(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Sebastian Ehlers, CDU: Dann bin ich ja charmanter als die SPD-Fraktion.)
Ich sehe, Sie sind sehr kreativ und beschäftigen sich sehr mit Märchen- und Zeichentrickfilmen. Ich hoffe, dass das nicht Ihr Anspruch an Politik ist, in Zeichentrick- und in Märchenwelten zu bleiben,
Was man bei all diesem nicht vergessen darf, ist, dass die Reform mancherorts schon zweieinhalb Jahre läuft. Ich denke da nur, ich hatte es auch in der Einbringungsrede ausgeführt, an den Standort Anklam.
So frisch ist die Umsetzung dann doch nicht mehr. Die Auswirkungen sind aus unserer Sicht schon jetzt zu sehen, für die Menschen schon sichtbar. Die überlangen Verfahrensdauern habe nicht ich eingebracht, sondern der Bürgerbeauftragtenbericht sagt, dass es trotz der Gerichtsstrukturreform bei diesen überlangen Verfahrensdauern bleibt und damit zu sehen ist, dass wir keine zukunftsfähigere Gerichtsstrukturreform damit erreichen, sondern das Problem auch nicht beheben werden, dass wir weiterhin Auswirkungen haben, dass Gerichte kaum noch telefonisch erreichbar sind. Auch davon konnten wir uns vor Ort ein Bild machen, dass Betreuungssachen, auch Begutachtungen aufgrund der geringen Zeit schon gar nicht mehr so überprüft werden wie notwendig, dass für Strafverfahren die Zeugen nicht mehr erscheinen. All das sind doch schon jetzt die Auswirkungen. Dann wollen Sie erzählen, das hat etwas mit einer zukunftsfähigen, leistungsfähigen Justiz hier in Mecklenburg-Vorpommern zu tun? Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, das ist nicht
der Anspruch meiner Fraktion, denn will ich das Vertrauen der Menschen in unsere Justiz stärken, muss aufgrund einer soliden Datenbasis nachgebessert werden.
Und weil Sie uns den Vorwurf machen, dass wir hier nur mit Behauptungen arbeiten würden: Genau dafür brauchen wir die Datenbasis, dass wir schauen, wie haben sich die Fahrkosten entwickelt bei den Betreuungssachen, wie haben sich die Zeiten für Gerichte entwickelt, wenn sie gerade in Betreuungssachen rausfahren und dort die Betreuten anschauen. Gerade dafür braucht man dieses belastbare Datenmaterial, damit Sie nicht in fünf Jahren, wenn wir dann wieder hier vor Ihnen stehen und sagen, na, aber jetzt müsste doch langsam mal die Wirkungsphase vorbei sein, jetzt müssten wir es mal so langsam evaluieren, und sagen: Na ja, wir haben keine Daten, alles, was Sie hier feststellen, sind nur Behauptungen. Insofern bleiben wir dabei, dass die Daten jetzt erfasst werden müssen.
Ich hatte vorhin ein Beispiel genannt, wo das leider noch nicht zu sehen ist, die Anfragen auf Drucksache 7/169, wenn ich beispielsweise nach den tatsächlichen Ausgaben im Rahmen von Prozesskostenhilfe frage. Auch das hat etwas mit Zugang zu Gerichten zu tun. Zu Verfahrenskostenhilfe, im Verfahren anfallende Reisekosten gemäß RVG, also die Reisekosten, die die Anwälte abrechnen, auch dazu liegen keine separaten Daten vor, sodass es keinen Vergleich gibt, wie war es vor der Gerichtsstrukturreform, wie weit waren die Wege, wie weit sind da die Anwälte gefahren, wie ist es nach der Strukturreform. Deshalb ist es uns so wichtig, dass gerade diese Datenbasis aufgebaut wird, damit man aufgrund dessen eine Evaluierung vornehmen kann, wo man wirklich im Sinne einer zukunftsfähigen und leistungsfähigen Gerichtsstrukturreform nachbessern kann.
