… müssen Sie mir beantworten. Frau Drese, wenn Sie schon alles machen von Bund, Kommune und im Land, dann frage ich mich, warum Frau Ministerpräsidentin Schwesig das hier gestern in ihrer Regierungserklärung als einen ihrer größten Schwerpunkte genannt hat. Wenn schon alles gemacht wird, warum dann noch das?
Ich komme noch mal auf Frau Friemann-Jennert zurück. Sie sagten, im Bund machen wir schon alles, auf Landesebene ebenfalls. Nun, auf Bundesebene im Koalitionsvertrag 2013 kam Kinder- und Jugendarmut – in Ih
rem Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU – nicht vor. Auch damals bestand schon die hohe Quote an Kinder- und Jugendarmut.
Ich verstehe Sie nicht, Frau Friemann-Jennert. Wenn Sie noch was zu sagen haben, können Sie gerne vorkommen.
Schon damals gab es Kinder- und Jugendarmut. Wenn Sie sagen, es wurde in das Bundeswahlprogramm jetzt aufgenommen, dann kann ich nur sagen, links wirkt. Wenn es dann noch im nächsten Koalitionsvertrag auftaucht auf Bundesebene, sind wir da schon einen Schritt weiter, dann haben wir auch schon einen ersten Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut ergriffen, denn das Wichtigste ist, überhaupt erst mal hinzuschauen und sie nicht wegzudiskutieren.
Was ich ebenfalls sehr gut finde – oder nicht sehr gut, aber schon mal einen Schritt in die richtige Richtung –, Frau Friemann-Jennert, ist heute Ihr Redebeitrag gewesen, der auch deutlich Probleme anerkennt. Er ist differenzierter als das, was ich in den letzten Jahren hier im Landtag erlebt habe.
Aber das ist leider nur hier im Landtag so. Im Sozialausschuss, muss ich sagen, ist es nach wie vor so, dass die Koalitionäre, insbesondere die CDU, sich so sehr fürchten, Kinderarmut zu thematisieren, wie der Teufel das Weihwasser.
Dabei sind das die Forderungen und die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Kinder und Jugendlichen fordern es derzeit im Rahmen der Diskussionsreihe „Jung sein in M-V“ von uns allen, dass wir uns damit beschäftigen,
(Torsten Renz, CDU: Mit Angela Merkel an der Spitze sind wir der Stabilitätsfaktor für die Wirtschaft und soziale Sicherheit in diesem Lande.)
aber gerade die CDU ist es, die ihre Schotten dichtmacht. So viel zu Ihrer gestern noch hochgelobten Dreifaltigkeit von Freiheit, Gleichheit und Solidarität! Angesichts des Verhaltens im Sozialausschuss verkommen diese Worte zu reinen Worthülsen.
Sie haben sich mit dem Thema der Armut in Mecklenburg-Vorpommern noch gar nicht so sehr auseinandergesetzt, sehr geehrte Damen und Herren von SPD und CDU, stellten Sie doch vor einigen Monaten im Sozialausschuss grundsätzlich infrage,
Sie stellten infrage, ob beim Leben unter der Armutsschwelle in Deutschland überhaupt von Armut gesprochen werden kann, wo doch das Überleben immerhin noch einigermaßen gesichert sei. Und da möchte ich auch noch mal auf Ihren Vortrag zum Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung zurückkommen. Auch hier findet man immer weiter das Wegdefinieren vor. Die europäisch anerkannte Definition von Armut von 60 Prozent wird auch dort negiert. Es kommt nur noch auf Kriterien an, drei von neun müssen erfüllt werden. So rechnet man sich Kinder- und Jugendarmut schön, dass nur noch 5 Prozent angeblich in Armutsgefährdung leben, auch hier das Wegdefinieren. Kommen Sie endlich davon weg, es ständig wegzudefinieren! Nehmen Sie das Problem an und bekämpfen Sie es!
Denn auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU hier im Land haben Sie der Realität nicht ins Auge geschaut, wie gesagt, Kinderarmut kommt da gar nicht vor. Dabei ist es ein großes Problem. In Deutschland gibt es auf der einen Seite 1,2 Millionen Millionäre, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Deutschland – und das ist dann die Schattenseite dessen – leben aber auch 2 Millionen Kinder in Armut. Wie kann das sein in einem Wohlfahrtsstaat wie Deutschland? Wie kann es sein, dass die nächste Generation so im Stich gelassen wird? Ist das gerecht, frage ich Sie, sehr geehrte Abgeordnete von SPD und CDU.
