zuständig. Dabei sind diverse Behörden und Einrichtungen des Landes ebenso involviert: die Ausländerbehörden, aber auch andere, zum Beispiel, wenn Kindergartenplätze in Anspruch genommen werden, was übrigens auch Kosten verursacht. Das bleibt dann am Steuerzahler hängen.
Während die Landesregierung dem illegitimen Kirchenasyl freien Lauf lässt, gehen die Kirchen zunehmend strukturiert vor. Es gibt Berater, Vermittler, sogar feste Ansprechpartner bei den Kirchen, die sich um die administrativen Belange kümmern. Sie üben auch politischen Druck aus, und sie stellen den Rechtsstaat infrage, dem sie vorgeblich nur auf die Sprünge helfen wollen. Ich zitiere: „Menschlichkeit vor Gesetz.“ Zitatende. Das ließ kürzlich ein Diakon aus Rostock verlauten. Er hatte syrische Staatsangehörige nach Schweden geschmuggelt und wurde deshalb dort zu einer Geldstrafe verurteilt. Sind denn unsere Gesetze unmenschlich? Der Kirchenvertreter verstieg sich gar zu einem Vergleich – leider ist ja Frau Larisch heute auch noch darauf angesprungen –, dieser Kirchenvertreter verstieg sich zu einem Vergleich mit der nationalsozialistischen und der kommunistischen Diktatur. Ich zitiere aus einem Bericht der „Schweriner Volkszeitung“, Zitat: „Zu DDR-Zeiten jemandem über die Grenze zu helfen oder in der Nazi-Zeit jemanden verstecken – ‚es waren immer Gesetze, die dagegen sprachen‘.“ Zitatende. Wie verwirrt sind solche Kirchenfunktionäre eigentlich, wenn sie unseren freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat mit Diktaturen gleichsetzen?
Zum Abschluss meiner Ausführung das Beispiel aus dem Wahlkreis – Herr Caffier hatte das Beispiel ja auch schon gebracht –: In Anklam befanden sich zwischen November 2016 und Mai 2017 fünf russische Staatsangehörige im sogenannten Kirchenasyl. Die Hintergründe sind mir noch nicht so richtig klar, denn auf die Anfrage hat die Landesregierung geantwortet, dass diese Personen schon 2013 nach Deutschland gelangt sind, und zwar über Polen. Genau dort hätten sie natürlich ihren Asylantrag stellen müssen. Sie sind seit dem 7. Juni 2016 vollziehbar ausreisepflichtig und sind dieser Pflicht zur Ausreise nicht nachgekommen. Sie ließen die Zeit der Duldung verstreichen und begaben sich dann ins Kirchenasyl.
Der „Nordkurier“ vermutet, dass dieses Kirchenasyl aufgrund des Drucks der AfD-Fraktion beendet wurde. Jedenfalls ist das Asyl mittlerweile beendet. Auch hier ging es wie in den meisten Fällen darum, ein Asylverfahren in dem nach geltendem Recht nach dem Dublin-IIIAbkommen zuständigen Staat zu verhindern und in Deutschland zu ermöglichen. Offenbar ist es dazu gekommen. Dazu läuft noch meine Kleine Anfrage. Ich hoffe, Herr Caffier nimmt mir das nicht übel, dass ich noch mal nachfrage,
aber da bin ich recht hartnäckig, Herr Minister, weil mich das schon interessiert, wie es dort eigentlich weitergeht.
Mich hat es jedenfalls sehr gefreut, wenn das wirklich so ist, wie es der „Nordkurier“ vermutet, dass aufgrund des Handelns der stärksten Oppositionsfraktion auch diese fünf Personen wieder in rechtsstaatliche Verfahren gelenkt wurden. Das freut einen natürlich als Opposition, dass man auch einmal Dinge bewirken konnte, und vermutlich ist es hier so gewesen.
Jedenfalls hat das Pastor Winkler aus Anklam so gesagt, dass das Verfahren wohl deshalb jetzt beschleunigt wurde.
Bemerkenswert waren übrigens auch die Gründe für die Anklamer Kirchenasylfälle. Das ist wirklich mal interessant, weil immer von humanitärer Härte die Rede ist und man sich fragt, was ist das eigentlich.
Wir müssen ja bedenken, dass es hier eben keine anerkannten Flüchtlinge oder Asylberechtigten sind, sage ich mal. Was ist eigentlich eine humanitäre Härte?
In diesem Fall war es so, dass die humanitäre Härte darin gesehen wurde, und das war ja die Frage, ob sie jetzt nach Polen müssen, die Untergebrachten. Und wenn sie das machen müssten, würden sie ihr vertrautes Umfeld verlieren, und das sei eine besondere Belastung. Das war die erste Begründung. Die zweite Begründung war, dass ein medizinischer Behandlungsbedarf in Polen nicht gewährleistet war. Die Notwendigkeit, nach Polen umzuziehen, und der damit verbundene Verlust des vertrauten Umfelds ist also schon eine humanitäre Härte? Wie viele humanitäre Härtefälle haben wir denn eigentlich, wenn Bürger dieses Landes ihr vertrautes Umfeld aufgeben müssen, weil sie wirtschaftlich oder durch sonstige Gründe dazu gezwungen sind? Und in Polen gibt es keine ausreichende medizinische Versorgung? Ist Polen denn ein unterentwickeltes Land? Oder ist der Zweck des Aufenthalts, sich hier medizinisch behandeln zu lassen?