Ein weiterer Punkt sind aus unserer Sicht immer noch die Strafverfahren. Ich habe auch hier bereits darauf hingewiesen, dass wegen der großen Entfernung in Strafprozessen zunehmend Angeklagte und Zeugen ausbleiben. Vorführungen durch die Polizei sind aus gleichem Grund ebenfalls schwieriger. Auch das wollte ich mal genauer wissen, weil wir bei den Daten sind. Ich fragte nach, wie oft Termine wegen Nichterscheinens des Angeklagten neu anberaumt werden mussten, auch nach der Gerichtsstrukturreform, und wie viele Ordnungsgelder gegen nicht erschienene Zeugen beispielsweise verhängt wurden. Die Antwort der Regierung war auch hierzu, dass keine Daten vorliegen. Also insofern frage ich mich: Aufgrund welcher Datenbasis wollen Sie eigentlich eine Evaluation vornehmen und schauen, ob wir wirklich eine leistungsfähige und zukunftsfähige Struktur haben? Insofern bleiben wir bei unserem Antrag und möchten einfach, dass Sie Ihre Meinung vielleicht doch noch mal überdenken. Hoffnung ist immer etwas Gutes. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/545. Wer dem Antrag
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/545 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der AfD und Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Ehe ich den Tagesordnungspunkt 21 aufrufe, würde ich Sie darum bitten, den Geräuschpegel wieder etwas zu reduzieren. Es war zum Schluss kaum noch zu verstehen, was Frau Bernhardt geredet hat. Bitte auch auf der Regierungsbank etwas leiser!
Aber jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Grundpfeiler des Handwerks und der Freien Berufe bewahren – Europäisches Dienstleistungspaket verhindern, Drucksache 7/532.
Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Grundpfeiler des Handwerks und der Freien Berufe bewahren – Europäisches Dienstleistungspaket verhindern – Drucksache 7/532 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor wir mit der Debatte starten, erlauben Sie mir einmal ein grundsätzliches Wort. Dieses Haus steht mit breiter Mehrheit hinter der Europäischen Union. Das ist der Eindruck, den ich gewonnen habe aufgrund der vorangegangenen Debatten, die wir hier in dem Hohen Haus geführt haben. Ich sage das auch vor dem Eindruck einer politischen Großwetterlage, die manchen, also mir auch, Sorge bereitet.
Ich freue mich über den Ausgang der Wahlen in Frankreich. Das kann Anlass zur Hoffnung bieten, auch hier in Mecklenburg-Vorpommern. Mecklenburg-Vorpommern hat in besonderer Weise von der Europa-Idee profitiert: ohne europäische Integration keine deutsche Einheit, ohne deutsche Einheit aber auch keine europäische Integration.
Und damit sind wir schon mitten im Thema. In jeder Beziehung, auch in einer multilateralen wie der Europäischen Union, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Selbst wenn es in einer Beziehung grundsätzlich gut läuft, müssen Probleme zeitnah auf den Tisch. Also Europa, wir müssen mal reden!
Ich breche das an dieser Stelle herunter, weil wir in diesem Haus eigentlich schon oft über ein sehr grundsätzliches Problem sprechen mussten. Im Wirtschaftsausschuss sprachen wir am 30. März dieses Jahres über die europapolitischen Schwerpunktsetzungen der Landesregierung. Ich habe auf meine Bauchschmerzen bezüglich der Deregulierungswut der Europäischen Kommission hingewiesen. Wir haben in den vergangenen Jahren auch schon mehrere Male hier im Plenum genau darüber sprechen müssen und Beschlüsse gemeinschaftlich auf den Weg gebracht.
Denken Sie an die Diskussion um die Meisterpflicht für bestimmte Gewerke! Brüssel wollte diese Reglementierung kippen, weil darin eine Einstiegsbarriere in den deutschen Arbeitsmarkt gesehen wurde. Ich verweise auf die beschlossenen Drucksachen 6/2830 und 6/3501. Denken Sie an die von der Kommission geforderte Evaluierung berufsspezifischer Qualifikationen! Das betraf damals die Freien Berufe. Die Kammer erlässt die Vergütungsregularien nach deutschem Vorbild. Auch hier verweise ich auf unseren gemeinsamen Beschluss, Drucksache 6/4102. Und immer wieder: Deregulierung, Deregulierung und Deregulierung unserer Berufsreglementierung.