Kinder in Armut können sich das Notwendigste für ein gesundes Aufwachsen eben nicht leisten. Gesundes Essen, Freizeitaktivitäten, Schwimmbad, Fußballverein, Musik, Sport, ein Ausflug an die Ostsee oder vernünftige Winterbekleidung sind für sie oft unerschwinglich. Wohin das führt, kann sich jeder ausmalen. Die Kinder sind schnell abgehängt, beim Zugang zu Bildung benachteiligt und gesellschaftlich schnell isoliert. Denn wenn ich mit meinen Freunden oder Mitschülern nicht mithalten kann, wenn ich nicht die neuesten Sachen und technischen Spielzeuge habe, wenn ich nicht mit ihnen ins Spaßbad gehen kann, mir den Eintritt ins Kino oder das neueste Onlinegame leisten kann,
Ich habe einen Vorschlag: Solange sich nicht jedes Kind in Mecklenburg-Vorpommern einen Kinobesuch im Monat leisten kann, sollten Sie auch darauf verzichten, ins Kino zu gehen. Wie wäre das mal?
Wir richten unsere Forderungen für gute Bildung von Anfang an, Teilhabemöglichkeit, gutes Wohnen und gesundes Aufwachsen an die Landesregierung, an Sie, Frau Familienministerin Stefanie Drese, und an die neue Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Sie müssen Kinder- und Jugendarmut zum Schwerpunkt des Regierungshandelns machen! Nur hinstellen und alles schönreden hilft niemandem von uns. Doch ich sehe auch hier einen leichten Schritt in die richtige Richtung, immerhin hat die Ministerpräsidentin gestern in ihrer Regierungserklärung, wie gesagt, das Thema Kinder- und Jugendarmut angesprochen, ohne aus unserer Sicht aber konkrete Maßnahmen im Land zu benennen.
Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich hilft aus unserer Sicht eine Kinderkarte, wie wir es vorsehen, den Kindern direkt und ohne Umschweife. Es ist eine stigmatisierungsfreie, pragmatische Lösung, damit Kinder ganz einfach und niederschwellig Angebote in Freizeit, Sport, Bildung und Kultur wahrnehmen können. Es ist fatal, Kinder von den Möglichkeiten fernzuhalten,
nur weil sie oder ihre Eltern das nötige Kleingeld nicht haben. Und natürlich kostet die Kinderkarte auch Geld – 50 Millionen Euro nach unseren Berechnungen –, Geld, das da ist für die Kinder und für die Kinder eingesetzt werden sollte, wenn denn der politische Wille dafür da ist. Leider sehen wir den noch nicht.
Zweitens. Sehr geehrte Damen und Herren, auf unserer Tour im Juni zu diesem Thema ist uns ganz oft begegnet, dass Kinder einen Ganztagsplatzanspruch auf einen Hort haben sollten, egal, ob Eltern zu Hause sind oder ob sie arbeiten gehen. Sind die Eltern von Grundschulkindern berufstätig und bekommen keinen Hortplatz für ihre Kinder, müssen sie entweder ihre Kinder nach der Schule als sogenannte Schlüsselkinder sich selbst überlassen oder den Vollzeitjob aufgeben, um sie selbst zu betreuen. Auf der anderen Seite wollen aber gerade auch Kinder aus finanziell schwachen Elternhäusern – wo erst mal geschaut wurde, ob sie überhaupt einen Bedarf für einen Hortplatz haben – gemeinsam mit ihren Freunden am Nachmittag Zeit verbringen, sei es das gemeinsame Hausaufgabenmachen oder Spielen, und das im Hort. Deshalb sollte jedes Kind das Recht auf einen Hortplatz erhalten. Das ist im Übrigen auch eine Forderung des Bürgerbeauftragten in seinem Bericht aus dem Jahr 2016, wo die Landesregierung wie gesagt in Aussicht gestellt hatte, hier nachzubessern. Leider vermissen wir die Nachbesserung.
Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass die FachkraftKind-Relation im Hort verbessert werden sollte, nämlich runter von 22 auf 18 Kinder pro Fachkraft. Nur so können die Qualität der Betreuung und die intensivere Förderung der Kinder gewährleistet werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen auch den Fokus noch stärker auf Kinder mit Behinderungen und ihre Familien legen. Auch dies ist ein Problem, das vor Ort bei den Eltern besteht. Hier herrscht oft eine Doppelt- oder Dreifachbelastung durch Ausgaben, da der Betreuungsaufwand für die Eltern oft noch deutlich höher ist. Integrative Leistungen für Kinder mit Beeinträchtigungen in Krippe und Hort müssen endlich auch im Landesrahmenvertrag geregelt werden. Eine deutliche Entlastung für die Eltern wäre es, Betreuungsangebote für Kinder
und Jugendliche mit Behinderungen verbindlich und zuverlässig bis zum 18. Lebensjahr zu gewährleisten, sei es im Hort oder als Tagespflege. Nur so haben die Eltern die Möglichkeit, etwas mehr als Teilzeit oder überhaupt arbeiten zu gehen. Auch das ist eine Forderung, die wir vor Ort bei unseren Gesprächen mitgenommen haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, dass Kinderarmut von Elternarmut herrührt, bestreitet keiner und das habe ich heute auch niemanden bestreiten hören. In meiner Einbringung habe ich darauf hingewiesen: Kommen Eltern dann aber in eine Notsituation und finanzielle Nöte, sind sie auf Hilfe und Unterstützung der Beratungsstellen angewiesen. Deshalb haben wir auch hierzu eine Forderung aufgenommen, dass diese Unterstützungsstellen spätestens am 31. Dezember des Vorjahres die ihnen zustehenden Landesmittel erhalten. Ich finde es einfach nur unverantwortlich, wenn Schuldnerberatungsstellen uns im Juni berichten, dass sie in diesem Jahr noch keinen einzigen Euro vom Land erhalten haben. Sie müssen ihre Mitarbeiter und die Mietkosten bezahlen, und Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, lassen sie im Stich.
Angesichts dessen finde ich es einfach nur perfide, wenn Frau Drese das gute Netz der Schuldnerberatungsstellen lobt. Dazu haben Sie in diesem Jahr noch nichts beigetragen. Einzig und allein den Trägern vor Ort und ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die Menschen noch beraten werden.
Als Nächstes: Frau Schwesig hatte gestern wieder das Unterhaltsvorschussgesetz und Frau Drese hatte es heute gelobt.
Wir begrüßen die bundesgesetzlichen Regelungen, den Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes auszuweiten und die zeitlich begrenzte Bezugsdauer aufzuheben. Das ist ein wichtiger Schritt zur Unterstützung Alleinerziehender. Wir kritisieren jedoch die mangelnde Umsetzung und Unterstützung der Kommunen durch die Landesregierung. Abgeordnete der LINKEN, Frau Rösler und ich, haben zwei Anfragen gestellt und das Thema auf die Tagesordnung im Sozialausschuss setzen lassen. Die Antworten der Landesregierung auf unsere Nachfragen sind ernüchternd. Die Landesregierung rechnet mit einer Zunahme der Fallzahlen von 15 Prozent – interessant, denn die Landeshauptstadt Schwerin geht davon aus, dass sich die Fallzahlen durch die neuen Regelungen zum Unterhaltsvorschuss verdoppeln werden. Das ist ein Unterschied, meine Damen und Herren der CDU. Verharmlosen Sie hier etwa wieder die Realität?
Und als wir dann gefragt haben, wie Sie denn die Landkreise und kreisfreien Städte als Land unterstützen bei dem Mehraufwand, der durch das Unterhaltsvorschussgesetz entstehen wird – sei es, dass sie mehr Mitarbeiter benötigen oder mehr Arbeitsplätze –, wurde uns gesagt, das ist ein Standard, der einfach nur ausgeweitet wird, der nicht konnex ist. Das heißt, die Landkreise und kreisfreien Städte müssen diese Kosten alleine tragen, blei
ben drauf sitzen. Sie können das Geld nicht für andere Dinge, die vielleicht auch wichtig wären, wie zum Beispiel die Absicherung der Jugend-/Schulsozialarbeit, einsetzen, sondern werden einfach alleingelassen.