(Manfred Dachner, SPD: Kennen Sie nicht! Sie wiederholen nur irgendwas, was Ihnen da aufgeschrieben wurde. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)
Herr Dachner, wenn Sie mich mal ausreden lassen?! Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, dann müssen Sie sich ans Mikrofon stellen.
Es war eine Frage und ich will auf die Frage von Herrn Dachner von der SPD eingehen. Herr Dachner hat gerade behauptet – das muss man ja wiederholen, damit auch die Zuhörer das verstehen –,
ich kenne die Einzelfälle nicht. Die können Sie nachlesen, das ist eine Antwort des Innenministeriums. Ich habe nur wiedergegeben, was mir das Innenministerium auf meine Kleine Anfrage geantwortet hat.
Das Beispiel zeigt, dass also alle möglichen Gründe offenbar dazu dienen können, eine humanitäre Härte herzustellen. Man kann auch formulieren, durch die Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen wird Recht gebrochen und Willkür Tür und Tor geöffnet. Die Landesregierung erklärt wiederholt, dass sie an ihrer Einstellung gegenüber dem Kirchenasyl weiterhin festhalten wird, also ihren Toleranzkurs weiterfährt. Es ist Zeit, diese Einstellung zu überdenken.
Zum Abschluss noch kurz Bemerkungen zu meinen Vorrednern: Eine bemerkenswerte Aussage war von Herrn Caffier, vom Innenminister, das Kirchenasyl sei, Zitat, „gültige Realität“, Zitatende. Ich weiß nicht, was eine gültige Realität ist.
Es gibt nur eine Realität oder keine Realität. Eine gültige Realität – bei allem Respekt, Herr Innenminister – gibt es nicht, die muss erst noch erfunden werden.
Interessant ist auch die Aussage des Innenministers, dass er nicht erst seit gestern das Kirchenasyl beobachte. Ich habe aus meinen Kleinen Anfragen leider die Feststellung treffen müssen, dass Fragen, was die Vergangenheit angeht, durchweg nicht beantwortet werden können. Es wird nicht registriert, es wird eben keine Statistik geführt. Daher widerspreche ich den Angaben des Innenministers. Er mag es vielleicht beobachtet haben, aber es sich zumindest nicht aufgeschrieben haben, vielleicht anderweitig beobachtet.
Und noch eine weitere Bemerkung zu der Rede des Innenministers: Gemäß dem Dublin-Abkommen ist der andere Staat nicht, Zitat, „eigentlich“, Zitatende, zuständig, sondern er ist zuständig. Da gibt es kein „eigentlich“. Daran gibt es gar nichts zu deuteln.
Abschließend die Bemerkung: Nun hat der Innenminister die Nordkirche angeschrieben, und ich muss ehrlich sagen, hier drückt sich schon eine gewisse Hilflosigkeit aus, wenn der Innenminister die Nordkirche anschreiben muss, sie möge sich doch mal bitte an die Verträge halten.
Auch Frau Larisch – ich habe es schon gesagt – hat unseren heutigen Staat mit der nationalsozialistischen Diktatur und mit der kommunistischen Diktatur verglichen. Das finde ich reichlich deplatziert.
Dann haben Sie eine weitere interessante Aussage getroffen. Sie haben gesagt, in der DDR hat die Kirche Asyl gewährt. Das ist völliger Unsinn. Ehrlich gesagt, ich bin
selber aktiv, ich bin auch ein religiöser Mensch und war aktiv. Ich habe in der DDR alles durchgemacht: Konfirmation, Junge Gemeinde und so weiter und so fort. Ich weiß, dass wir dort viel über Opposition gesprochen haben und viele Informationen gekriegt haben, aber ein Asylfall in der DDR-Kirche ist mir, ehrlich gesagt, nicht bekannt. Gut, ich lerne auch gerne dazu,
(Karen Larisch, DIE LINKE: Es kommt darauf an, wie Sie Asyl definieren. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)
wenn Sie mir das belegen. Ich lerne ja gerne dazu. Wenn Sie da mal eine Information haben, schicken Sie mir die gerne mal zu!
Einen letzten Punkt noch zu Ihnen, Frau Larisch: Da sollten Sie ganz vorsichtig sein, wenn Sie sich auf die Bibel berufen, Sie haben gesagt, man muss ja hier, ich zitiere, „der Bibel folgend handeln.“ Da seien Sie mal ganz vorsichtig! Wenn Sie die Regeln der Bibel anwenden, dann wird es richtig lustig hier. Allein die jüdische Religion hat Gebote und Verbote für jeden Tag des Jahres. Da haben Sie 365 Ge- und Verbote.
Da kommen Sie, wenn Sie die Bibel wirklich lesen würden, da kommen Sie auf Folgen von Vergehen gegen Verbote, das möchten Sie lieber nicht wissen.
(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD: Sie meint ja nur das Neue Testament. – Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)