Anfang 2017 kamen nun die Vorschläge des EUDienstleistungspaketes. Hiermit will die Kommission künftig prüfen, ob die Berufsreglementierungen der EUMitgliedsstaaten verhältnismäßig und angemessen sind. Die Mitgliedsstaaten müssen dies nachweisen. Außerdem soll eine Dienstleistungskarte eingeführt werden, die den Zugang zu Handwerksberufen europaweit erleichtern soll. In Anbetracht aller vorangegangenen Debatten müssen wir hier, denke ich mal, gewarnt sein. Ich bringe es an dieser Stelle auf den Punkt: Das Dienstleistungspaket verletzt die Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Hier habe ich große Sorgen, und zwar Sorge um 9.000 Freiberufler und ihre 30.000 Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern und Sorge um 20.000 Handwerksunternehmen, Meisterinnen und Meister und ihre über 100.000 Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern. Unter anderem steigt dank der Meisterprämien des Wirtschaftsministeriums die Zahl der Meisterabsolventen deutlich. Da verweise ich auf die SVZ vom 9. Mai 2017.
Meine Damen und Herren, es ist schon irgendwie eine verquere Logik, die Axt ausgerechnet an die Rahmenbedingungen der Berufsreglementierung der erfolgreichsten Volkswirtschaft der Europäischen Union zu legen. Das soll jetzt auf gar keinen Fall arrogant klingen, aber irgendwoher ist es auch gekommen. Warum sollen eigentlich ständig unsere erfolgreichen Standards auf den Prüfstand? Warum orientiert man sich in Brüssel nicht endlich mal an unseren Qualitätsmaßstäben, statt sie verstümmeln zu wollen? Eines wird immer deutlicher: Weltweit und auch in vielen EU-Ländern bewundert man unsere Berufsreglementierung. In Brüssel herrscht aber ewige Bedenkenträgerei.
Nicht nur wir in Mecklenburg-Vorpommern sehen dies kritisch. Sie wissen, dass der Bundestag und der Bundesrat eine Subsidiaritätsrüge gegen die Kommissionspläne ausgesprochen haben. Meine Fraktion hat das am 13. März öffentlich begrüßt. Allerdings scheint die notwendige Mehrheit für eine Rüge auf EU-Ebene zurzeit zu fehlen. Aktuell sehen neben Deutschland nur Frankreich und Österreich eine Verletzung der Subsidiarität. Darauf kann man aufbauen, aber es reicht eben noch nicht für eine notwendige Mehrheit, um dem Deregulierungswahn endlich den Riegel vorzuschieben. Hier muss also dringend weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Wir wissen um das Engagement der Bundesregierung. Die von mir genannten Bedenken gegen das Dienstleistungspaket wurden gegenüber der Europäischen Kommission seitens der Bundesregierung vor wenigen Tagen noch mal gutachterlich untermauert. Möglicherweise hatte die vehemente Ablehnung die Kommission dann doch etwas überrascht. Die Kommissionsvertretung in Berlin hat einen Fragen-Antworten-Katalog veröffentlicht,
der die Bedenken zerstreuen soll. Uns liegt dieser Katalog der Kommission vor. Das ist ein Anfang, der allerdings meinen Sorgen noch kein Ende bereitet, denn es gibt in dem Katalog der Kommission kein erhellendes Wort über den mit dem Dienstleistungspaket wachsenden Bürokratieaufwand aufgrund zusätzlicher Prüfkriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfungen, keine Antworten auf die abschließenden und rechtlich bindenden Entscheidungen der EU-Kommission beim Notifizierungsverfahren sowie den zu kurzen Prüffristen bei der Dienstleistungskarte. Ich fürchte, dass eine Genehmigungsfiktion doch zur Einführung des Herkunftslandprinzips durch die Hintertür führen wird. Das bedeutet eine große Gefahr für die reglementierten Berufe in unserem Bundesland.
In der „Europäischen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht“ von der 9. Woche 2017, vom 3. Mai 2017 bringt es Frau Dr. Bettina Wurster auf den Punkt, ich möchte zitieren: „Im Ergebnis erfordern die Vorschläge“ – also die der Kommission – „noch zahlreiche Klarstellungen, Verbesserungen in der Übersetzung sowie inhaltliche Vereinfachungen. Den Bedenken in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Vorschriften sowie hinsichtlich des Herkunftslandprinzips muss Rechnung getragen werden. Außerdem sollte die Dienstleistungskarte noch einmal vor dem Hintergrund des Mehrwerts für die Dienstleistungserbringer hinterfragt werden.“ Zitatende. Also, ich wiederhole es: Europa, wir müssen reden!
Wir schlagen Ihnen dazu heute zwei Wege vor. Einerseits muss die Haltung der Bundesregierung auch stärker aus den Ländern unterstützt werden, zum Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern. Es gab ein ähnliches Antragsansinnen, etwa der CDU- und der FDP-Fraktion in NordrheinWestfalen. Man hat sich dort allerdings nicht wirklich deutlich gegenüber der EU-Kommission ausgedrückt. Aber gut, dass wir hier im Land mit dem vorliegenden Antrag in unserer Koalition einen gemeinsamen Weg finden. Ich bin mir sicher, dass es auch in weiteren Bundesländern entsprechende Initiativen geben wird, dazu vielleicht nachher in der Aussprache noch mehr. Vielleicht müssen die Länder aber auch selbst stärker in die Offensive gehen.
Ein ermunterndes Signal für den Widerstand aus Berlin ist ganz gut, aber noch nicht gut genug. Es reicht nicht, der Bundesregierung nur den Rücken zu stärken. Wir können doch mal proaktiv werden. Wir schlagen deswegen heute vor, in unseren vorhandenen europäischen Netzwerken – Euroregion POMERANIA, Kontakte in die Niederlande und in das Baltikum und so weiter – in kleinerem Rahmen für eine auf Qualität ausgerichtete Berufsreglementierung zu werben. Wenn dies auch aus anderen Bundesländern so passiert, dann wird die Überzeugungsarbeit fruchten. Es kann Mehrheitsverhältnisse auf EU-Ebene verändern. Ich freue mich auf die Debatte und werbe jetzt schon um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch dazu, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Herr Glawe, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland wird mit dem Slogan „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan.“ geworben. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern ist das Handwerk eine der tragenden Säulen der Wirtschaft unseres Landes. Damit wird auch weiterhin getischlert, geschweißt, gebacken, behandelt und massiert.
Meine Damen und Herren, da ist es natürlich wichtig, sich konsequent für den Erhalt der dualen Ausbildung einzusetzen. Dazu gehört auch, dass die bestehenden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die hohen Anforderungen an die Befähigung für die Tätigkeit im Handwerk und in den Freien Berufen beizubehalten sind. Nur so kann das Fundament für Qualität, Professionalität und Verbraucherschutz gesichert werden. „Made in Germany“ ist und bleibt nur so weltweit ein Siegel, das sich weiter als Qualitätssiegel Deutschlands in der Welt erweisen soll.
Die Europäische Kommission hat am 10. Januar 2017 das Dienstleistungspaket vorgestellt. In diesem werden Entwürfe für Richtlinien und Verordnungen präsentiert, die den EU-Binnenmarkt weiter harmonisieren sollen. Im Einzelnen werden die Einführung einer Dienstleistungskarte, eine verbindliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsregelungsleistungen und eine Reformierung des bereits bestehenden Notifizierungsverfahrens angestrebt. Ich begrüße die Bestrebungen der Kommission, den Binnenmarkt weiter zu vertiefen und bürokratische Hürden für Dienstleistungserbringer abzubauen. Doch die dazu vorgebrachten Neuerungen der EU-Kommission sind keineswegs geeignet, diesen Weg in angemessener Weise herbeizuführen.
Lassen Sie mich das ein wenig untersetzen. Ich sehe eine große Gefahr durch zu eng bemessene Fristen für eine Prüfung und durch die Fiktion, dass bei Nichteinhaltung der Fristen eine Genehmigung vorliegt. Faktisch wird dadurch das Herkunftslandprinzip eingeführt. Einmal ausgestellt, kann der Inhaber einer Dienstleistungskarte diese nämlich uneingeschränkt und unbegrenzt in allen Mitgliedsstaaten der EU nutzen. Kontroll- und Schutzrechte der Mitgliedsstaaten würden ausgehebelt und ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren schlichtweg umgangen. Deswegen muss darauf gedrängt werden, dass die Behörden des Aufnahmestaates die Erteilung der Dienstleistungskarte auch tatsächlich genehmigen. Andererseits droht ein Missbrauch der unbefristet ausgestellten Karte. Die Anzahl scheinselbstständiger Solounternehmen würde zum Beispiel rapide steigen.
Schon bei der Dienstleistungsrichtlinie unternahm die EU-Kommission 2006 den Versuch, das Herkunftslandprinzip einzuführen. Damals wehrte sich Deutschland unter anderem zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen von Anbietern aus unterschiedlichen Herkunftsländern und zum Erhalt der Sozialstandards erfolgreich dagegen. Daran muss jetzt angeknüpft werden. Auch sind die Richtlinien und Verordnungsentwürfe zur Einführung einer elektronischen europäischen Dienstleistungskarte in vielen Punkten noch viel zu vage. So ist nicht ersichtlich, welche Anforderungen im Rahmen der Prüfungen, die nach nationalem Recht bereits erfüllt wurden, Aufnahmemitgliedsstaaten auch weiterhin stellen können.
Sofern eine Prüfung der Anforderungen ergibt, dass es sich um eine anerkannte und gleichwertige Qualifikation
handelt, ist fraglich, ob diese Anforderung beispielsweise in Aufnahmemitgliedsstaaten weiterhin gestellt werden kann. Als Beispiel dient dabei die Gewerbeanmeldung. Sofern der Dienstleister in seinem Mitgliedsstaat eine solche bereits getätigt hat und diese Anforderung als gleichwertig anerkannt werden muss, würde dies bedeuten, dass der Unternehmer in Deutschland keine Gewerbeanmeldung vollziehen muss. Die entsprechenden Auswirkungen werden Ihnen sicherlich deutlich sein. Eine effektive Kontrolle der jeweiligen Unternehmen scheint damit ausgeschlossen.
Nicht zuletzt würde die Einführung einer Dienstleistungskarte zu der Errichtung einer weiteren Behörde führen, die für die Ausstellung der Dienstleistungskarte für alle in den Anwendungsbereichen der Richtlinien fallenden Branchen zuständig sein soll. Schon bei der Dienstleistungsrichtlinie wird die Errichtung einheitlicher Ansprechpartner verpflichtend. Mit diesen wurde ein Instrument zur Erweiterung der grenzüberschreitenden Angebote an Dienstleistungen geschaffen. Die Regulierungsautonomie der Länder soll damit nicht beeinträchtigt werden. Die Schaffung von Doppelstrukturen wird nunmehr weitere Investitionen bedeuten, obwohl sie gar nicht notwendig sind und auch das Verhältnis zu dem bereits geschaffenen europäischen Berufsausweis für die Inhaber nicht ohne Weiteres ersichtlich ist.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat bereits am 9. März 2017 beschlossen, dass die Richtlinienvorschläge zur Reformierung des Notifizierungsverfahrens und der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsregularien gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeiten verstoßen – mit Recht, unserer Ansicht nach. Deutschland hat schon bei der Einführung der Dienstleistungsrichtlinie durch umfassendes Normenscreening nachgewiesen, dass die Verhältnismäßigkeit seiner Gesetzgebung gewährleistet ist. Bereits mit der Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 wurden klare Richtlinien für Reglementierungen im Handwerk festgelegt. Dabei wurde die Anzahl der reglementierten Handwerksberufe von 93 auf 41 reduziert. Auch wenn die Anzahl soloselbstständiger Kleinbetriebe stieg, nahm gleichzeitig die Anzahl der Auszubildenden und Arbeitnehmer dort drastisch in den deregulierten Berufen ab. Auch das ist sicher nicht der gewünschte Effekt, den wir uns davon versprochen haben.
Deutschland, insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, ist in Anbetracht des zunehmenden Fachkräftemangels darauf angewiesen, dass auch in Zukunft Professionalität, Qualität und Verbraucherschutz für das Handwerk sprechen. Die Einführung von 21 Prüfkriterien vor dem Erlass neuer, aber auch vor der Änderung bereits bestehender und geprüfter Vorschriften beschränkt die Handlungsfähigkeit der nationalen Gesetzgeber vehement. Das duale Ausbildungssystem hat sich jedoch in Krisenzeiten bewährt und sollte weiterhin in seiner jetzigen Form Bestand haben.